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Jahresrückblick

** Dieser Überblick behandelt die Aktivitäten der Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahr 2021. Er wurde vor der russischen Invasion in die Ukraine fertiggestellt. Die EZB ist bereit, alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Finanzstabilität und zur Erfüllung ihres Mandats, der Gewährleistung von Preisstabilität, zu ergreifen.**

Im Jahr 2021 stabilisierte sich die wirtschaftliche Erholung im Euroraum nach der pandemischen Notlage. Die Konjunktur gewann kräftig an Fahrt, und das reale BIP stieg um 5,3 %. Das Wachstum schwächte sich am Jahresende allerdings ab, als die Omikron-Welle der Covid-19-Pandemie erneut Einschränkungen notwendig machte. Bei der Beschäftigung war der Aufschwung ebenfalls zu spüren: Die Arbeitslosenquote sank zum Jahresende auf ein Rekordtief.

Mit dem raschen Hochfahren der Wirtschaft machten sich aber auch deutliche Spannungen bemerkbar. Während die Inflation im Euroraum zu Jahresbeginn noch auf einem sehr niedrigen Niveau gelegen hatte, ließen pandemiebedingte Lieferengpässe, die sich belebende weltweite Nachfrage und stark steigende Energiepreise die Inflationsrate in die Höhe schnellen. Die jährliche Gesamtinflation lag 2021 bei durchschnittlich 2,6 % nach nur 0,3 % im Vorjahr.

Die EZB schloss 2021 die Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie ab. Unsere Strategie wurde aktualisiert, um neue Herausforderungen bewältigen zu können. Wir bekamen außerdem eine Richtschnur an die Hand, um die aktuelle komplexe Situation zu handhaben. Der EZB-Rat legte für die Inflation ein Ziel von 2 % auf mittlere Sicht fest. Dieses einfache und nachvollziehbare Ziel ist symmetrisch, da Abweichungen in beide Richtungen als gleichermaßen unerwünscht angesehen werden. Zudem ist es belastbar, da sich der gesamte EZB-Rat darauf geeinigt hat.

Der EZB-Rat hat sich auch darauf verständigt, wie er seiner Symmetrieverpflichtung nachkommen wird. Insbesondere wenn die Leitzinsen in einer Volkswirtschaft in der Nähe der effektiven Untergrenze liegen, sind besonders kraftvolle oder lang anhaltende geldpolitische Maßnahmen nötig, um zu verhindern, dass sich negative Abweichungen vom Inflationsziel verfestigen. Diese neue Strategie spiegelt sich in unserer rekalibrierten Forward Guidance zu den Zinssätzen wider und war für unsere geldpolitische Reaktion auf die wirtschaftliche Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte maßgebend.

Solange der Aufschwung fragil und die Inflation verhalten war, stellten wir umfangreiche geldpolitische Unterstützung bereit, um die Inflation auf unser Ziel von 2 % zurückführen. Als die Inflation anzog, verfolgten wir unseren geldpolitischen Kurs geduldig und beharrlich weiter, um nicht verfrüht mit einer Straffung auf angebotsseitige Schocks zu reagieren. Wir passten den Umfang des Nettoerwerbs von Vermögenswerten im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) den jeweiligen Aussichten und unserer Einschätzung der Finanzierungsbedingungen entsprechend an.

Im Dezember gelangte der EZB-Rat zu der Einschätzung, dass es die fortschreitende Konjunkturerholung und die Annäherung an unser mittelfristiges Inflationsziel zulassen, die Ankäufe von Vermögenswerten in den folgenden Quartalen schrittweise zu verringern. Er kündigte an, dass die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP im März 2022 enden und seine übrigen Programme zum Ankauf von Vermögenswerten allmählich zurückgefahren werden.

Im Rahmen der Strategieüberprüfung hat die EZB auch einen ambitionierten Maßnahmenplan zum Klimawandel zusammen mit einem detaillierten Fahrplan veröffentlicht, aus dem hervorgeht, wie Klimaschutzaspekte in unseren geldpolitischen Handlungsrahmen einbezogen werden sollen. Dazu zählt neben der Entwicklung neuer Indikatoren für Risikoanalysen zum Klimawandel auch die Untersuchung der Frage, wie die Folgen des sich verändernden Klimas in unseren makroökonomischen Modellen besser erfasst werden können. Das 2021 gegründete Kompetenzzentrum Klimawandel der EZB wird eine wichtige Rolle bei der Koordinierung der entsprechenden Aktivitäten innerhalb der Bank spielen. Alles Wissenswerte über die nachhaltigkeitsbezogenen Aktivitäten und Initiativen der EZB finden Sie in Kapitel 11 dieses Jahresberichts.

Auch in der Kommunikation der EZB gab es einige wichtige Änderungen. Im Juli veröffentlichte der EZB-Rat zum ersten Mal die neu konzipierte Erklärung zur Geldpolitik. Darin werden die geldpolitischen Beschlüsse des EZB-Rats auf verständliche Art und Weise vermittelt und durch visuelle Darstellungen ergänzt. Die neue Erklärung trägt den Titel „Unsere Erklärung zur Geldpolitik auf einen Blick“ und ist für die breitere Öffentlichkeit bestimmt. Die Beschlüsse der EZB werden darin in klarer Sprache und mit anschaulichen Bildern erklärt. Sie steht in allen Amtssprachen der EU zur Verfügung.

Die Unterstützung für den Euro ist groß. 79 % der Befragten im Euroraum, die im Juni-Juli 2021 an der Eurobarometer-Umfrage teilnahmen, stehen der gemeinsamen Währung positiv gegenüber. Der Euro muss aber auch für das digitale Zeitalter gerüstet sein. Darum hat der EZB-Rat die 24-monatige Untersuchungsphase eines Projekts zu einem digitalen Euro gestartet. Dessen ungeachtet wird Bargeld im Leben der Menschen weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Im Dezember gab die EZB ihre Pläne bekannt, die zukünftigen Euro-Banknoten unter Einbeziehung von Input seitens interessierter Bürgerinnen und Bürger neu zu gestalten. Das endgültige Design soll im Jahr 2024 ausgewählt werden.

Dem Euro stehen in den kommenden Jahren also Veränderungen bevor. Was aber stets bestehen bleibt, ist das Engagement der EZB für die gemeinsame Währung und für Preisstabilität.

Frankfurt am Main im April 2022

Christine Lagarde

Präsidentin

Das Jahr in Zahlen

1 Wirtschaftsaussichten trotz Aufhellung weiterhin vom Pandemiegeschehen getrübt

Die Weltwirtschaft hat sich im Jahr 2021 deutlich erholt. Dies hing hauptsächlich mit dem Wiederhochfahren der Wirtschaft vor dem Hintergrund steigender Covid-19-Impfquoten und umfangreichen und zeitnahen Unterstützungsmaßnahmen zusammen. Allerdings verlief der Aufschwung in den Industrieländern und den Schwellenländern etwas ungleichmäßig. Die Inflation erhöhte sich weltweit. Ausschlaggebend hierfür waren der abrupte Anstieg der Energiepreise und die Tatsache, dass die Nachfrage in einigen Sektoren deutlich schneller wuchs als das Angebot, das durch pandemiebedingte Faktoren und anderweitige Liefer- und Transportengpässe begrenzt wurde. Das Wachstum des realen BIP im Euroraum legte im Berichtsjahr kräftig zu, nachdem es im Jahr zuvor so stark wie nie zuvor geschrumpft war. Gestützt wurde der Aufschwung, der mit einer Verbesserung an den Arbeitsmärkten einherging, durch zeitnahe und entschlossene geld- und fiskalpolitische Maßnahmen. Die wirtschaftliche Unsicherheit war im Berichtsjahr allerdings weiterhin hoch, und die beiden größten Wirtschaftssektoren – die Industrie und das Dienstleistungsgewerbe – entwickelten sich sehr unterschiedlich. Zu Jahresbeginn wurde das Wachstum durch Lockdown-Maßnahmen und Reisebeschränkungen gebremst, die sich negativ auf das Angebot von und die Nachfrage nach Dienstleistungen auswirkten. Im späteren Jahresverlauf, als die weltweite Nachfrage außergewöhnlich stark zugenommen hatte, führten Angebotsengpässe und höhere Energiekosten zu Produktionseinschränkungen in der Industrie. Die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Inflation im Euroraum stieg im Jahr 2021 sprunghaft auf 2,6 % an (nach 0,3 % im Jahr 2020). Dabei entwickelte sie sich in den ersten Monaten des Jahres noch verhalten, beschleunigte sich jedoch später und belief sich im Dezember 2021 auf 5,0 %. Dahinter verbargen sich vor allem ein allgemeiner und drastischer Anstieg der Energiepreise, Nachfrage- und Angebotsungleichgewichte nach dem Wiederhochfahren der Volkswirtschaften sowie eher technische Faktoren wie das Auslaufen der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung in Deutschland. Ursprünglich wurde erwartet, dass die Inflation 2022 noch für kurze Zeit erhöht bleiben, im Verlauf des Jahres aber nachlassen würde. Mit der russischen Invasion in die Ukraine hat sich die Unsicherheit betreffend die Inflationsaussichten allerdings deutlich erhöht.

1.1 Kräftige Erholung der Weltwirtschaft nach der Krise mit ungleichmäßigem Tempo

Steigende Impfquoten und zeitnahe Unterstützungsmaßnahmen sorgten für starken Aufschwung der Weltwirtschaft, der aber ungleichmäßig verlief

Die Weltwirtschaft erholte sich im Berichtsjahr deutlich von der Krise, allerdings nicht überall gleich schnell (siehe Abbildung 1.1). Trotz erneuter Pandemiewellen lag das globale Wachstum des realen BIP im Jahr 2021 bei 6,2 %, verglichen mit einer Jahreswachstumsrate 2020 von ‑3,1 %. Die konjunkturelle Belebung war vor allem darauf zurückzuführen, dass die Wirtschaft in den einzelnen Ländern wieder hochgefahren wurde, die Impfquoten weiter zunahmen und zeitnah Unterstützungsmaßnahmen ergriffen wurden. Zugleich bremsten Angebotsengpässe das Wachstum. Die Erholung war zwar weltweit zu verzeichnen, jedoch in den einzelnen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt. So verlief der Aufschwung in den Industrieländern kräftiger und in den meisten Schwellenländern eher moderat, denn dort war die Verfügbarkeit von Impfstoffen begrenzter und der Spielraum für Unterstützungsmaßnahmen geringer. Zudem verlangsamte sich das globale Wirtschaftswachstum gegen Jahresende, da eine weitere Infektionswelle erneute Einschränkungen mit sich brachte und die Angebotsengpässe fortbestanden.

Abbildung 1.1

Globales Wachstum des realen BIP

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Quartalswerte)

Quellen: Haver Analytics, nationale Quellen und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Aggregate sind anhand des BIP zu Kaufkraftparitäten berechnet. Die durchgezogenen Linien zeigen Datenwerte bis zum vierten Quartal 2021. Die gestrichelten Linien stellen den langfristigen Durchschnitt (vom ersten Quartal 1999 bis zum vierten Quartal 2021) dar. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2021 und wurden am 28. Februar 2022 aktualisiert.

Welthandel erholte sich ebenfalls kräftig, hauptsächlich aufgrund des Warenhandels

Auch der Welthandel belebte sich wieder deutlich, wenngleich sich die Dynamik in der zweiten Jahreshälfte abschwächte (siehe Abbildung 1.2). Zunächst stieg die globale Nachfrage vor allem im Zusammenhang mit dem privaten Verbrauch und dort hauptsächlich bei den Konsumgütern und weniger bei den stärker von pandemiebedingten Beschränkungen betroffenen Dienstleistungen (z. B. Verkehr und Tourismus). Im zweiten Halbjahr überschritt der Warenhandel sein Vorkrisenniveau, auch wenn das Wachstumstempo durch fortbestehende Lieferengpässe gedrosselt wurde. Beim Handel mit kontaktintensiveren Dienstleistungen verlief der Aufschwung langsamer und im Einklang mit der allmählichen Lockerung der Beschränkungen. Hier wurde das Vorpandemieniveau im Berichtszeitraum noch nicht wieder erreicht.

Abbildung 1.2

Wachstum des Welthandels (Importvolumen)

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Quartalswerte)

Quellen: Haver Analytics, nationale Quellen und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Das Wachstum des Welthandels wird als Anstieg der weltweiten Einfuhren (einschließlich des Euroraums) gemessen. Die durchgezogenen Linien zeigen Datenwerte bis zum vierten Quartal 2021. Die gestrichelten Linien stellen den langfristigen Durchschnitt (vom vierten Quartal 1999 bis zum vierten Quartal 2021) dar. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2021 und wurden am 28. Februar 2022 aktualisiert.

Nachfrageerholung, Lieferengpässe und höhere Energiepreise führten zu deutlichem Anstieg der weltweiten Inflation

Das allgemeine Preisniveau stieg 2021 weltweit deutlich an. Dies galt sowohl für die Gesamtinflation als auch für einzelne Messgrößen der Teuerung, etwa die Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel (siehe Abbildung 1.3). In den Mitgliedstaaten der OECD erhöhte sich die Gesamtinflation auf 6,6 % und die Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel auf 4,6 %. Ausschlaggebend hierfür war in den meisten Ländern die Verteuerung von Energie und sonstigen Rohstoffen. Diese ergab sich wiederum aus dem pandemiebedingten Mismatch zwischen beschränktem Angebot und kräftig anziehender Nachfrage. In den Vereinigten Staaten, wo das reale BIP im zweiten Quartal 2021 wieder das Vorkrisenniveau erreichte, verstärkte sich der Inflationsdruck besonders und entfaltete gegen Jahresende eine breitere Wirkung. Auch in einigen Schwellenländern war der Inflationsdruck auf breiterer Front spürbar.

Abbildung 1.3

Anstieg der Verbraucherpreise im OECD-Raum

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Monatswerte)

Quelle: OECD.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2021 und wurden am 28. Februar 2022 aktualisiert.

Preisauftrieb bei Öl aufgrund von Nachfrageerholung und Angebotsbeschränkungen

Die Rohölpreise erreichten 2021 einen Höchststand von 86 USD je Barrel, nachdem sie während der Pandemie auf rund 10 USD je Barrel gesunken waren. Am Jahresende lag der Preis für die internationale Referenzrohölsorte Brent bei 79 USD je Barrel. Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung stieg die Ölnachfrage und näherte sich ihrem Vorpandemieniveau. Zudem sorgten hohe Gaspreise in der zweiten Jahreshälfte für eine Substitution von Gas mit anderen Energieträgern, darunter Öl. Das Ölangebot konnte indes nicht mit der Ölnachfrage Schritt halten, was teilweise mit Kapazitätsbeschränkungen in der US-Schieferölindustrie und mit der relativ moderaten Erhöhung der Fördermengen durch die OPEC-Plus-Staaten zusammenhing.

Unterschiedlicher geldpolitischer Kurs in USA und Euroraum sorgte für Abwertung des Euro zum US-Dollar

Der Euro wertete im Lauf des Jahres 2021 nominal-effektiv um 3,6 % ab. Bilateral war hierfür die Abwertung der Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar um 7,7 % ausschlaggebend, die hauptsächlich die unterschiedliche Entwicklung des geldpolitischen Kurses in den Vereinigten Staaten und im Euroraum widerspiegelte. Der Euro verlor auch zum Pfund Sterling an Wert, während er gegenüber dem Yen Boden gutmachte.

Risiken für globale Wirtschaftsaussichten vorwiegend abwärtsgerichtet

Ende 2021 waren die globalen Wachstumsaussichten noch immer von der Unsicherheit des Pandemiegeschehens und dem weltweit ungleichmäßigen Impffortschritt getrübt. Das Auftreten der Omikron-Virusvariante sowie die erneute Verschlimmerung der Infektionslage und Einführung von Eindämmungsmaßnahmen bargen ebenso ein Risiko für das Tempo der wirtschaftlichen Erholung wie die Möglichkeit, dass sich die Angebotsengpässe als persistenter erweisen.

1.2 Rasche wirtschaftliche Erholung im Euroraum[1]

Das reale BIP im Euroraum stieg im Jahr 2021 um 5,3 %, nachdem noch im Vorjahr mit 6,4 % der größte jemals beobachtete Rückgang verzeichnet worden war (siehe Abbildung 1.4). Dabei war die Wachstumsdynamik weiterhin sehr stark vom Verlauf der Covid-19-Pandemie sowie von einer erhöhten, wenngleich abnehmenden wirtschaftlichen Unsicherheit geprägt. Im ersten Quartal 2021 wurde das Wachstum noch durch Lockdown-Maßnahmen und Reisebeschränkungen gebremst, die sich vor allem auf den Dienstleistungssektor negativ auswirkten. Die wirtschaftliche Erholung nahm ihren Anfang im Industriesektor. Dort waren allgemein hohe Wachstumsraten zu verzeichnen. Mit dem Wiederhochfahren der Volkswirtschaften und der Lockerung von Beschränkungen im Lauf des zweiten und dritten Quartals begann der Dienstleistungssektor an die Entwicklung in der Industrie anzuknüpfen. Damit war der Weg für einen breiter angelegten Aufschwung geebnet. Allerdings zog die weltweite Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte außergewöhnlich stark an und führte an mehreren Märkten zu einem Mismatch zwischen Angebot und Nachfrage. Die Folge war unter anderem ein abrupter Anstieg der Energiekosten, der – zusammen mit einer neuerlichen Verschlimmerung der Pandemielage – die Erholung bremste und für erhöhten Inflationsdruck sorgte.

Abbildung 1.4

Reales BIP im Euroraum und Nachfragekomponenten

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quelle: Eurostat.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf 2021 (linke Grafik) bzw. auf das vierte Quartal 2021 (rechte Grafik).

Diese Entwicklungen betrafen zwar den gesamten Euroraum, jedoch verlief die Erholung von den Pandemiefolgen in den einzelnen Mitgliedstaaten etwas uneinheitlich. Dies ist großteils dem von Land zu Land variierenden Pandemiegeschehen geschuldet. Gleichwohl kommen hier auch strukturelle Unterschiede der Volkswirtschaften zum Tragen, wie etwa die Abhängigkeit von globalen Lieferketten und das Gewicht von kontaktintensiven Dienstleistungen (z. B. im Tourismussektor). Ende 2021 lag die Wirtschaftsleistung im Euroraum 0,2 % über dem Niveau des vierten Quartals 2019 (siehe Abbildung 1.5). Dahinter verbargen sich jedoch unterschiedliche Entwicklungen in den einzelnen Ländern. Von den größten Volkswirtschaften des Euroraums erreichte bis Jahresschluss lediglich Frankreich eine Wirtschaftsleistung über dem Vorpandemieniveau.

Abbildung 1.5

Reales BIP, privater Verbrauch und Investitionen im Euroraum

(Index: Q4 2019 = 100)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das vierte Quartal 2021. Im vierten Quartal 2021 lagen die Gesamtinvestitionen und die Investitionen ohne Bauten 6,5 % bzw. 12,7 % unterhalb des Vorpandemiestands (viertes Quartal 2019). Bleiben die Daten für Irland unberücksichtigt, ergibt sich mit Jahresende 2021 eine Überschreitung des Vorpandemieniveaus von 1,1 % bzw. 0,5 %. Dieser beträchtliche Unterschied lässt sich dadurch erklären, dass große multinationale Unternehmen ihre Betriebsstätte in Irland haben und die Daten zu Investitionen in geistiges Eigentum somit deutlich schwanken.

Die Erholung des Wirtschaftswachstums im Jahr 2021 wurde durch zeitnahe und entschlossene expansive geld- und fiskalpolitische Maßnahmen unterstützt. Teilweise halfen diese Maßnahmen auch den Volkswirtschaften, sich strukturellen Veränderungen, die durch die Pandemie ausgelöst wurden und noch andauern, anzupassen. Die EZB ergriff 2021 abermals weitreichende geldpolitische Unterstützungsmaßnahmen, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern. Durch die akkommodierende Geldpolitik, die auch für ausreichend Liquidität im Bankensystem sorgte, wurde die Kreditversorgung der Realwirtschaft sichergestellt. Die Regierungen der Euro-Länder stellten 2021 weiterhin Haushaltsmittel im erheblichen Umfang bereit, um die negativen Auswirkungen der Krise zu minimieren, beispielsweise in Form von Kurzarbeitsregelungen, Ausgabenerhöhungen im Gesundheitswesen oder sonstiger Unterstützung für Unternehmen und private Haushalte sowie durch umfangreiche Kreditgarantien bzw. diesbezügliche Ermächtigungen. Auf Unionsebene begann die Umsetzung des Aufbauprogramms „Next Generation EU“, und es wurde das Klimapaket „Fit für 55“ verabschiedet, das zu einer stärkeren, umweltverträglicheren und gleichmäßigeren Erholung in den Mitgliedstaaten beitragen soll.

Privater Konsum trug 2021 am stärksten zur Erholung im Euroraum bei

Der Konsum der privaten Haushalte stieg im Berichtsjahr um 3,5 %. Vor allem im zweiten und dritten Quartal zogen die Konsumausgaben kräftig an, hauptsächlich aufgrund der Lockerung von Eindämmungsmaßnahmen. Ab dem Frühjahr nahm das Verbrauchervertrauen rasch zu, da die Impfquoten stiegen und die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus allgemein nachließ. Zugleich verbesserte sich die Finanzlage der privaten Haushalte. Maßgeblich hierfür war die positive Entwicklung der Arbeitseinkommen (siehe Abbildung 1.6). Während des Berichtsjahrs liefen einige staatliche Maßnahmen zur Stützung des verfügbaren Einkommens nach und nach aus. Der Beitrag der Nettotransferleistungen zum Wachstum des real verfügbaren Einkommens wurde 2021 negativ, da sich insgesamt weniger Menschen in Programmen zur Arbeitsplatzsicherung befanden und andere Unterstützungsleistungen zurückgefahren wurden. Aufgrund des kräftigen Lohn- und Beschäftigungswachstums hatte das Arbeitseinkommen, das tendenziell häufiger für Konsumausgaben verwendet wird als andere Einkommensarten, den größten Anteil am Anstieg des real verfügbaren Einkommens im Jahr 2021. Das Wachstum des real verfügbaren Einkommens wurde auch durch den Beitrag von Bruttobetriebsüberschuss, Selbständigen- und Vermögenseinkommen gestützt, der sich im Lauf des Jahres ins Positive kehrte, während die negative Entwicklung der Terms of Trade dämpfend wirkte. Die Sparquote der privaten Haushalte verringerte sich im Berichtsjahr, nachdem sie 2020 pandemiebedingt deutlich angestiegen war. Allerdings lag sie weiterhin über ihrem Vorpandemiestand, da Eindämmungsmaßnahmen noch in Kraft waren und die Unsicherheit erhöht blieb. Trotz Aufschwung hatten die privaten Konsumausgaben zum Jahresende somit das Vorpandemieniveau noch nicht wieder erreicht.

Abbildung 1.6

Private Konsumausgaben im Euroraum und Aufschlüsselung des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quelle: Eurostat.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das dritte Quartal 2021 (verfügbares Einkommen und Beiträge) bzw. das vierte Quartal 2021 (Konsumausgaben).

Einsetzende Erholung der Unternehmens- und der Wohnungsbauinvestitionen durch angebotsseitige Engpässe gebremst

In der ersten Jahreshälfte gewannen die Unternehmensinvestitionen (näherungsweise beziffert anhand der Investitionen außerhalb des Baugewerbes) an Dynamik. Dies hing mit der Lockerung der Pandemiemaßnahmen und dem Wiederhochfahren der Wirtschaft sowie mit den nach wie vor günstigen Finanzierungsbedingungen zusammen. Allerdings belasteten angebotsseitige Engpässe, die sich in längeren Lieferzeiten und steigenden Vorleistungspreisen äußerten, die wirtschaftliche Erholung ab Mitte des Jahres und damit auch die Unternehmensinvestitionen. Die Investitionstätigkeit der Unternehmen wurde im weiteren Verlauf zusätzlich durch höhere Energiepreise und eine erneute Verschlimmerung der Pandemielage gegen Jahresende gebremst. Ende 2021 legten die Unternehmensinvestitionen wieder zu, blieben aber deutlich unterhalb ihres Standes vom vierten Quartal 2019 (siehe Abbildung 1.5). Demgegenüber hatten die Wohnungsbauinvestitionen bereits im vierten Quartal 2020 das Vorkrisenniveau überschritten. In den übrigen Jahresvierteln kam es aufgrund des Material- und Arbeitskräftemangels zu Rentabilitätsverlusten im Baugewerbe. Die Nachfrage nach Wohnimmobilien wurde jedoch von günstigen Finanzierungsbedingungen, Maßnahmen zur Stützung der Einkommen und den hohen akkumulierten Ersparnissen getragen. Zum Jahresende 2021 waren die Wohnungsbauinvestitionen deutlich höher als vor der Krise.

Der Handel des Euroraums erreichte Ende 2021 wieder das Vorpandemieniveau, und der Außenhandel leistete einen positiven Beitrag zum jährlichen BIP‑Wachstum. Auf der Importseite sorgte die zyklische Aufstockung der Lagerbestände für ein robustes Wachstum. Allerdings wurde dieses durch eine starke Preisdynamik gebremst, die sich vor allem aus dem sprunghaften Anstieg der Energieeinfuhrpreise ergab. Bei den Exporten, die aufgrund der Aktivität im verarbeitenden Gewerbe Ende 2020 kräftig angezogen hatten, war im weiteren Verlauf eine Erholung der zwei Geschwindigkeiten zu beobachten. Die Dynamik der Warenexporte ließ ab dem zweiten Quartal etwas nach, da wichtige Exportsektoren von Liefer- und Transportschwierigkeiten betroffen waren. Die Dienstleistungsexporte hingegen profitierten von der erneuten Belebung in kontaktintensiven Sektoren wie dem Tourismus. Am Ende des vierten Quartals 2021 lagen Ein- und Ausfuhren über ihrem Vorkrisenstand.

Das Produktionswachstum entwickelte sich 2021 in den einzelnen Wirtschaftssektoren weiterhin ungleichmäßig (siehe Abbildung 1.7). Sowohl die Industrie als auch das Dienstleistungsgewerbe leisteten einen positiven Beitrag, wobei die Industrie am meisten zur realen Bruttowertschöpfung beisteuerte.

Abbildung 1.7

Reale Bruttowertschöpfung im Euroraum nach Wirtschaftszweigen

(linke Grafik: Veränderung gegen Vorjahr in %, Beiträge in Prozentpunkten; rechte Grafik: Index: Q4 2019 = 100)

Quelle: Eurostat.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf 2021 (linke Grafik) bzw. auf das vierte Quartal 2021 (rechte Grafik).

Arbeitsmarkt trotz anhaltender Erholung weiterhin schwächer als vor der Pandemie

Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung im Euroraum verbesserte sich die Lage am Arbeitsmarkt deutlich. Dennoch war sie insgesamt weiterhin schlechter als vor der Pandemie. Die Arbeitslosenquote sank allmählich von 8,2 % im Januar 2021 auf 7,0 % im Dezember 2021 und unterschritt damit ihren Vorkrisenstand (siehe Abbildung 1.8).[2] Zudem waren die Programme zur Arbeitsplatzsicherung zwar nach wie vor ein wichtiges Instrument, um Kündigungen weitestmöglich zu verhindern, und trugen als solches zum Erhalt von Humankapital bei, doch wurden sie weniger häufig in Anspruch genommen.[3] Andere Arbeitsmarktindikatoren hingegen zeigten noch immer eine schlechtere Lage als vor der Pandemie an. Die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden unterschritt im vierten Quartal 2021 den Wert vom Schlussquartal 2019 um 1,8 %, während die Erwerbsbeteiligung im dritten Quartal 2021 rund 0,2 Prozentpunkte (entspricht rund 400 000 Erwerbspersonen) geringer war (siehe Abbildung 1.9). Für das langsamere Wachstum der Erwerbspersonenzahl war teilweise eine weniger starke Nettozuwanderung in den Euroraum verantwortlich. Die anhaltenden Arbeitsmarktanpassungen verliefen in den einzelnen Erwerbspersonengruppen unterschiedlich, was teilweise damit zusammenhing, dass bestimmte Sektoren stärker von den Eindämmungsmaßnahmen und freiwilligen Kontaktbeschränkungen betroffen waren. Im dritten Quartal 2021 war die Zahl der geringqualifizierten Erwerbspersonen rund 4,2 % und die der Erwerbspersonen mit mittlerer Qualifikation 1,7 % niedriger als vor der Pandemie, während bei den hochqualifizierten Erwerbspersonen ein Anstieg von etwa 6,8 % zu Buche stand.[4]

Abbildung 1.8

Arbeitslosenquote und Erwerbspersonen

(linke Skala: Veränderung gegen Vorquartal in %, Beiträge in Prozentpunkten; rechte Skala: in % der Erwerbspersonen)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf 2021 (linke Grafik) bzw. auf das vierte Quartal 2021 (rechte Grafik), das sich aus impliziten Monatswerten ergibt.

Abbildung 1.9

Beschäftigung, Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden und Erwerbsbeteiligung

(linke Skala: Index: Q4 2019 = 100; rechte Skala: in % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das vierte Quartal 2021 (Beschäftigung und geleistete Arbeitsstunden) bzw. das dritte Quartal 2021 (Erwerbsbeteiligung).

Quote der offenen Stellen gestiegen, Beschäftigungswachstum ebenfalls robust

Die Quote der offenen Stellen erhöhte sich zunächst nur in den Sektoren, in denen der Betrieb nach Aufhebung der Lockdown-Maßnahmen wieder aufgenommen wurde. Mit der fortschreitenden wirtschaftlichen Erholung war in den anderen Sektoren ebenfalls ein Anstieg festzustellen. Das Beschäftigungswachstum nahm im zweiten und dritten Quartal 2021 zu. Obwohl es durch Angebotsengpässe im verarbeitenden Gewerbe etwas gebremst wurde, erwies es sich auch im Schlussquartal als robust und breit angelegt. Somit lag die Beschäftigung in der Industrie, im Baugewerbe und in den weniger kontaktintensiven Bereichen des Dienstleistungssektors in der Nähe des Vorpandemieniveaus. Der Beschäftigungsstand in kontaktintensiven Sektoren war im Vergleich zum Zeitraum vor der Pandemie nach wie vor relativ niedrig.

1.3 Fiskalpolitische Maßnahmen in herausfordernden Zeiten

Staatsfinanzen nach wie vor von Auswirkungen der Pandemie geprägt

Die öffentlichen Finanzen im Euroraum standen 2021 schon das zweite Jahr in Folge ganz im Zeichen der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Vor allem in der ersten Jahreshälfte wurden angesichts neuerlicher Infektionswellen und der Notwendigkeit, die wirtschaftliche Erholung zu fördern, weitere umfangreiche staatliche Unterstützungsmaßnahmen ergriffen. Dennoch gingen die Expertinnen und Experten des Eurosystems in ihren gesamtwirtschaftlichen Projektionen vom Dezember 2021 davon aus, dass sich dank einer kräftigen Verbesserung der Konjunktur die Defizitquote im Euroraum von 7,2 % im Jahr 2020 auf 5,9 % im Jahr 2021 verringert (siehe Abbildung 1.10). Die auch 2021 umfangreichen staatlichen Stützungsmaßnahmen spiegelten sich in dem um Zuschüsse aus dem Aufbauprogramm „Next Generation EU“ (NGEU) bereinigten fiskalischen Kurs[5] wider; dieser fiel 2021 weitgehend neutral aus, nachdem er im Jahr 2020 sehr expansiv gewesen war.

Abbildung 1.10

Öffentlicher Finanzierungssaldo und fiskalischer Kurs im Euroraum

(in % des BIP)

Quellen: Von Experten des Eurosystems erstellte gesamtwirtschaftliche Projektionen für das Euro-Währungsgebiet, Dezember 2021 und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Messgröße für den fiskalischen Kurs berücksichtigt Ausgaben, die über die Aufbau- und Resilienzfazilität des NGEU und andere EU-Strukturfonds finanziert werden (siehe Fußnote 5).

Verhaltene Ausweitung von Hilfs- und Konjunkturmaßnahmen: mehr Transferleistungen an Unternehmen, weniger Kurzarbeit

Das Volumen der im Euroraum getroffenen Maßnahmen zur Krisenbekämpfung und zur Unterstützung der Konjunkturerholung erhöhte sich 2021 auf 4,4 % des BIP, verglichen mit 4,1 % im Vorjahr (Abbildung 1.11). Zurückzuführen war dieser Anstieg nicht nur auf ein deutliches Plus bei den staatlichen Transferleistungen für Unternehmen, sondern auch auf verstärkte öffentliche Unterstützung für den Gesundheitsbereich und staatliche Investitionen. Die rückläufige Inanspruchnahme von Kurzarbeit glich diese Ausweitung aber weitgehend aus. Die Kurzarbeit war 2020 die wichtigste der staatlichen Stützungsmaßnahmen. Mit der Lockerung pandemiebedingter Einschränkungen und der im Zuge der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung einsetzenden Verbesserung der Arbeitsmarktlage wurde die Nutzung der Kurzarbeit 2021 schrittweise reduziert. Die höhere Wirtschaftsleistung ist auch der Grund dafür, dass die Schuldenquote des Euroraums 2021 geringfügig – auf 97 % – zurückging, nachdem sie im Jahr davor stark gestiegen war.

Abbildung 1.11

Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronakrise und Konjunkturmaßnahmen im Euroraum

(in % des BIP)

Quellen: Von Experten des Eurosystems erstellte gesamtwirtschaftliche Projektionen für das Euro-Währungsgebiet, Dezember 2021 und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Unterstützungsmaßnahmen im Gesundheitswesen wurden aus den anderen hier dargestellten Komponenten herausgerechnet; der größte Effekt ergibt sich dadurch für die Konsumausgaben des Staates.

NGEU als Eckpfeiler der europäischen Maßnahmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Pandemiefolgen

Der Bedarf an öffentlicher Unterstützung wurde in den vergangenen zwei Jahren in erster Linie durch nationale Maßnahmen, zunehmend aber auch durch EU-weite Initiativen gedeckt. Ein wesentliches Element der gemeinsamen Krisenbewältigung wurde im Juli 2020 ins Leben gerufen, als die EU das EU-weite Investitions- und Reformprogramm „Next Generation EU“ (NGEU) ankündigte. NGEU bietet den Mitgliedstaaten finanzielle Unterstützung an, die an die Umsetzung konkreter Investitions- und Reformprojekte im Zeitraum 2021-2026 geknüpft ist. Das dafür mobilisierte Finanzierungsvolumen beläuft sich auf maximal 807 Mrd € (in laufenden Preisen), wovon 401 Mrd € (3,5 % des BIP des Euroraums) für die Euro-Länder und die restlichen Mittel für andere EU-Mitgliedstaaten vorgesehen sind. Aus der Aufbau- und Resilienzfazilität, der mit Abstand größten NGEU-Komponente, wird ca. die Hälfte der Mittel in Form von Darlehen und die andere Hälfte in Form nicht rückzahlbarer Zuschüsse bereitgestellt. Die Zuschüsse dürften in der Praxis die wichtigere Rolle spielen, da alle Euro-Länder beabsichtigen, sie in vollem Umfang abzurufen, während bisher nur wenige Euro-Länder um Darlehen angesucht haben. Hervorgehoben sei in diesem Zusammenhang, dass im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität jenen Ländern, die von der Pandemie am stärksten betroffen waren oder sind bzw. ein relativ geringes BIP pro Kopf aufweisen, ein größerer Anteil an Mitteln zusteht (siehe Abbildung 1.12 für einen Überblick über die Ansprüche pro Land). Dies sollte vor allem in Kombination mit gut umgesetzten Aufbau- und Resilienzplänen dazu beitragen, dass sich die Wachstumsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, die durch die Pandemie weiter verschärft wurden, verkleinern.

Abbildung 1.12

Aufbau- und Resilienzfazilität: Mittelansprüche und ‑ansuchen nach Ländern zum Jahresende 2021

(in % des BIP 2020)

Quellen: Europäische Kommission und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: EA: Euroraum. Die Ansprüche auf Zuschüsse sind nach Angaben der Europäischen Kommission ausgewiesen. Die Darlehensansprüche entsprechen 6,8 % des jeweiligen Bruttonationaleinkommens im Jahr 2019. Für die Niederlande liegen keine Informationen über die Beantragung von Mitteln vor, da das Land bisher keinen Aufbau- und Resilienzplan eingereicht hat.

1.4 Anstieg der Inflation von heterogenen Effekten getrieben

Die HVPI-Gesamtinflation im Euroraum belief sich 2021 auf durchschnittlich 2,6 % und lag damit deutlich über dem Vorjahreswert von 0,3 % (siehe Abbildung 1.13). Dieser Anstieg war in einem hohen Maß dem Anziehen der Energiepreise geschuldet. Mit der Lockerung der pandemiebedingten Einschränkungen und der kräftigen binnen- und weltwirtschaftlichen Erholung übertraf außerdem in einigen Sektoren die Nachfrage das eingeschränkte Angebot, was für zusätzlichen Inflationsdruck sorgte. Der sprunghafte Anstieg der Jahresinflationsrate von ‑0,3 % im Dezember 2020 auf 5,0 % im Dezember 2021 war sowohl im Hinblick auf den steilen Verlauf als auch auf die Höhe der Jahreswachstumsraten Ende 2021 beispiellos (siehe Kasten 1). Zudem lagen die tatsächlichen Teuerungsraten wiederholt deutlich über den Erwartungen. Ursprünglich ging man davon aus, dass sich die Treiber der 2021 verzeichneten Inflationsbeschleunigung in nächster Zukunft weitgehend abschwächen würden; nach einem kurzfristigen Verharren auf einem erhöhten Niveau hätte die Inflation im Jahresverlauf 2022 nachgeben sollen. Mit der russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022 hat sich die Unsicherheit betreffend die Inflationsaussichten allerdings deutlich erhöht.

Anziehende Energiepreise, Öffnung des Dienstleistungssektors und Lieferengpässe als Inflationstreiber

Den größten Anteil an der Beschleunigung der Gesamtinflation im Jahr 2021 hatten die Energiepreise. Ab dem Sommer nahmen aber auch die Beiträge anderer Komponenten zu. Dank der Lockerungen pandemiebedingter Einschränkungen in Verbindung mit der vorherrschenden expansiven Fiskal- und Geldpolitik konnte sich die Nachfrage erholen, wodurch vor allem verbrauchernahe Dienstleistungen profitierten. Zugleich trieben die starke globale Nachfrage und Lieferengpässe sowie die Energiepreise die Kosten für importierte und im Inland produzierte Güter in die Höhe. Diese Entwicklung spiegelte sich auch in einem höheren Inflationsbeitrag der Industrieerzeugnisse ohne Energie und der Preise für Dienstleistungen im späteren Jahresverlauf wider (siehe Abbildung 1.13). Bis zu einem gewissen Grad sorgte im zweiten Halbjahr auch der Effekt der 2020 in Deutschland umgesetzten vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung für anhaltenden Preisdruck.

Abbildung 1.13

Gesamtinflation und Beiträge der Komponenten

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Beiträge der HVPI-Komponenten für 2021 werden anhand der HVPI-Gewichte für 2020 berechnet. Die Auswirkungen der Gewichtungsänderungen werden von der EZB geschätzt. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2021.

Preise entwickelten sich auch im Lauf des Jahres 2021 dynamisch

In den Jahresänderungsraten schlägt sich auch das niedrige Ausgangsniveau 2020 nieder, wie die Betrachtung der Dynamik des HVPI insgesamt und des HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel über das Jahr 2021 zeigt. Der Anstieg des Preisniveaus im Jahresverlauf 2021 fiel daher stärker aus als in den Jahren vor der Pandemie, als die realisierten Inflationsraten unterhalb des Inflationsziels der EZB lagen (siehe Abbildung 1.14).

Abbildung 1.14

HVPI-Gesamtinflation und HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel

(saison- und arbeitstäglich bereinigte Indizes, Q4 2019 = 100)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2021.

Messbedingte Verzerrung der Angaben zur Inflationsrate 2021

Die Messung der Inflationsdynamik und ihrer Bestimmungsfaktoren war im Jahr 2021 besonders schwierig, nicht nur wegen der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, sondern auch wegen bestimmter pandemiebedingter technischer Faktoren, die sich auf die Inflationsmessung auswirkten. Zunächst ist hier die regelmäßige jährliche Anpassung der Konsumgewichte des HVPI zu nennen.[6] In der Regel sind diese Anpassungen gering, 2020 aber änderte sich das Konsumverhalten aufgrund der Pandemie und der verschiedenen Beschränkungen merkbar. So wurde z. B. der Position Dienstleistungen im Reiseverkehr im HVPI-Warenkorb 2021 aufgrund des schwachen Tourismus 2020 ein geringeres Gewicht zugeordnet. Insgesamt bewirkten Änderungen der Gewichte in einzelnen Monaten des Jahres 2021 erhebliche Bewegungen der jährlichen Inflationsraten, und zwar öfter nach oben als nach unten. Für das Gesamtjahr 2021 summierten sich die geschätzten Auswirkungen auf einen negativen Effekt von 0,2 Prozentpunkten (siehe Abbildung 1.13). Zweitens konnten aufgrund von Covid-19-Beschränkungen 2020 und 2021 die Preise für eine Reihe von HVPI-Positionen (z. B. Gastronomie und Reisen) mehrere Monate lang nicht auf die übliche Art und Weise erhoben werden; stattdessen wurden die Preise imputiert, d. h. mithilfe alternativer Methoden ermittelt.[7] Drittens fand 2020 und 2021 der saisonale Schlussverkauf jeweils in anderen Monaten als sonst üblich statt, wodurch sich über die Komponente Bekleidung und Schuhe eine erhebliche Volatilität bei der Jahresänderungsrate der Preise für Industrieerzeugnisse ohne Energie ergab.

Anstieg der zugrunde liegenden Inflation fällt bei Herausrechnung der pandemiebedingten Volatilität moderater aus

Angesichts dieser technischen Faktoren ist auch bei der Interpretation der Entwicklung der HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel Vorsicht geboten. Verschiedene Indikatoren der zugrunde liegenden Inflation, einschließlich auf Ausschluss basierender Messgrößen sowie statistischer und ökonometrisch geschätzter Messgrößen, zogen im Jahresverlauf ebenfalls an (siehe Abbildung 1.15).[8] Zum Jahresende lagen die Inflationsraten auf Basis dieser Messgrößen zwischen 2,4 % und 3,9 %. Abgesehen davon war die Preisentwicklung im Jahr 2020 generell verhalten, wodurch sich für die Änderungsraten im Jahr 2021 aufwärtsgerichtete Basiseffekte ergeben. Angesichts dessen kann man alternativ zur Betrachtung der Inflation 2021 die Änderungsrate der Preise im selben Monat vor zwei Jahren heranziehen und diese durch zwei dividieren, um die Durchschnittsveränderung pro Jahr zu ermitteln. Bei dieser Betrachtung werden Verzerrungen aufgrund der sehr niedrigen Inflation zu Beginn der Pandemie effektiv minimiert. Nach dieser Berechnung belief sich die HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel im Oktober 2021 auf 1,4 %, und dieser Wert war nur etwa halb so hoch wie die veröffentlichte Jahreswachstumsrate von 2,6 % (siehe Abbildung 1.15.) Doch auch in dieser Datenreihe kletterte die Rate in den letzten Monaten des Jahres 2021 auf ein Niveau, das zuletzt 2013, d. h. zu Beginn der Niedriginflationsdekade vor Covid-19, verzeichnet worden war.

Abbildung 1.15

Indikatoren der zugrunde liegenden Inflation

(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Bandbreite umfasst auf permanentem und temporärem Ausschluss basierende Messgrößen, statistische Messgrößen und ökonometrische Messgrößen (Supercore-Indikator und persistente und gemeinsame Komponente der Inflation (PCCI), siehe Fußnote 8 zur Beschreibung von Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation). Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2021.

Starker Anstieg der Erzeugerpreise, Arbeitskosten weiterhin moderat

Die Entwicklung der Verbraucherpreisinflation wurde im Jahr 2021 maßgeblich vom Kostendruck entlang der Lieferkette geprägt. Dieser nahm auf allen Stufen deutlich zu, vor allem aber am Anfang und bei den Vorleistungsgütern. Zurückzuführen war dies auf den Effekt von Lieferengpässen und – insbesondere in der zweiten Jahreshälfte – bis zu einem gewissen Grad auch auf den Anstieg der Energiepreise. Die Preise für importierte Güter zogen zum Teil aufgrund der Abwertung des Euro etwas stärker als 2020 an. Bei den Erzeugerpreisen für Konsumgüter ohne Nahrungsmittel – ein wichtiger Indikator für die Preisdynamik bei den Industrieerzeugnissen ohne Energie – war der Kostendruck zwar moderater als in den vorgelagerten Stufen der Preissetzungskette, aber immer noch auf einem historisch hohen Niveau. Eine weit gefasste Messgröße des binnenwirtschaftlichen Kostendrucks ist der Anstieg des BIP-Deflators, der 2021 durchschnittlich 2,0 % betrug und damit über dem Vorjahresdurchschnitt lag. Starke Basiseffekte und die Auswirkungen der staatlichen Stützungsmaßnahmen führten zu einer gewissen Volatilität in den Kostenkomponenten der Lohnstückkosten und der Gewinne je produzierter Einheit. Da die Inanspruchnahme von Programmen zur Arbeitsplatzsicherung zurückging und ein Großteil der Arbeitnehmer aus der Kurzarbeit in die Normalbeschäftigung wechselte, beschleunigte sich das Wachstum des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer im Jahr 2021 auf durchschnittlich 4,0 % (nach ‑0,6 % im Jahr 2020). Dieser starke Anstieg schlug sich nicht in den Lohnstückkosten nieder, da gleichzeitig die Produktivität je Beschäftigten aufgrund der zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden zunahm. Die Auswirkungen von staatlichen Unterstützungsleistungen erschwerten somit weiterhin die Interpretation von Lohnindikatoren wie dem Arbeitnehmerentgelt und dem Arbeitnehmerentgelt je geleisteter Arbeitsstunde (siehe Abbildung 1.16). Davon weniger betroffen war das Wachstum der Tariflöhne, das moderat blieb; 2021 fiel es auf durchschnittlich 1,5 % (nach 1,8 % im Jahr davor).[9] Allerdings könnte dies auch auf pandemiebedingte Verzögerungen bei den Tarifverhandlungen zurückzuführen sein.

Abbildung 1.16

Messgrößen der Arbeitskosten

(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)

Quellen: Eurostat, EZB und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das vierte Quartal 2021 (Tarifverdienste) bzw. das dritte Quartal 2021 (Rest).

Messgrößen der längerfristigen Inflationserwartungen näherten sich dem EZB-Inflationsziel

Die längerfristigen Inflationserwartungen von Expertinnen und Experten, die Ende 2020 bei 1,7 % gelegen hatten, stiegen im Jahresverlauf 2021 auf 1,9 % (siehe Abbildung 1.17). Zu dieser Anpassung der Inflationserwartungen dürfte auch die Kommunikation der neuen geldpolitischen Strategie beigetragen haben. Dies zeigt eine Sonderumfrage unter den Teilnehmern des Survey of Professional Forecasters (SPF) der EZB.[10] Marktbasierte Maße des längerfristigen Inflationsausgleichs – vor allem der fünfjährige inflationsindexierte Termin-Swapsatz in fünf Jahren – entwickelten sich ähnlich und legten im Jahresverlauf allmählich zu. Zum Jahresende lag diese Messgröße knapp unter 2 %, im Oktober kurzfristig darüber. Die in dem von Anlegern geforderten Inflationsausgleich enthaltenen Schätzungen von Inflationsrisikoprämien scheinen 2021 erstmals seit mehreren Jahren über alle Laufzeiten hinweg wieder positiv zu sein. Die Bereinigung des Inflationsausgleichs um diese Inflationsrisikoprämien zeigt, dass der Anstieg der tatsächlichen längerfristigen Inflationserwartungen, die sich aus marktbasierten Messgrößen des Inflationsausgleichs ablesen lassen, verhaltener ausfiel.[11]

Abbildung 1.17

Umfragebasierte Indikatoren der Inflationserwartungen und marktbasierte Indikatoren des Inflationsausgleichs

(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)

Quellen: Eurostat, Refinitiv, Consensus Economics, EZB (SPF) und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Entwicklung der marktbasierten Indikatoren des Inflationsausgleichs basiert auf dem einjährigen Kassasatz inflationsindexierter Swaps (ILS) und den einjährigen inflationsindexierten Termin-Swapsätzen in einem, zwei, drei und vier Jahren. Die letzten ILS-Sätze beziehen sich auf den 30. Dezember 2021. Die SPF-Umfrage für das vierte Quartal 2021 wurde vom 1. bis zum 11. Oktober 2021 durchgeführt. Der Stichtag von Consensus Economics für die Prognosen für 2021 und 2022 ist der 8. Dezember 2021 und für die längerfristigen Prognosen der 14. Oktober 2021.

Wohnungseigentum wurde teurer, Mieten zogen nur moderat an

Im Zuge der Überprüfung der geldpolitischen Strategie zeigte sich die Notwendigkeit, die Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum in den HVPI einzubeziehen. Bei der Entwicklung entsprechender Indikatoren wurden im Berichtsjahr bereits bedeutende Fortschritte erzielt, allerdings bleibt noch viel zu tun: So muss etwa bei den in die Schätzungen einfließenden Immobilienkäufen die Konsumkomponente besser von der Investitionskomponente isoliert werden.[12] Das Europäische Statistiksystem könnte bereits 2023 einen experimentellen Index, der den HVPI-Warenkorb mit den Ausgaben für selbstgenutztes Wohneigentum kombiniert, bereitstellen; ein offizieller Index könnte ca. 2026 folgen. Bis dato sind für die Preise für selbstgenutztes Wohneigentum nur experimentelle Schätzungen verfügbar; gemäß dieser dürften diese Preise in den ersten drei Quartalen 2021 im Durchschnitt um 4,8 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen sein (2020: 2,6 %). Die Preise für selbstgenutztes Wohneigentum zogen also erheblich stärker an als die Mieten, die bereits Bestandteil des HVPI sind. Letztere stiegen 2021 um 1,2 %, nach 1,3 % im Jahr 2020. Die stärkere Erhöhung der Wohnkosten für Eigentümer spiegelt zum Teil die Art der Schätzung wider: Der Index enthält eine Komponente, die sich auf den Erwerb von neuen Wohnbauten bezieht und einen engen Gleichlauf mit den Wohnimmobilienpreisen aufweist. Gemäß dem von der EZB erstellten Indikator zogen die Preise für Wohnimmobilien in den ersten drei Quartalen 2021 im Jahresvergleich um durchschnittlich 7,5 % an (nach 5,4 % im Jahr 2020). Die dynamische Entwicklung am Wohnimmobilienmarkt spiegelte sich auch in der Entwicklung einiger kleinerer HVPI-Positionen wider. Hintergrund dieser Entwicklung ist unter anderem, dass die Menschen bis zu der deutlichen Lockerung der pandemiebedingten Einschränkungen im Spätfrühling 2021 mehr Zeit zu Hause verbrachten. Damit ging eine Zunahme der Wohnraumrenovierungen einher, die zu Preiserhöhungen bei Waren und Dienstleistungen in diesem Bereich, etwa Erhaltungs- und Reparatur- oder auch Bodenverlegungsarbeiten, führte.

Kasten 1
Welche Faktoren verbergen sich hinter dem steilen Anstieg der HVPI-Inflationsrate?

Die jährliche HVPI-Gesamtinflationsrate für das Eurogebiet lag im Dezember 2021 bei 5,0 %, verglichen mit ‑0,3 % im Dezember 2020, 0,3 % im Gesamtjahr 2020 und durchschnittlich 0,9 % in den fünf Jahren vor der Pandemie. Zurückzuführen war dieser Anstieg vor allem auf das kräftige Anziehen der Preise für Energie, aber auch auf eine Verfestigung der HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel, da im Zuge der wirtschaftlichen Erholung vom Pandemieschock weltweit und im Euroraum in manchen Sektoren die Nachfrage das eingeschränkte Angebot überstieg. Außerdem dürften manche Unternehmen ihre Preise angehoben haben, um während der verschärften pandemiebedingten Einschränkungen erlittene Einnahmenausfälle wettzumachen.

Ein wesentlicher Faktor bei der Beurteilung des Inflationsschubs im Jahresverlauf 2021 ist das niedrige Preisniveau im Jahr 2020, das die Grundlage für die Berechnung der Jahreswachstumsraten der Preise für 2021 bildet. Mit dem Beginn der Pandemie brachen beispielsweise die Ölpreise – und anschließend die Verbraucherpreise für Energie – ein. Etwa die Hälfte der Energiepreisinflation im letzten Quartal 2021 ist auf das niedrige Niveau der entsprechenden Preise 2020 zurückzuführen.[13] Bei den Nahrungsmitteln gab es einen gegenläufigen Verlauf: Nach dem pandemiebedingten Preisschub im Frühjahr 2020 verlief die Preisentwicklung in der ersten Jahreshälfte 2021 relativ moderat. Basiseffekte ergaben sich auch durch Änderungen bei den indirekten Steuern, insbesondere durch die krisenbedingte vorübergehende Mehrwertsteuersenkung in Deutschland von Juli bis Dezember 2020. Das Auslaufen dieser Maßnahme bewirkte nicht nur einen Anstieg der euroraumweiten Inflationsrate im Januar 2021, sondern sorgte auch in der zweiten Jahreshälfte 2021 für Aufwärtsdruck, da für den Vorjahresvergleich Preise mit einem niedrigeren Steuersatz herangezogen wurden.[14] Während die unterjährige Dynamik eine größere Rolle spielte, erklären die Basiseffekte aufgrund des niedrigen Inflationsniveaus 2020 (zusammengenommen) rund 2 Prozentpunkte des Inflationsanstiegs um 5,3 Prozentpunkte zwischen Dezember 2020 und Dezember 2021 (siehe Abbildung A).

Abbildung A

Kumulierte Veränderung der HVPI-Gesamtinflationsrate 2021 gegenüber Dezember 2020

(in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Abbildung zeigt die Differenz zwischen der Inflationsrate in jedem Monat des Jahres 2021 und der Inflationsrate im Dezember 2020. Im August 2021 lag die Inflationsrate beispielsweise rund 3 Prozentpunkte über dem Wert vom Dezember 2020; rund die Hälfte dieser Differenz lässt sich durch einen Basiseffekt erklären, d. h. durch das niedrige Vergleichsniveau im Jahr 2020.

Ein weiterer wesentlicher Grund für den Inflationsschub war die Tatsache, dass sich der Anstieg der Verbraucherpreise für Energie 2021 nicht abflachte, sondern weiter rasch beschleunigte. Zunächst war der stärkere Anstieg mehrheitlich bei Preisen von Kraftstoffen für Verkehrsmittel zu beobachten, da sich mit dem Voranschreiten der wirtschaftlichen Erholung die globale Nachfrage nach Rohöl erhöhte, während das Angebot etwas eingeschränkt blieb. Im Lauf des Sommers gab es auch bei Gas und Strom massive Preiserhöhungen (siehe Abbildung B, Grafik a), die sowohl eine gestiegene Nachfrage als auch Gasengpässe widerspiegelten. Die Nachfrage nach Gas war in Europa wegen des kalten Winters 2020/21 und wenig Wind im Sommer 2021, wodurch es zu einer Substitution von Windenergie durch Gas kam, außergewöhnlich hoch.[15] Darüber hinaus lieferte Norwegen in der ersten Jahreshälfte aufgrund von Wartungsarbeiten an Pipelines weniger Gas, und die Gasimporte aus Russland in die EU fielen im Sommer relativ gering aus. Gleichzeitig stieg infolge der globalen Erholung die Nachfrage nach Gas, vor allem in China. Bei den Verbraucherausgaben für Energie machen Kraftstoffe für Verkehrsmittel den größten Anteil aus (rund 40 %), gefolgt von Gas (rund 30 %) und Strom (rund 20 %); die Entwicklung der Preise für Kraftstoffe ist in der Regel der wichtigste Bestimmungsfaktor der Energiepreisinflation. Aufgrund des Anstiegs der Gas- und Strompreise im Herbst 2021 waren es jedoch diese Komponenten, die einen historisch hohen Beitrag zur Energiepreisinflation im Euroraum leisteten (siehe Abbildung B, Grafik b).

Abbildung B

Entwicklung der Energiepreisinflation

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

a) HVPI-Jahresinflation für Energie und ihre Hauptkomponenten

b) Beitrag der Hauptkomponenten zur Jahresinflationsrate für Energie

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.

Der dritte wesentliche Faktor für den sprunghaften Anstieg der Inflation war der Preisdruck, der sich im Zusammenhang mit der Öffnung der Wirtschaft nach der Phase pandemiebedingter Beschränkungen aufbaute. Sowohl die globale als auch die binnenwirtschaftliche Nachfrage zog kräftig an und übertraf das in einigen Sektoren eingeschränkte Angebot. Infolgedessen kam es weltweit zu Lieferengpässen und um die Jahreswende 2020/21 zu einem starken Anstieg der Transportkosten.[16] Die Erzeugerpreise im Euroraum – nicht nur für Vorleistungsgüter, sondern auch für Konsumgüter – kletterten 2021 stetig nach oben. Zwischen Erzeugerpreisen und Verbraucherpreisen besteht zwar kein unmittelbarer und stabiler Zusammenhang, trotzdem war insbesondere in der zweiten Jahreshälfte ein allmählicher Anstieg der Verbraucherpreise für Gebrauchsgüter festzustellen (siehe Abbildung C).[17] Besonders kräftig zogen die Preise für Neu- und Gebrauchtwagen, Fahrräder und Motorräder sowie für verschiedene elektronische Geräte wie IT-Produkte und Fernsehgeräte an – alles Güter, die von Engpässen in der Produktion, etwa im Zusammenhang mit Halbleitern, oder in globalen Lieferketten bzw. in der globalen Schifffahrt betroffen gewesen sein dürften.

Abbildung C

Aufschlüsselung der HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Beiträge der Komponenten für 2021 werden anhand der HVPI-Gewichte 2020 berechnet. Der Einfluss der Gewichtungsänderungen im HVPI basiert auf Schätzungen der EZB.

Einer der am stärksten von den Pandemiebeschränkungen betroffenen Bereiche waren kontaktintensive Dienstleistungen. Mit der schrittweisen Lockerung der Beschränkungen begannen auch die Preise in diesem Sektor anzuziehen. So war etwa der Anstieg der Jahresänderungsrate der Preise für Dienstleistungen im Reiseverkehr (wie Beherbergung, Luftverkehr und Pauschalreisen) zu Beginn der Feriensaison im Sommer 2021 besonders deutlich (siehe Abbildung C).[18] Wie schon bei den Energiepreisen spiegelten sich in dieser Entwicklung ebenfalls die zum Vergleich herangezogenen niedrigen Preise des Vorjahrs wider. Zudem nahmen nach der Öffnung im Frühjahr 2021 auch die Preise in der Gastronomie allmählich an Fahrt auf. Die höheren Inflationsraten bei den kontaktintensiven Dienstleistungen waren nicht nur das Ergebnis der wiedererstarkten Nachfrage, sondern auch den höheren Kosten und reduzierten Kapazitäten infolge der pandemiebedingten Vorschriften sowie Personalengpässen geschuldet; Unternehmen hatten Probleme, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Ersatz für im Zuge der Lockdowns gekündigtes Personal zu finden.

Zusätzlich zu den oben angeführten Entwicklungen trug eine Reihe anderer spezifischer Faktoren zur Volatilität der Inflation im Jahr 2021 bei, die in Kapitel 1 Abschnitt 4 des Haupttexts behandelt werden. Die Preisentwicklung bei Bekleidung und Schuhen z. B. wurde dadurch beeinflusst, dass der Schlussverkauf in einem anderen Zeitraum stattfand; auch gab es 2021 ungewöhnlich starke Anpassungen bei den Gewichten der Komponenten des HVPI-Warenkorbs, die sich insbesondere auf die HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel auswirkten (siehe Abbildung C).

Insgesamt war der Anstieg der HVPI-Inflation im Jahr 2021 hauptsächlich auf Sonderfaktoren zurückzuführen, die im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie und der wirtschaftlichen Erholung auftraten. Die Natur der Covid-19-Krise ist gänzlich neuartig, und für den Inflationsschub während der wirtschaftlichen Erholung sind sehr spezifische Faktoren verantwortlich. Deshalb ist die Einschätzung der Inflationsentwicklung in der nächsten Zukunft eine große Herausforderung und mit hoher Unsicherheit behaftet.

1.5 Anhaltend entschlossene Geldpolitik sicherte weiterhin günstige Kredit- und Finanzierungsbedingungen

Fortsetzung der Wertpapierankäufe und EZB-Kommunikation reduzierten Aufwärtsdruck auf Langfristrenditen

Fiskal-, geld- und aufsichtspolitische Impulse sorgten gemeinsam mit den Fortschritten beim Kampf gegen die Pandemie dafür, dass sich die Konjunktur 2021 kräftig erholte (siehe Kapitel 1 Abschnitt 2). In der zweiten Jahreshälfte begannen zudem Anleger einen höheren Ausgleich für Inflationsrisiken zu verlangen; es kam zu einer Aufwärtskorrektur der langfristigen Inflationserwartungen und Risikoprämien, was sich in einem Anstieg der Langfristzinsen niederschlug (siehe Abbildung 1.18). Vor diesem Hintergrund bestätigte die EZB erneut ihren akkommodierenden geldpolitischen Kurs und bekräftigte abermals ihre Entschlossenheit, die günstigen Finanzierungsbedingungen im Euroraum aufrechtzuerhalten. Damit konnten die Renditen im Euroraum zumindest teilweise gegen die weltweite Marktentwicklung abgeschirmt werden, im Zuge derer Marktteilnehmer auf die über den Erwartungen liegende Inflation reagierten, indem sie eine vorzeitige Straffung der Geldpolitik in einer Reihe von Industrieländern einpreisten. Darüber hinaus trugen die Kommunikation der EZB hinsichtlich ihres stützenden geldpolitischen Kurses sowie die Fortsetzung der umfangreichen Wertpapierankäufe dazu bei, eine Ausweitung der Renditeabstände von Staatsanleihen zu verhindern, d. h. die Staatsanleiherenditen blieben nahe dem Niveau der entsprechenden risikofreien Zinssätze. Die BIP-gewichtete Durchschnittsrendite zehnjähriger Staatsanleihen im Euroraum stieg folglich 2021 stetig an und lag am 31. Dezember bei 0,27 % und somit 51 Basispunkte über ihrem Stand von Ende 2020 (siehe Abbildung 1.18). Ganz allgemein blieben die Finanzierungsbedingungen im Euroraum günstig.

Abbildung 1.18

Langfristige Renditen im Euroraum und in den Vereinigten Staaten

(in % p. a.; Tageswerte)

Quellen: Bloomberg, Refinitiv und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Bei den Angaben zum Euroraum handelt es sich um die BIP-gewichtete Durchschnittsrendite zehnjähriger Staatsanleihen und den zehnjährigen Zinssatz für Tagesgeld-Swaps (OIS-Satz). Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2021.

Langfristige Ertragsaussichten stützten Aktienkurse

Vor dem Hintergrund des fortgesetzten Bekenntnisses der Politik zu geld- und fiskalpolitischen Stützungsmaßnahmen trug die konjunkturelle Erholung im Jahr 2021 zu stetig steigenden Aktienkursen im Euroraum bei, die von sehr robusten und stabilen langfristigen Gewinnerwartungen getragen waren. Von Mitte September bis Mitte Oktober wurde dieser Trend kurzfristig unterbrochen, da die Märkte mit einer möglichen Verringerung der Anleihekäufe durch die Federal Reserve rechneten, wodurch die Aktienkurse weltweit unter Druck gerieten. Eine Betrachtung nach Sektoren zeigt, dass die Kurse von Bankaktien im Euroraum, die 2020 noch gesunken waren, im Berichtsjahr erheblich kräftiger zulegten als die Notierungen nichtfinanzieller Unternehmen. Der Gesamtindex für letztere lag am 31. Dezember 2021 rund 19 % über dem Ende 2020 beobachteten Wert, während die Kurse von Bankaktien im Euroraum deutlich stärker, nämlich mehr als 30 %, dazugewonnen hatten (siehe Abbildung 1.19).

Abbildung 1.19

Aktienmarktindizes im Euroraum und in den Vereinigten Staaten

(Index: 1. Januar 2020 = 100)

Quellen: Bloomberg, Refinitiv und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Für den Euroraum sind der EURO STOXX Banks und der Refinitiv-Marktindex für nichtfinanzielle Unternehmen dargestellt, für die Vereinigten Staaten der S&P-Index für Banken und der Refinitiv-Marktindex für nichtfinanzielle Unternehmen. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2021.

Geldschöpfung und Kreditwachstum ließen auf anhaltendes, wenn auch moderateres Geldmengenwachstum schließen

Das Wachstum der weit gefassten Geldmenge ließ auf ein anhaltend robustes Geldmengenwachstum im Jahr 2021 schließen. Dieses lag näher bei seinem längerfristigen Durchschnitt als noch 2020, dem ersten Pandemiejahr, als eine massive Ausweitung zu beobachten gewesen war (siehe Abbildung 1.20). Triebfeder der Geldschöpfung war das eng gefasste Geldmengenaggregat M1, dessen Wachstum eine fortgesetzte Akkumulation von täglich fälligen Bankeinlagen durch Unternehmen und private Haushalte widerspiegelte, auch wenn dieses verhaltener als 2020 war. Die Zuflüsse zu den Einlagen der privaten Haushalte kehrten mit der Erholung des Verbrauchervertrauens und der Konsumausgaben wieder auf das vor der Pandemie verzeichnete durchschnittliche Niveau zurück. Die Tatsache, dass das starke Einlagenwachstum im Jahr 2020 nicht durch eine Phase unterdurchschnittlichen Wachstums ausgeglichen wurde, deutet darauf hin, dass die privaten Haushalte höhere Ersparnisse halten wollten, was auch in den Ergebnissen der EZB-Umfrage zu den Verbrauchererwartungen erkennbar war. Auch das Wachstum der Unternehmenseinlagen blieb kräftig, was darauf schließen ließ, dass Firmen ihre Liquiditätspolster weiter ausbauten. Die Wertpapierankäufe des Eurosystems leisteten den größten Beitrag zum Geldmengenwachstum, gefolgt von der Kreditvergabe an den privaten Sektor. Durch die raschen und umfangreichen Maßnahmen der Geld- und Fiskalpolitik sowie der Aufsichtsbehörden im Zuge der Covid-19-Krise konnte sichergestellt werden, dass die Wirtschaft im Eurogebiet weiterhin zu günstigen Konditionen mit Krediten versorgt wurde.

Abbildung 1.20

M3 und Kredite an den privaten Sektor

(Veränderung gegen Vorjahr in %; saison- und kalenderbereinigt)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2021.

Geldpolitische Maßnahmen trugen zur Aufrechterhaltung günstiger Kreditvergabebedingungen der Banken bei

Die Kreditvergabebedingungen der Banken blieben im Berichtsjahr insgesamt günstig. Aus der Umfrage zum Kreditgeschäft im Euro-Währungsgebiet ging hervor, dass nach einer Verschärfung im Jahr 2020 die Kreditrichtlinien der Banken (d. h. interne Richtlinien oder Vergabekriterien) für Ausleihungen an Unternehmen und private Haushalte ab dem zweiten Quartal 2021 weitgehend unverändert blieben. Ausschlaggebend hierfür war, dass die Banken die Risikolage angesichts der wirtschaftlichen Erholung und der anhaltenden geld- und fiskalpolitischen Stützungsmaßnahmen, einschließlich Kreditgarantien, günstiger einschätzten. Den Banken zufolge stützten die Ankaufprogramme der EZB, die dritte Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte und der negative Zinssatz für die Einlagefazilität die Kreditvergabe. Zugleich gaben die Banken an, dass die Ankaufprogramme und der negative Zinssatz für die Einlagefazilität ihre Ertragslage belastet hätten.

Durch die geldpolitischen Stützungsmaßnahmen wurden die Refinanzierungskosten der Banken gering gehalten. Somit konnte auch auf die Kreditzinsen Abwärtsdruck ausgeübt und eine breit angelegte Verschärfung der Finanzierungsbedingungen verhindert werden. Die Zinsen für Bankkredite blieben 2021 weitgehend stabil in der Nähe ihrer historischen Tiefstände. Während bei den Wohnungsbaukrediten ein kräftiges Wachstum zu beobachten war, entwickelten sich die Konsumkredite nach wie vor schwach, da die Verbraucher ihre in der Pandemie aufgebauten Ersparnisse ausgeben konnten. Für die Unternehmen verringerte sich der Finanzierungsbedarf dank der umfangreichen Barreserven und der von der jüngsten Erholung gestützten Steigerung der einbehaltenen Gewinne sowie durch die Verfügbarkeit anderer Finanzierungsquellen, insbesondere von konzerninternen Darlehen und Handelskrediten. Folglich ging die Aufnahme von Bankkrediten und die Nettoemission von Schuldverschreibungen durch nichtfinanzielle Unternehmen nach einem kräftigen Anstieg 2020 im Berichtsjahr zurück, obwohl die realen Kosten für Fremdfinanzierungen im vierten Quartal 2021 einen neuen historischen Tiefstand erreichten. Die Jahreswachstumsrate der Bankkredite an Unternehmen fiel von 7,1 % im ersten Jahr der Pandemie auf 4,3 % im Jahr 2021; gleichzeitig sank laut der Umfrage über den Zugang von Unternehmen zu Finanzmitteln der Anteil der Unternehmen, die Einschränkungen bei der Kreditaufnahme meldeten, auf das vor der Pandemie verzeichnete Niveau. Nichtfinanzielle Unternehmen konnten zu Finanzierungszwecken außerdem auf Aktien und andere Anteilsrechte zurückgreifen. Insgesamt stiegen die Außenfinanzierungsströme der nichtfinanziellen Unternehmen im Jahr 2021 weiter an (Abbildung 1.21).

Abbildung 1.21

Außenfinanzierung nichtfinanzieller Unternehmen im Euroraum (netto)

(jährlicher Mittelzufluss; in Mrd €)

Quellen: Eurostat und EZB.
Anmerkung: MFI: Monetäres Finanzinstitut. Nicht-MFIs in der Komponente „Buchkredite von Nicht-MFIs und der übrigen Welt“ umfassen sonstige Finanzintermediäre, Pensionskassen und Versicherungsgesellschaften. „MFI-Buchkredite“ und „Buchkredite von Nicht-MFIs und der übrigen Welt“ sind um Kreditverkäufe und ‑verbriefungen bereinigt. Bei „Sonstige“ handelt es sich um die Differenz zwischen dem Posten „Insgesamt“ und den in der Abbildung dargestellten Instrumenten. Darin enthalten sind v. a. konzerninterne Kredite und Handelskredite. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das dritte Quartal 2021. Der jährliche Mittelzufluss für 2021 wird als Vierquartalssumme der Stromgrößen vom vierten Quartal 2020 bis zum dritten Quartal 2021 berechnet.

2 Geldpolitik: fortgeführte Unterstützung und neue Strategie

Die von der EZB im Jahr 2021 ergriffenen umfangreichen geldpolitischen Maßnahmen und deren mehrfache Rekalibrierung sorgten für ausreichend Liquidität im Bankensystem und hielten die Kreditvergabe an die Wirtschaft aufrecht. Dadurch konnte eine prozyklische Verschärfung der Finanzierungsbedingungen verhindert und die Gefahr einer Liquiditäts- und Kreditverknappung verringert werden. Die geldpolitische Reaktion hatte einen wesentlichen stabilisierenden Effekt auf die Märkte und stützte die Wirtschaft und die Inflationsaussichten. Die Bilanzsumme des Eurosystems erreichte Ende 2021 einen historischen Höchststand von 8,6 Billionen €; gegenüber dem Vorjahresende ergab sich somit ein Anstieg um 1,6 Billionen €. 80 % der Bilanzsumme des Eurosystems waren Ende 2021 auf geldpolitische Operationen zurückzuführen. Den mit der großen Bilanzsumme zusammenhängenden Risiken begegnete die EZB wie bisher mit risikosteuernden Maßnahmen.

2.1 Geldpolitische Reaktion der EZB trug weiterhin wesentlich zur Stützung der Konjunktur und Inflationsaussichten bei

Aufrechterhaltung günstiger Finanzierungsbedingungen

Wirtschaftstätigkeit war zu Jahresbeginn weiter durch Pandemie beeinträchtigt, Inflation blieb auf sehr niedrigem Niveau

Die wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum war Anfang 2021 weiterhin stark von der anhaltenden Covid-19-Pandemie geprägt. Wenngleich der Start der Impfkampagnen einen Meilenstein im Kampf gegen das Coronavirus darstellte, mussten die Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des erneuten Anstiegs der Infektionszahlen und des Auftretens von Virusvarianten in vielen Euro-Ländern verlängert oder verschärft werden. Dies belastete die Wirtschaftstätigkeit und dämpfte die kurzfristigen Aussichten. Die Inflation blieb angesichts der schwachen Nachfrage und der deutlichen Unterauslastung an den Arbeits- und Gütermärkten sehr niedrig. Insgesamt bestätigten die aktuellen Daten zu Jahresbeginn das bisherige Basisszenario des EZB-Rats, wonach die Pandemie auf kurze Sicht deutliche Auswirkungen auf die Wirtschaft hat und die Inflation längerfristig niedrig bleiben wird. Die Finanzierungsbedingungen im Euroraum wirkten insgesamt unterstützend. Ungeachtet eines leichten Anstiegs der risikofreien Zinssätze nach der EZB-Ratssitzung vom Dezember 2020 erwiesen sich die Renditeabstände von Staats- und Unternehmensanleihen als stabil, die Bedingungen an den Anleihemärkten – auch für Unternehmensanleihen – blieben günstig, und die Zinsen für Bankkredite an Unternehmen und private Haushalte befanden sich auf einem Niveau nahe ihrer historischen Tiefstände.

Der EZB-Rat bestätigte im Januar 2021 den geldpolitischen Kurs vom Dezember 2020

Vor diesem Hintergrund blieb eine umfangreiche geldpolitische Unterstützung weiterhin unerlässlich. Der EZB-Rat beschloss im Januar 2021, den akkommodierenden geldpolitischen Kurs vom Dezember 2020 zu bestätigen, um die günstigen Finanzierungsbedingungen während der Pandemie aufrechtzuerhalten.[19] Dies sollte die Unsicherheit verringern und das Vertrauen stärken; durch das Ankurbeln von Konsumausgaben und Unternehmensinvestitionen sollte die Konjunktur unterstützt und infolgedessen mittelfristige Preisstabilität gewährleistet werden. Insbesondere die Nettoankäufe im Rahmen des 1 850 Mrd € umfassenden Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP), das bis mindestens Ende März 2022 verlängert worden war, trugen zur Aufrechterhaltung günstiger Finanzierungsbedingungen für alle Wirtschaftssektoren bei, während die dritte Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) weiterhin als attraktive Finanzierungsquelle für Banken diente und die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen und private Haushalte stützte. Ferner hatten die fortgesetzte Wiederanlage der Tilgungsbeträge der im Rahmen des PEPP erworbenen Wertpapiere und der fortgesetzte monatliche Nettoerwerb von Vermögenswerten im Umfang von 20 Mrd € im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) ebenfalls einen positiven Effekt auf die Finanzierungsbedingungen, signalisierten diese Schritte doch die Marktpräsenz des Eurosystems für die Dauer der Pandemie und darüber hinaus.

Verlängerung und Verschärfung der Eindämmungsmaßnahmen belasteten im ersten Quartal die Konjunktur, Gesamtinflation stieg jedoch kräftig an

Während in den ersten Monaten des Jahres die Ausbreitung von Virusvarianten und die damit verbundene Verlängerung und Verschärfung der Eindämmungsmaßnahmen zunehmend die Konjunktur belasteten, begann die Gesamtinflation – ausgehend von negativen Werten – aufgrund länderspezifischer und technischer Faktoren (einschließlich Basiseffekten) sowie infolge eines deutlichen Anstiegs der Energiepreise drastisch zu steigen. In Anbetracht der schwachen Nachfrage und der deutlichen Unterauslastung an den Arbeits- und Gütermärkten blieb der zugrunde liegende Preisdruck allerdings gedämpft. Die längerfristigen risikofreien Zinssätze und die Staatsanleiherenditen setzten ihren seit der geldpolitischen Sitzung des EZB-Rats vom Dezember 2020 andauernden Anstieg fort. Diese Marktzinsen sind die wichtigsten Referenzzinssätze für die Bepreisung anderer Kapitalmarktinstrumente (z. B. Unternehmensanleihen und Bankanleihen) sowie für die Preisgestaltung von Bankkrediten an Unternehmen und private Haushalte. Folglich werden die von diesen Zinssätzen ausgehenden Schocks tendenziell in den späteren Stufen der geldpolitischen Transmission in den allgemeinen Finanzierungsbedingungen sichtbar. Ein starker und anhaltender Anstieg der Marktzinsen könnte daher zu einer vorzeitigen Verschärfung der Finanzierungsbedingungen für alle Wirtschaftssektoren führen. Eine solche Entwicklung hätte die Ziele, zu denen sich der EZB-Rat im Dezember 2020 und Januar 2021 bekannt hatte, in Frage gestellt, nämlich die Aufrechterhaltung der günstigen Finanzierungsbedingungen für die Dauer der Pandemie und die Vermeidung jedweder Verschärfung der Finanzierungsbedingungen, die nicht mit der Bekämpfung des pandemiebedingten Abwärtsdrucks auf die projizierte Inflationsentwicklung im Einklang steht. Eine Verschärfung der Finanzierungsbedingungen hätte die Unsicherheit erhöht und das Vertrauen beeinträchtigt, was eine weitere Dämpfung der Wirtschaftstätigkeit und eine Gefährdung der Preisstabilität auf mittlere Sicht nach sich gezogen hätte.

Nach Anstieg der Marktzinsen erhöhte der EZB-Rat im März den Umfang der Nettoankäufe von Vermögenswerten im Rahmen des PEPP

Vor dem Hintergrund verschärfter Finanzierungsbedingungen und der ausgebliebenen Verbesserung der Inflationsaussichten beschloss der EZB-Rat im März, die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP im Folgequartal in deutlich größerem Umfang als in den ersten Monaten des Jahres durchzuführen. Gleichzeitig wurden die restlichen im Dezember beschlossenen geldpolitischen Maßnahmen bestätigt.[20] Im April wurden der Umfang der Nettoankäufe und die anderen Maßnahmen unverändert belassen, da neu verfügbare Daten die gemeinsame Beurteilung der Finanzierungsbedingungen und der Inflationsaussichten vom März bestätigten.

Wiederhochfahren der Wirtschaft und eine neue geldpolitische Strategie

Eurosystem rechnete in Juni-Projektionen mit einem Inflationsanstieg 2021 und einem Rückgang 2022

Dank der günstigen Entwicklung der Covid-19-Infektionszahlen und Fortschritten bei den Impfkampagnen konnte gegen Jahresmitte die Wirtschaft im Euroraum wieder hochgefahren werden. Der Druck auf die Gesundheitssysteme ließ trotz des Aufkommens neuer Virusvarianten nach. In ihren gesamtwirtschaftlichen Projektionen für das Euro-Währungsgebiet vom Juni 2021 gingen die Expertinnen und Experten des Eurosystems davon aus, dass die Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2021 weiter anziehen und im Jahr 2022, wenn die temporären Faktoren wie erwartet abklingen, wieder sinken wird. Man konstatierte ein allmähliches Zunehmen des zugrunde liegenden Inflationsdrucks über den Projektionszeitraum, und die Projektionen für den Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) ohne Energie und Nahrungsmittel wurden nach oben korrigiert. Für die Gesamtinflation wurde jedoch nach wie vor erwartet, dass sie über den gesamten Projektionszeitraum hinweg unter dem Ziel des EZB-Rats bleiben würde, und auch die zugrunde liegende Inflation wurde weiterhin unter 2 % gesehen. Während sich die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und private Haushalte als weiterhin stabil erwiesen, stiegen die Marktzinsen vor der EZB-Ratssitzung vom 10. Juni neuerlich an. Auch wenn dies zum Teil auf die verbesserten Konjunkturaussichten zurückzuführen war, kam der EZB-Rat zu der Einschätzung, dass es für jegliche Verschärfung der allgemeinen Finanzierungsbedingungen noch zu früh war und eine solche ein Risiko für die laufende Erholung und die Inflationsaussichten darstellte.

Im Juni beschloss der EZB-Rat, die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP in deutlich höherem Umfang als in den ersten Monaten des Jahres fortzusetzen und bestätigte auch alle anderen geldpolitischen Maßnahmen, da die Inflationsaussichten über die kurze Frist hinaus weiterhin hinter der vor der Pandemie projizierten mittelfristigen Entwicklung zurückblieben und das Risiko verschärfter Finanzierungsbedingungen bestand.

Die EZB beendete im Juli 2021 die Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie und beschloss ein symmetrisches Inflationsziel von 2 %

Am 8. Juli schloss der EZB-Rat seine Überprüfung der geldpolitischen Strategie ab (siehe Kapitel 2 Abschnitt 4). Gemäß der neuen Strategie fanden folgende zwei wesentliche Faktoren ihren Niederschlag in der Formulierung des geldpolitischen Kurses des EZB-Rats: erstens die Einführung eines neuen symmetrischen Inflationsziels von 2 % auf mittlere Sicht und zweitens die bedingte Verpflichtung, die Implikationen der effektiven Zinsuntergrenze bei der Durchführung der Geldpolitik in einem Umfeld strukturell niedriger Nominalzinsen zu berücksichtigen. So sind besonders kraftvolle oder lang anhaltende geldpolitische Maßnahmen nötig, wenn die Zinsen in einer Volkswirtschaft in der Nähe ihrer effektiven Untergrenze liegen. Mit diesem neuen Ziel vor Augen nahm der EZB-Rat auf seiner geldpolitischen Sitzung im Juli im Einklang mit der geldpolitischen Strategie eine Änderung der Forward Guidance zu den EZB-Leitzinsen vor und koppelte den geldpolitischen Kurs an drei spezifische Bedingungen für die Inflationsaussichten. Demnach erwartete der EZB-Rat, dass die Leitzinsen so lange auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden, bis er feststellt, dass die Inflationsrate deutlich vor dem Ende des Projektionszeitraums 2 % erreicht und dieses Niveau im weiteren Verlauf des Projektionszeitraums dauerhaft hält, und bis er der Auffassung ist, dass die Entwicklung der zugrunde liegenden Inflation hinreichend fortgeschritten ist, um mit einer sich mittelfristig bei 2 % stabilisierenden Inflation vereinbar zu sein. Laut EZB-Rat geht dies unter Umständen damit einher, dass die Inflation vorübergehend moderat über dem Zielwert liegt.

Der EZB-Rat bestätigte im Juli seine Einschätzung vom März, die mit der Wahrung günstiger Finanzierungsbedingungen vereinbar war

Im Vorfeld der Ratssitzung im Juli waren die Marktzinsen gesunken, und die Finanzierungsbedingungen für die meisten Unternehmen und privaten Haushalte waren nach wie vor günstig. Zugleich hatte die Inflation zwar weiter angezogen, doch ging man hier im Wesentlichen von einem vorübergehenden Anstieg aus; die mittelfristigen Inflationsaussichten blieben gedämpft. Die wirtschaftliche Erholung im Euroraum verlief wie erwartet, auch wenn die Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus zunehmend für Unsicherheit sorgte. Die Aufrechterhaltung günstiger Finanzierungsbedingungen galt als entscheidende Voraussetzung dafür sicherzustellen, dass die wirtschaftliche Erholung in einem nachhaltigen Wachstum mündet und die negativen Auswirkungen der Pandemie auf die Inflation ausgeglichen werden. Der EZB-Rat ging daher weiterhin davon aus, dass die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP in deutlich größerem Umfang als in den ersten Monaten des Jahres stattfinden werden. Auch die anderen geldpolitischen Maßnahmen wurden bestätigt.

Unterstützung für den Übergang zu einer soliden Konjunkturerholung und anschließende Rückkehr der Inflation zum Zielwert von 2 %

EZB-Projektionen vom September enthielten erneute Aufwärtskorrekturen des weiteren Inflationsverlaufs

Im September war die Aufschwungphase der wirtschaftlichen Erholung im Euroraum zunehmend fortgeschritten; für Jahresende wurde bereits eine Wirtschaftsleistung über dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau erwartet. In den neuen von der EZB erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen für das Euro-Währungsgebiet wurden die projizierten Inflationsraten für 2021 nach oben korrigiert. Ausschlaggebend hierfür waren der hohe Kostendruck infolge des temporären Material- und Ausrüstungsmangels, der nach wie vor über den Erwartungen liegende Beitrag der Energiepreise sowie die Auswirkungen der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung in Deutschland von Juli bis Dezember 2020. Für 2023 wurde jedoch weiterhin eine Inflation von deutlich unter 2 % vorhergesagt, obwohl aufgrund der besseren Wachstumsaussichten und eines rascheren Abbaus der gesamtwirtschaftlichen Unterauslastung eine leichte Aufwärtskorrektur vorgenommen wurde. Die marktbasierten Messgrößen der Inflationserwartungen stiegen weiter an und lagen deutlich über den im Lauf der Pandemie verzeichneten Tiefständen, aber nach wie vor unter dem von der EZB angestrebten mittelfristigen Zielwert für die HVPI-Inflationsrate von 2 %. Die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, private Haushalte und den öffentlichen Sektor blieben günstig, während die Zinsen für Bankkredite historisch niedrig waren.

Angesichts günstiger Finanzierungsbedingungen und besserer mittelfristiger Inflationsaussichten beschloss der EZB-Rat eine moderate Reduktion der PEPP-Nettoankäufe ab September

Auf Grundlage der leichten Verbesserung der Inflationsaussichten und in Anbetracht der vorherrschenden Finanzierungsbedingungen gelangte der EZB-Rat im September zu der Einschätzung, dass die günstigen Finanzierungsbedingungen auch bei einem gegenüber den vorangegangenen beiden Quartalen moderat reduzierten Umfang der PEPP-Nettoankäufe aufrechterhalten werden können. Alle anderen geldpolitischen Maßnahmen wurden vom EZB-Rat bestätigt.

Der EZB-Rat bekräftigte im Oktober seinen Kurs vom September

Die Oktober-Sitzung des EZB-Rats fand vor dem Hintergrund einer anhaltend kräftigen wirtschaftlichen Erholung im Euroraum statt. Allerdings hatte sich die Wachstumsdynamik etwas abgeschwächt, vor allem auch weil der Mangel an Material, Ausrüstung und Arbeitskräften die Produktion in einigen Sektoren beeinträchtigte. Die Inflation zog weiter an, was in erster Linie auf die kräftig steigenden Energiepreise aber auch auf die Tatsache, dass sich die Nachfrage rascher erholte als das eingeschränkte Angebot, zurückzuführen war. Die Erwartungen gingen dahin, dass sich die Inflation auf kurze Sicht weiter erhöht, im Lauf des nächsten Jahres jedoch wieder zurückgeht. Die Marktzinsen waren seit September wieder im Steigen begriffen. Die Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft blieben dennoch günstig, vor allem weil die Zinsen für Bankkredite an Unternehmen und private Haushalte nach wie vor auf historisch niedrigem Niveau lagen. Angesichts dieser Entwicklungen bekräftigte der EZB-Rat seinen Kurs vom September und beließ das Volumen der Nettoankäufe im Rahmen des PEPP und alle anderen Maßnahmen unverändert.

Eurosystem-Projektionen vom Dezember: Aufwärtskorrektur der Inflation, Wachstum lässt auf kurze Sicht nach, zieht 2022 aber an, während Inflation zurückgeht

Zum Jahresende dämpften erneute pandemiebedingte Einschränkungen und Unsicherheiten die Konjunktur. Diese standen insbesondere mit dem Aufkommen der Omikron-Variante des Coronavirus, anhaltenden Material-, Ausrüstungs- und Arbeitskräfteengpässen sowie deutlich höheren Energiepreisen in Zusammenhang. Die Expertinnen und Experten des Eurosystems gingen in ihren Projektionen vom Dezember davon aus, dass sich die Wachstumsverlangsamung im Schlussquartal in den ersten Monaten 2022 fortsetzen würde, und korrigierten daher die Wachstumsaussichten für 2022 nach unten. Dessen ungeachtet wurde eine kräftige Wachstumsbeschleunigung im Lauf des Jahres 2022 erwartet. Die Inflation war im November erneut stärker als projiziert angestiegen. Dennoch wurde von einem Rückgang im Jahresverlauf 2022 ausgegangen. Die markt- und umfragebasierten Messgrößen der längerfristigen Inflationserwartungen hatten sich dem Wert von 2 % etwas angenähert. Den Erwartungen zufolge sollte dies zusammen mit der allmählichen Rückkehr der Wirtschaft zu einer vollen Kapazitätsauslastung und weiteren das Lohnwachstum verstärkenden Verbesserungen am Arbeitsmarkt dazu beitragen, dass die zugrunde liegende Inflation ansteigt und die Gesamtinflation auf mittlere Sicht ein mit dem Ziel des EZB-Rats im Einklang stehendes Niveau erreicht. Die Dezember-Projektionen für die Gesamtinflation und die zugrunde liegende Inflation wurden daher gegenüber September nach oben korrigiert, blieben jedoch mit 1,8 % für 2024 unter dem Zielwert für die HVPI-Inflation. Die Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft blieben im Dezember günstig: Die Marktzinsen waren seit der Sitzung des EZB-Rats vom Oktober weitgehend stabil, und die Zinsen für Bankkredite an Unternehmen und private Haushalte befanden sich noch immer auf einem historisch niedrigen Niveau.

Ankündigungen des EZB-Rats im Dezember: schrittweises Zurückfahren der PEPP-Ankäufe ab dem ersten Quartal 2022, Einstellung der PEPP-Nettoankäufe Ende März, flexible Wiederanlage bis mindestens Ende 2024

Bei seiner Dezember-Sitzung gelangte der EZB-Rat zu der Einschätzung, dass im Hinblick auf die voranschreitende wirtschaftliche Erholung und das mittelfristige Inflationsziel eine schrittweise Verringerung der Ankäufe von Vermögenswerten in den folgenden Quartalen möglich ist. Zugleich war laut EZB-Rat weiterhin ein akkommodierender geldpolitischer Kurs notwendig, damit sich die Inflation auf mittlere Sicht bei 2 % stabilisiert. Das von Unsicherheit geprägte Umfeld machte die Notwendigkeit von Flexibilität bei der Durchführung der Geldpolitik deutlich; zudem müssten der Geldpolitik weiterhin verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund fasste der EZB-Rat die folgenden Beschlüsse:

Erstens brachte der EZB-Rat seine Erwartung zum Ausdruck, das Volumen der Nettoankäufe von Vermögenswerten im Rahmen des PEPP im ersten Quartal 2022 zu verringern und die Nettoankäufe Ende März einzustellen.

Zweitens wurde der Wiederanlagezeitraum für das PEPP verlängert. Der EZB-Rat brachte seine Absicht zum Ausdruck, die Tilgungsbeträge der im Rahmen des PEPP erworbenen Wertpapiere bis mindestens Ende 2024 bei Fälligkeit wieder anzulegen. Das zukünftige Auslaufen des PEPP-Portfolios werde in jedem Fall so gesteuert, dass eine Beeinträchtigung des angemessenen geldpolitischen Kurses vermieden wird.

Drittens, so betonte der EZB-Rat, hat die Pandemie gezeigt, dass – unter Stressbedingungen – die Flexibilität bei der Gestaltung und Durchführung der Ankäufe von Vermögenswerten dazu beiträgt, der Beeinträchtigung der geldpolitischen Transmission entgegenzuwirken. Darüber hinaus wurden dank dieser Flexibilität die Anstrengungen des EZB-Rats, sein geldpolitisches Ziel zu erreichen, wirkungsvoller. Aus diesem Grund wird unter Stressbedingungen die Flexibilität auch in Zukunft ein Bestandteil der Geldpolitik innerhalb des Mandats des EZB-Rats bleiben, wann immer eine potenzielle Beeinträchtigung der geldpolitischen Transmission das Erreichen von Preisstabilität gefährdet. Insbesondere können die Wiederanlagen im Rahmen des PEPP jederzeit flexibel über den Zeitverlauf, die Anlageklassen und die Länder hinweg angepasst werden, wenn es im Zusammenhang mit der Pandemie zu einer neuerlichen Marktfragmentierung kommt. Dies könnte den Ankauf von durch die Hellenische Republik begebenen Anleihen umfassen, der über die Wiederanlage von Tilgungsbeträgen hinausgeht, um eine Unterbrechung von Ankäufen in diesem Land zu vermeiden. Eine solche Unterbrechung könnte die Transmission der Geldpolitik auf die griechische Wirtschaft beeinträchtigen, während diese sich noch von den Folgen der Pandemie erholt. Erforderlichenfalls könnten Nettoankäufe im Rahmen des PEPP wieder aufgenommen werden, um negativen Schocks im Zusammenhang mit der Pandemie entgegenzuwirken.

Viertens beschloss der EZB-Rat, im Rahmen des APP im zweiten Quartal 2022 Nettoankäufe im Umfang von 40 Mrd € und im dritten Quartal Nettoankäufe im Umfang von 30 Mrd € durchzuführen. Dieser Beschluss stand im Einklang mit der schrittweisen Reduzierung der Ankäufe von Vermögenswerten und diente dazu sicherzustellen, dass der geldpolitische Kurs mit einer mittelfristigen Stabilisierung der Inflation bei ihrem Zielwert vereinbar bleibt. Ab Oktober 2022 sollen die Nettoankäufe von Vermögenswerten im Rahmen des APP in einem monatlichen Umfang von 20 Mrd € so lange fortgesetzt werden, wie dies für die Verstärkung der akkommodierenden Wirkung der Leitzinsen erforderlich ist. Der EZB-Rat ging davon aus, dass die Nettoankäufe kurz vor Beginn der EZB-Leitzinserhöhung beendet werden.

Der EZB-Rat brachte ferner seine Absicht zum Ausdruck, die Tilgungsbeträge der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapiere bei Fälligkeit weiterhin vollumfänglich wieder anzulegen, und zwar für längere Zeit über den Zeitpunkt hinaus, zu dem er mit der Anhebung der Leitzinsen beginnt, und in jedem Fall so lange wie erforderlich, um günstige Liquiditätsbedingungen und eine umfangreiche geldpolitische Akkommodierung aufrechtzuerhalten.

Die Höhe der EZB-Leitzinsen und die Forward Guidance zu deren zukünftiger Entwicklung wurden bestätigt.

Der EZB-Rat kündigte außerdem an, die Refinanzierungsbedingungen für Banken weiterhin zu beobachten und dafür zu sorgen, dass die Fälligkeit der GLRG-III-Geschäfte die reibungslose Transmission der Geldpolitik nicht beeinträchtigt. Zugleich werde er in regelmäßigen Abständen bewerten, wie die gezielten Kreditgeschäfte zum geldpolitischen Kurs beitragen. Der EZB-Rat erklärte ferner, dass er, wie bereits angekündigt, mit einem Auslaufen der im Rahmen der GLRG III geltenden Sonderkonditionen im Juni 2022 rechnet. Er wird darüber hinaus die angemessene Kalibrierung der zweistufigen Verzinsung von Reserveguthaben prüfen, damit die Intermediationsfunktion der Banken in einem von hoher Überschussliquidität geprägten Umfeld durch die Negativzinspolitik nicht eingeschränkt wird. Der EZB-Rat unterstrich zudem erneut seine Bereitschaft, alle seine Instrumente gegebenenfalls anzupassen, um sicherzustellen, dass sich die Inflation mittelfristig bei ihrem Zielwert von 2 % stabilisiert.

Akkommodierende Geldpolitik und nachjustierte Maßnahmen sorgten für günstige Finanzierungsbedingungen und wirkten negativen Auswirkungen der Pandemie auf die Inflation entgegen

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass 2021 der Kurs der deutlichen geldpolitischen Lockerung fortgesetzt wurde, um den negativen Auswirkungen der Pandemie auf die Inflationsaussichten entgegenzuwirken. Unter anderem dank Nachjustierungen des umfangreichen Maßnahmenpakets konnten die günstigen Finanzierungsbedingungen aufrechterhalten werden. Auf diese Weise gelang es, die Renditen von Staatsanleihen, welche die Grundlage der Finanzierungskosten für private Haushalte, Unternehmen und Banken bilden, niedrig zu halten (siehe Abbildung 2.1). Auch die Refinanzierungskosten der Banken blieben so sehr günstig (siehe Abbildung 2.2). Die Maßnahmen stellten außerdem sicher, dass die privaten Haushalte und Unternehmen von diesen günstigen Finanzierungsbedingungen profitierten: Die entsprechenden Bankkreditzinsen fielen auf 1,31 % bzw. 1,36 % und damit auf einen neuen historischen Tiefstand (siehe Abbildung 2.3). Die Inflation zog in der zweiten Jahreshälfte deutlich an, während sich die breit angelegte wirtschaftliche Erholung fortsetzte. Angesichts der voranschreitenden Erholung und der Entwicklung der Inflation hin zu ihrem mittelfristigen Ziel beschloss der EZB-Rat, Anfang 2022 die schrittweise Reduzierung der Wertpapierkäufe einzuleiten. Alles in allem stellte die geldpolitische Reaktion im Jahr 2021 günstige Finanzierungsbedingungen sicher, wodurch eine fortgesetzte wirtschaftliche Erholung und die nachhaltige Annäherung der Inflation an das Ziel des EZB-Rats unterstützt wurden.

Abbildung 2.1

BIP-gewichtete Rendite zehnjähriger Staatsanleihen und zehnjähriger Zinssatz für Tagesgeld-Swaps im Euroraum

(in % p. a.)

Quelle: EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2021.

Abbildung 2.2

Fremdfinanzierungskosten der Banken (gewichtet)

(Kosten der Finanzierung über Bankeinlagen und unbesicherte Kapitalmarktgeschäfte; in % p. a.)

Quellen: EZB, Markit iBoxx und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Der in den Indikator eingehende gewichtete Zinssatz für die einlagenbasierte Finanzierung entspricht dem Durchschnitt aus den Neugeschäftszinssätzen für täglich fällige Einlagen, Einlagen mit vereinbarter Laufzeit und Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist (gewichtet mit den jeweiligen Beständen). Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2021.

Abbildung 2.3

Bankkreditzinsen für nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte (gewichtet)

(in % p. a.)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Die gewichteten Zinsen für Bankkredite errechnen sich durch Aggregation der kurz- und langfristigen Kreditzinsen auf Basis des gleitenden 24-Monatsdurchschnitts des Neugeschäftsvolumens. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2021.

2.2 Bilanzsumme des Eurosystems in anhaltend herausforderndem Umfeld weiter angewachsen

Bilanzsumme des Eurosystems wuchs 2021 um 23 %

Das Eurosystem setzte 2021 die als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen – das PEPP, die PELTROs und die rekalibrierten GLRG III – sowie die Ankäufe von Vermögenswerten im Rahmen des APP fort. Infolge dieser Maßnahmen erhöhte sich die Bilanzsumme des Eurosystems 2021 um 23 % (1,6 Billionen €) und erreichte mit 8,6 Billionen € zum Jahresende einen neuen historischen Höchststand.

Die mit der Geldpolitik zusammenhängenden Vermögenswerte in der Bilanz des Eurosystems beliefen sich Ende 2021 auf 6,9 Billionen €. Dabei machten Forderungen an Kreditinstitute im Euroraum 26 % der Bilanzsumme aus (was in etwa dem Stand Ende 2020 entsprach) und zu geldpolitischen Zwecken gehaltene Wertpapiere 55 % (verglichen mit 53 % Ende 2020; siehe Abbildung 2.4). Die sonstigen Finanzanlagen verteilten sich hauptsächlich auf Fremdwährungs- und Goldbestände des Eurosystems sowie auf nicht geldpolitisch begründete Anlageportfolios in Euro.

Auf der Passivseite erhöhten sich die Reserveguthaben der Kreditinstitute und die Inanspruchnahme der Einlagefazilität durch Geschäftspartner auf 4,3 Billionen € (verglichen mit 3,5 Billionen € zum Jahresende 2020). Dies entsprach Ende 2021 (annähernd wie im Jahr zuvor) einem Anteil von 50 % aller Verbindlichkeiten. Der Banknotenumlauf entwickelte sich dynamischer als der historische Wachstumstrend und betrug Ende des Berichtsjahrs 1,5 Billionen € (nach 1,4 Billionen € Ende 2020) bzw. 18 % der Verbindlichkeiten (nach 21 % Ende 2020). Die sonstigen Passiva, einschließlich des Kapitals der EZB und der Neubewertungskonten, erhöhten sich auf 2,7 Billionen € (nach 2,1 Billionen € Ende 2020) und machten 32 % der Passivseite aus (nach 29 % Ende 2020) (siehe Abbildung 2.4). Dieser Anstieg ergab sich in erster Linie aus einer Ausweitung der Einlagen öffentlicher Haushalte von 516 Mrd € auf 590 Mrd €, die somit für 22 % der sonstigen Passiva verantwortlich zeichneten (nach 25 % Ende 2020), und dem Gegenposten zu den Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds, der sich von 55 Mrd € Ende 2020 auf 179 Mrd € erhöhte und 7 % der sonstigen Passiva ausmachte (nach 3 % Ende 2020).

Abbildung 2.4

Entwicklung der konsolidierten Bilanz des Eurosystems

(in Mrd €)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Positive Zahlen kennzeichnen Aktiva, negative Zahlen Passiva. Die Überschussliquidität ist im positiven Bereich dargestellt, obwohl sie bestimmten Passivpositionen entspricht, nämlich der Summe aus den Einlagen auf Girokonten, die über das Mindestreserve-Soll hinausgehen, und den Guthaben aus der Inanspruchnahme der Einlagefazilität.

Um das zweistufige System für die Verzinsung der Reserveguthaben der Kreditinstitute transparenter zu machen, beschloss die EZB im Juli 2020, die Daten sowohl für das Eurosystem aggregiert als auch für jedes einzelne Land zu veröffentlichen. Dies ermöglicht einen besseren Einblick in die Entwicklung der Reserveguthaben, die den größten Posten auf der Passivseite der Bilanz des Eurosystems darstellen. Konkret veröffentlicht das Eurosystem nun die durchschnittlichen Werte des Mindestreserve-Solls, der Giroguthaben und der Überschussreserven pro Erfüllungsperiode auf nationaler Ebene. Darüber hinaus werden regelmäßig aggregierte wie auch nationale Daten zum Freibetrag im Rahmen des zweistufigen Systems, zu befreiten und nicht befreiten Überschussreserven und zu nicht ausgeschöpften Freibeträgen veröffentlicht.

Eckdaten zum APP- und PEPP-Portfolio: Laufzeit, Anlagestruktur, Länderanteile

APP- und PEPP-Ankäufe wurden 2021 fortgesetzt

Das APP besteht aus vier Teilprogrammen: dem dritten Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP3), dem Programm zum Ankauf von Asset-Backed Securities (ABSPP), dem Programm zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP) und dem Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP). Das PEPP wurde 2020 als Reaktion auf den Ausbruch der Covid-19-Pandemie aufgelegt. Alle für das APP zugelassenen Vermögenskategorien können auch innerhalb des PEPP erworben werden. Das Eurosystem setzte 2021 die Ankäufe von Vermögenswerten im Rahmen des APP und des PEPP fort. Die Ankäufe verliefen reibungslos im Einklang mit den jeweils vorherrschenden Marktbedingungen.

APP-Bestände beliefen sich Ende 2021 auf 3,1 Billionen €

Ende 2021 beliefen sich die APP-Bestände auf 3,1 Billionen € (zu fortgeführten Anschaffungskosten). Die PSPP-Bestände machten Ende 2021 – wie schon Ende 2020 – das Gros des APP-Portfolios aus (2,5 Billionen € bzw. 80 %). Die Länderaufteilung der Ankäufe im Rahmen des PSPP war so gestaltet, dass der Gesamtbestand den Kapitalschlüssel der EZB widerspiegelte. Einige nationale Zentralbanken erwarben außerdem Wertpapiere supranationaler Institutionen der EU, einschließlich der 2021 emittierten Anleihen zur Finanzierung des Aufbauplans „Next Generation EU“. Die gewichtete durchschnittliche Restlaufzeit der PSPP-Bestände lag Ende 2021 wie schon im Jahr zuvor bei 7,3 Jahren, wobei der Wert innerhalb des Euroraums etwas variierte. Das ABSPP zeichnete zum Jahresende für 1 % (28 Mrd €) des gesamten APP-Bestands verantwortlich, das CBPP3 für 9,5 % (298 Mrd €) und das CSPP für 10 % (310 Mrd €). Von den Programmen, unter denen Wertpapiere des privaten Sektors angekauft werden, war das CSPP jenes, das 2021 mit einem Nettoerwerb von 61 Mrd € den höchsten Beitrag zum Zuwachs an APP-Wertpapierbeständen leistete. Die CSPP- und CBPP3-Ankäufe orientieren sich an einer Benchmark, welche die Marktkapitalisierung aller ankauffähigen ausstehenden Unternehmens- bzw. gedeckten Schuldverschreibungen widerspiegelt.

PEPP-Bestände beliefen sich Ende 2021 auf 1,6 Billionen €

Ende 2021 beliefen sich die PEPP-Bestände auf 1,6 Billionen € (zu fortgeführten Anschaffungskosten). Davon entfielen weniger als 1 % (6 Mrd €) auf gedeckte Schuldverschreibungen, 3 % (44 Mrd €) auf Unternehmensanleihen und 97 % (1 531 Mrd €) auf Wertpapiere des öffentlichen Sektors.

Bei den Ankäufen von Wertpapieren des öffentlichen Sektors im Rahmen des PEPP gilt für die Zuteilung der Länderanteile (gemessen am Gesamtbestand) der Kapitalschlüssel der EZB als Richtwert. Gleichzeitig wurden die Ankäufe flexibel gehandhabt, d. h. es kam zu gewissen Schwankungen im Zeitverlauf sowie über Anlageklassen und Länder hinweg. Die gewichtete Durchschnittslaufzeit der im Rahmen des PEPP gehaltenen Wertpapiere des öffentlichen Sektors lag Ende 2021 bei 7,6 Jahren, wobei dieser Wert innerhalb des Euroraums etwas variierte.

Das Eurosystem legte die Tilgungsbeträge der in den APP- und PEPP-Portfolios enthaltenen Wertpapiere bei Fälligkeit wieder an. Diese beliefen sich für Wertpapiere des privaten Sektors auf 82 Mrd € und für Wertpapiere des öffentlichen Sektors, die im Rahmen des PSPP und des PEPP erworben wurden, auf 362 Mrd €. Im Zuge des PSPP, des CSPP und des CBPP3 erworbene Wertpapiere wurden wie bisher für Wertpapierleihgeschäfte zur Verbesserung der Marktliquidität am Anleihe- und Repomarkt zur Verfügung gestellt. Auch PEPP-Bestände können für Wertpapierleihgeschäfte genutzt werden. Hier gelten dieselben Bedingungen wie für Wertpapierleihgeschäfte von im Rahmen des APP erworbenen Titeln. Im November 2021 hob der EZB-Rat die Obergrenze für Wertpapierleihgeschäfte gegen Barsicherheiten auf 150 Mrd € an, womit dem deutlichen Anstieg der Wertpapierbestände des Eurosystems Rechnung getragen wurde.

Entwicklung der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems

Außenstände der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems beliefen sich Ende 2021 auf 2,2 Billionen €

Die Außenstände der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems erhöhten sich von Ende 2020 bis Ende 2021 um 409 Mrd € auf 2,2 Billionen €. Dieser Anstieg spiegelt den Nettoeffekt des im Zuge der GLRG-III-Serie zugeteilten Betrags wider, der sich 2021 auf 449 Mrd € belief. Die freiwilligen vorzeitigen GLRG-III-Rückzahlungen in Höhe von 139 Mrd € und die Fälligkeit von 15,7 Mrd € der GLRG-II-Serie und 23,2 Mrd € der PELTROs (abzüglich des 2021 zugeteilten Betrags) wirkten sich nur begrenzt auf die insgesamt ausstehenden Beträge aus. Die gewichtete Durchschnittsrestlaufzeit der laufenden Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems sank von rund 2,4 Jahren Ende 2020 auf rund 1,74 Jahre Ende 2021.

Lockerung der Kriterien für Sicherheiten

Die vom EZB-Rat im April 2020 beschlossenen Maßnahmen zur Lockerung der Kriterien für Sicherheiten wurden 2021 beibehalten. Hierzu zählten die Zulassung einer größeren Bandbreite von Kreditforderungen als Sicherheiten (einschließlich Darlehen mit Garantien, die in Ländern des Eurogebiets im Rahmen von Pandemiemaßnahmen gewährt wurden), die Verringerung der Bewertungsabschläge für Sicherheiten um pauschal 20 %, die Beibehaltung der Notenbankfähigkeit von Vermögenswerten, die bei Ausbruch der Pandemie die Bonitätsanforderungen erfüllten, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt werden, sowie die Ausnahmeregelung zur Mindestbonitätsanforderung für von der Hellenischen Republik begebene marktfähige Schuldtitel. Diese bis Juni 2022 verlängerten temporären Maßnahmen bilden weiterhin ein Kernelement der geldpolitischen Reaktion der EZB auf die Covid-19-Pandemie.

Wert der zugelassenen marktfähigen Sicherheiten belief sich Ende 2021 auf 16,4 Billionen €

Das Volumen marktfähiger, als Sicherheiten zugelassener Vermögenswerte erhöhte sich im Lauf des Berichtsjahrs um 695 Mrd € auf 16,4 Billionen € (siehe Abbildung 2.5). Verantwortlich für diesen Anstieg waren vor allem die Wertpapiere der Zentralstaaten, die mit 8,9 Billionen € weiter die größte Anlagekategorie stellten. Ferner zählten Unternehmensanleihen (im Umfang von 1,8 Billionen €), besicherte Bankanleihen (1,6 Billionen €) und unbesicherte Bankanleihen (1,6 Billionen €) zu den notenbankfähigen Sicherheiten. Einen jeweils vergleichsweise kleinen Anteil stellten Wertpapiere regionaler Gebietskörperschaften (598 Mrd €), Asset-Backed Securities (572 Mrd €) und sonstige marktfähige Vermögenswerte (1,2 Billionen €).

Abbildung 2.5

Entwicklung notenbankfähiger Sicherheiten

(in Mrd €)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Der Wert der Sicherheiten ist jeweils als Nominalbetrag ausgewiesen. Dargestellt wird der Durchschnitt der Monatsendwerte je Zeitraum.

Volumen der eingesetzten Sicherheiten erreichte zum Jahresende 2,8 Billionen €

Das Volumen der eingesetzten Sicherheiten erhöhte sich 2021 um 243 Mrd € auf 2,8 Billionen € (siehe Abbildung 2.6). Ausschlaggebend für diesen Anstieg waren in erster Linie Kreditforderungen (915 Mrd €), besicherte Bankanleihen (718 Mrd €), Wertpapiere von Zentralstaaten (435 Mrd €) und Asset-Backed Securities (406 Mrd €). Unbesicherte Bankanleihen (141 Mrd €), Wertpapiere regionaler Gebietskörperschaften (88 Mrd €) und Unternehmensanleihen (77 Mrd €) stellten einen geringeren Anteil am Gesamtwert der eingesetzten Sicherheiten.

Abbildung 2.6

Entwicklung eingesetzter Sicherheiten

(in Mrd €)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Seit dem ersten Quartal 2013 werden „nicht marktfähige Vermögenswerte“ in die Kategorien „Kreditforderungen“ und „Termin- und Bareinlagen“ untergliedert. Der Wert der Sicherheiten wird als Durchschnitt der Monatsendwerte je Zeitraum (nach Bewertung und Abzug der Bewertungsabschläge) dargestellt. Bei den aushaftenden Krediten werden Tageswerte verwendet.

2.3 Finanzrisiken im Zusammenhang mit dem APP und dem PEPP

Die Nettoankäufe im Rahmen des APP wurden – wie zuvor erläutert – getätigt, um die akkommodierende Wirkung der EZB-Leitzinsen zu verstärken. Als Ergänzung zum APP wurde das PEPP geschaffen, das den gravierenden aus der Covid-19-Pandemie erwachsenden Risiken für den geldpolitischen Transmissionsmechanismus und den wirtschaftlichen Ausblick für den Euroraum entgegenwirken soll.

Risikoeffizienz als zentrales Element der Risikosteuerung im Eurosystem

So wie andere geldpolitische Maßnahmen birgt auch der direkte Ankauf von Vermögenswerten im Rahmen des APP und des PEPP naturgemäß Finanzrisiken, die das Eurosystem entsprechend steuert und kontrolliert. Stehen verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung, um geldpolitische Maßnahmen umzusetzen, strebt das Eurosystem nach Risikoeffizienz; anders ausgedrückt: es gilt, die geldpolitischen Ziele mit möglichst geringem Risiko für das Eurosystem zu erreichen.[21]

APP und PEPP unterliegen spezifischen Risikosteuerungsmaßnahmen

Für das APP und das PEPP wurde jeweils ein spezieller Rahmen zur Steuerung der Finanzrisiken eingerichtet. Darin werden die geldpolitischen Ziele der Programme sowie die Merkmale und Risikoprofile der verschiedenen erworbenen Anlagekategorien berücksichtigt. Beide Steuerungsrahmen beinhalten Zulassungskriterien, Verfahren zu Bonitätsbeurteilung und Due-Diligence-Prüfungen, Preisvorgaben, Benchmarks und Limite. Sie beziehen sich auf den Erwerb von Wertpapieren, die Wiederanlage der Tilgungsbeträge aus fällig gewordenen Beständen und das Portfolio insgesamt, solange es in der Bilanz des Eurosystems ausgewiesen wird.

Diese Steuerungsrahmen dienen nicht nur dazu, die Finanzrisiken möglichst gering zu halten, sondern sie tragen auch dazu bei, die geldpolitischen Ziele zu erreichen, indem die Wertpapierankäufe im Sinne einer differenzierten marktneutralen Anlagestrategie getätigt werden, soweit dies im Rahmen der jeweiligen Zielvorgabe möglich ist. Darüber hinaus sind die Steuerungsmaßnahmen so ausgestaltet, dass nichtfinanzielle Risiken, so etwa rechtliche und operationelle Risiken sowie Reputationsrisiken, einbezogen werden.

Im Folgenden werden die aktuellen Steuerungsrahmen für die Finanzrisiken im APP und PEPP dargestellt.[22] Tabelle 2.1 bietet einen Überblick über deren Eckpunkte.

Tabelle 2.1

Eckpunkte der Risikosteuerungsrahmen für das APP und PEPP

Quelle: EZB.
Anmerkung: Bonitätsstufe laut harmonisierter Ratingskala des Eurosystems (siehe Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystem (ECAF) auf der Website der EZB).
1) Für Asset-Backed Securities, die die Bonitätsstufe 2 nicht erreichen, gelten die folgenden zusätzlichen Auflagen: a) notleidende Kreditforderungen dürfen weder bei der Emission noch nachträglich als Basiswert herangezogen werden; b) ebenso dürfen weder strukturierte Kredite noch Konsortialkredite noch Kredite an bereits hoch verschuldete Kreditnehmer verbrieft werden; und c) die Bedienung der verbrieften Forderungen muss dauerhaft gesichert sein.
2) Siehe Implementation aspects of the public sector purchase programme (PSPP) auf der Website der EZB.

Zulassungskriterien für direkte Wertpapierkäufe

Für alle Anlagekategorien gelten bestimmte Zulassungskriterien

Für Wertpapierkäufe im Rahmen des APP und PEPP kommen grundsätzlich nur marktfähige Wertpapiere infrage, die zur Besicherung von Kreditgeschäften des Eurosystems zugelassen sind. Diese Zulassungskriterien wurden im geldpolitischen Handlungsrahmen des Eurosystems festgelegt.

Im Rahmen des APP und des PEPP ankauffähige Wertpapiere müssen hohe Bonitätsanforderungen erfüllen und mindestens ein Kreditrating[23] einer zugelassenen externen Ratingagentur aufweisen, das gemäß dem Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystem mindestens der Bonitätsstufe 3 (CQS 3) laut harmonisierter Ratingskala des Eurosystems entspricht. Für von der Hellenischen Republik begebene marktfähige Schuldverschreibungen wurde diese Anforderung für Ankäufe im Rahmen des PEPP vorübergehend aufgehoben.[24] Die Wertpapiere müssen außerdem auf Euro lauten, und ihre Emission und das Settlement müssen im Euroraum erfolgen.

Zusätzlich zu den genannten Zulassungskriterien sind weitere programmspezifische Kriterien zu erfüllen. Für Ankäufe im Rahmen des PSPP, des CSPP und des PEPP gibt es beispielsweise Mindest- und Maximallaufzeiten. Ferner dürfen im Rahmen des CSPP keine Wertpapiere angekauft werden, die von Kreditinstituten oder von Emittenten, deren Konzernmutter ein Kreditinstitut ist, begeben wurden. Im Rahmen des CSPP, CBPP3 und ABSPP sind wiederum Wertpapiere vom Ankauf ausgeschlossen, die von Abwicklungsgesellschaften oder Zweckgesellschaften für die Vermögensverwaltung begeben oder originiert wurden. Bei CBPP3-Ankäufen müssen die Auflagen für die Zulassung von Eigenemissionen der Kreditinstitute zur Besicherung von Kreditgeschäften des Eurosystems erfüllt werden.[25] Im Fall von Asset-Backed Securities müssen die jeweiligen Forderungsschuldner ihren Sitz überwiegend im Euroraum haben.

Bonitätsbeurteilung und Due-Diligence-Prüfung

Fortlaufende Bonitätsbeurteilungen und Due-Diligence-Prüfungen

Im Zusammenhang mit dem Ankauf von Asset-Backed Securities, gedeckten Schuldverschreibungen und Wertpapieren des Unternehmenssektors im Rahmen des APP und des PEPP prüft das Eurosystem infrage kommende Wertpapiere laufend auf ihre Konformität mit den entsprechenden Bestimmungen zur Bonität und Due Diligence. Dazu werden eine Reihe von Risikoindikatoren herangezogen. Die jeweiligen Beurteilungen und Verfahren richten sich nach dem Proportionalitätsprinzip, d. h. riskantere Anlagen werden eingehenderen Analysen unterzogen. Bei Bedarf werden weitere risikosteuernde Maßnahmen hinzugezogen, die dann ebenfalls dem Proportionalitätsprinzip folgen. Hierzu gehören insbesondere die Festlegung von Ankaufobergrenzen oder das Aussetzen von Ankäufen bzw. im Extremfall auch die Veräußerung von Wertpapieren, was jedoch eine Einzelfallbeurteilung durch den EZB-Rat voraussetzt. Beim Ankauf von Vermögenswerten des Unternehmenssektors im Rahmen des APP und des PEPP berücksichtigt die EZB in ihren Due-Diligence-Verfahren auch relevante klimawandelbedingte Risiken.

Preisvorgaben

Preisvorgaben garantieren Investitionen zu marktkonformen Preisen

Mit Preisvorgaben im Rahmen des APP und PEPP wird sichergestellt, dass die Ankäufe zu Marktpreisen erfolgen, damit Marktverzerrungen möglichst vermieden werden und eine hohe Risikoeffizienz erzielt wird. Berücksichtigt werden dabei die verfügbaren Marktpreise, die Preisqualität und der beizulegende Zeitwert. Außerdem wird im Nachhinein geprüft, ob die Transaktionspreise den Marktpreisen zum Transaktionszeitpunkt entsprachen.

Der Erwerb zugelassener Schuldverschreibungen mit negativer Rendite bis zur Fälligkeit ist bei allen Ankaufprogrammen möglich. Dies gilt im erforderlichen Umfang auch für Schuldverschreibungen, deren Rendite bis zur Fälligkeit unter dem Zinssatz für die Einlagefazilität liegt.

Benchmarks

Diversifizierung mithilfe von Benchmarks

Benchmarks werden verwendet, um eine Diversifizierung der Portfolios sicherzustellen und zur Risikobegrenzung beizutragen. Beim Ankauf von gedeckten Schuldverschreibungen und Wertpapieren des Unternehmenssektors richten sich die Benchmarks nach der Marktkapitalisierung (d. h. dem nominalen Umlaufwert) des Pools an ankauffähigen Wertpapieren. Bei Käufen von Wertpapieren des öffentlichen Sektors im Rahmen des PSPP und des PEPP ist der Kapitalschlüssel der EZB für die Aufteilung der Käufe auf die einzelnen Länder gemessen am Gesamtbestand maßgeblich. PEPP-Ankäufe werden flexibel gehandhabt, d. h. ein Variieren der Ankäufe im Zeitverlauf, über Anlageklassen und Länder hinweg ist möglich.

Limite

Obergrenzen für den Ankauf je Emission und Emittent zur effektiven Vermeidung von Risikokonzentrationen

Für die Ankäufe im Rahmen des APP wurde auch ein Limitwesen aufgebaut. Die Festsetzung der Ankaufobergrenzen je Emission und Emittent erfolgt nach strategischen, operationellen, gesetzlichen sowie risikotechnischen Überlegungen. Die Limite werden auf die jeweilige Anlageklasse abgestimmt, wobei zwischen Wertpapieren des öffentlichen und des privaten Sektors unterschieden wird. Bei der Ankündigung des PEPP erklärte der EZB-Rat, dass er dort, wo das Eurosystem den Handlungsspielraum zur Erfüllung seines Mandats selbst begrenzt hat, notwendige Anpassungen in Erwägung ziehen werde, um risikoadäquat handeln zu können.

Die für die PSPP-Ankäufe geltenden Obergrenzen je Emission und Emittent sollen die Funktionsfähigkeit der Märkte und eine adäquate Preisfindung sicherstellen, Verhältnismäßigkeit gewährleisten, die Risikokonzentration begrenzen und dafür sorgen, dass das Eurosystem kein dominanter Gläubiger am Staatsanleihemarkt des Euroraums wird. In diesem Sinne wurde die Obergrenze je Emission für ankauffähige supranationale Anleihen auf 50 % des jeweiligen Umlaufvolumens festgelegt. Bei allen anderen zum PSPP zugelassenen Anleihen liegt die Obergrenze je Emission bei 33 %. Dies gilt allerdings nur, wenn das Eurosystem keine Sperrminorität im Sinne vertraglicher Umschuldungsklauseln erreicht, was auf Einzelfallbasis zu überprüfen ist. In diesem Fall kommt eine Obergrenze von 25 % je Emission zum Tragen. Die Obergrenze pro Emittent beläuft sich im Fall von supranationalen Institutionen auf 50 % des Umlaufvolumens der ankauffähigen Wertpapiere der jeweiligen Institution, im Fall der anderen zugelassenen Emittenten auf 33 %.

Im Rahmen des ABSPP, des CBPP3 und des CSPP dürfen die Bestände des Eurosystems pro Emission 70 % nicht übersteigen. Beim CSPP sind in besonderen Fällen niedrigere Obergrenzen je Emission anzuwenden, etwa im Fall von Papieren, die von öffentlich-rechtlichen Emittenten begeben wurden. Es gelten dann analog die entsprechenden PSPP-Bestimmungen. Neben den Obergrenzen je Emission gelten für das CBPP3 und das CSPP auch Obergrenzen je Emittent. Diese Grenzwerte werden beim CSPP auf Basis einer Benchmark-Allokation mit Bezug auf die Marktkapitalisierung der Emittentengruppe definiert, um eine diversifizierte Anlagestruktur zu gewährleisten. Es können auch niedrigere Höchstgrenzen festgesetzt werden, wenn die Bonitätsbeurteilung und die Due-Diligence-Prüfung dies nahelegen.

2.4 Die neue geldpolitische Strategie der EZB

Die EZB veröffentlichte am 8. Juli 2021 ihre neue geldpolitische Strategie. Der Veröffentlichung war ein umfassender Überprüfungsprozess vorangegangen, im Zuge dessen die tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen, denen die Volkswirtschaften im Euroraum und weltweit seit der letzten Überprüfung im Jahr 2003 ausgesetzt waren, beleuchtet wurden. So hatte sich etwa das Risiko erhöht, dass die EZB-Leitzinsen durch die effektive Zinsuntergrenze begrenzt werden. Im Bestreben, sein Preisstabilitätsmandat zu erfüllen, verständigte sich der EZB-Rat auf ein symmetrisches mittelfristiges Inflationsziel von 2 %, wobei betont wurde, dass negative und positive Abweichungen von diesem Zielwert gleichermaßen unerwünscht sind. Um die Symmetrie seines Inflationsziels zu wahren, ist es nach Ansicht des EZB-Rats wichtig, den Implikationen der effektiven Zinsuntergrenze Rechnung zu tragen. Vor allem wenn sich die Zinsen nahe der Untergrenze befinden, sind besonders kraftvolle oder lang anhaltende geldpolitische Maßnahmen nötig, die verhindern, dass sich negative Abweichungen vom Inflationsziel verfestigen. Dies geht unter Umständen damit einher, dass die Inflation vorübergehend moderat über dem Zielwert liegt. Der EZB-Rat hielt fest, dass die Leitzinsen sein wichtigstes geldpolitisches Instrument sind, und bestätigte auch, dass er in Anbetracht der effektiven Zinsuntergrenze insbesondere auch die Forward Guidance einsetzen, Ankäufe von Vermögenswerten tätigen und längerfristige Refinanzierungsgeschäfte durchführen werde, sollte dies angebracht sein. Darüber hinaus würde er bei Bedarf auch neue geldpolitische Instrumente zur Erreichung des Preisstabilitätsziels in Betracht ziehen. Es wurde ferner bestätigt, dass der HVPI weiterhin als Messgröße für die Preisstabilität verwendet wird. Der EZB-Rat empfahl in diesem Zusammenhang die Erstellung eines Plans für die Aufnahme der Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum in den Index durch Eurostat. Der EZB-Rat erklärte, seine geldpolitischen Beschlüsse auf Grundlage einer umfassenden Bewertung aller relevanten Faktoren zu treffen. Diese Bewertung stützt sich sowohl auf die wirtschaftliche als auch auf die monetäre und finanzielle Analyse und umfasst auch eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der EZB-Ratsbeschlüsse und potenzieller Nebenwirkungen. Bei seinen geldpolitischen Beschlüssen bezieht der EZB-Rat auch andere für die Durchführung der Geldpolitik relevante Überlegungen mit ein, sofern dadurch die Erreichung seines Preisstabilitätsziels nicht gefährdet wird. In diesem Zusammenhang setzt sich der EZB-Rat innerhalb des Mandats der EZB dafür ein, dass das Eurosystem den Implikationen des Klimawandels und des Übergangs zu einer CO2-armen Wirtschaft vollumfänglich Rechnung trägt. Die Kommunikation der geldpolitischen Beschlüsse wurde im Einklang mit der überarbeiteten geldpolitischen Strategie angepasst.[26] Der EZB-Rat bekräftigte seine Absicht, die Angemessenheit seiner geldpolitischen Strategie regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen. Die nächste Bewertung ist 2025 zu erwarten.

Das Preisstabilitätsziel gestern und heute

Die geldpolitische Strategie der EZB seit 1998

Der EZB-Rat verabschiedete seine erste geldpolitische Strategie im Jahr 1998. In dieser wurde Preisstabilität als „Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das Euro-Währungsgebiet von unter 2 % gegenüber dem Vorjahr“ definiert. Im Lichte der hohen Inflationsraten in den vorangegangenen Jahrzehnten war die Festlegung einer Obergrenze von 2 % für die Inflation geboten. 2003 wurde diese Strategie einer Überprüfung unterzogen. Der EZB-Rat präzisierte seine Definition von Preisstabilität: Man strebe eine Inflationsrate von unter, aber nahe 2 % an. Anlass für die Präzisierung war die Entschlossenheit der EZB, zum Schutz gegen Deflationsrisiken für einen ausreichenden Sicherheitsabstand zur effektiven Zinsuntergrenze zu sorgen. Dieser Schutz sollte durch einen positiven Effekt des Sicherheitsabstands auf das Trendniveau der nominalen Zinssätze erreicht werden. Gleichzeitig wurde mit der überarbeiteten Definition einem möglichen systematischen Messfehler bei der HVPI-Messung und den Auswirkungen von Inflationsunterschieden innerhalb des Euroraums Rechnung getragen. Darüber hinaus wurde in der Strategie der frühen EZB-Jahre festgelegt, dass Preisstabilität auf mittlere Sicht gewährleistet werden soll und sich die Analyse der Risiken für die Preisstabilität auf zwei Säulen – die wirtschaftliche Analyse und die monetäre Analyse – stützt.

Die umfassende Überprüfung der geldpolitischen Strategie in den Jahren 2020 und 2021 zeigte, dass die anhaltend niedrige Inflation in den vergangenen zehn Jahren auf eine Reihe vernetzter Faktoren zurückzuführen war. Anders als in den ersten zehn Jahren des Euro-Währungsgebiets wirkten die Inflationsschocks in der Zeit danach wegen der globalen Finanzkrise und deren Folgen in erster Linie disinflationär. Angesichts des im Euroraum und weltweit verzeichneten Rückgangs des gleichgewichtigen Realzinses (d. h. des realen Zinssatzes, bei dem die Produktion ihrem Potenzial und die Inflation ihrem Zielwert entspricht) konnten diese Schocks nicht ohne Weiteres durch die Zinspolitik ausgeglichen werden. Die anhaltend niedrige Inflation hatte auch zu niedrigeren Inflationserwartungen und damit möglicherweise zu einer weniger starken Verankerung der Inflationserwartungen am Inflationsziel der EZB beigetragen.

Nach der Strategieüberprüfung von 2020-2021 strebt der EZB-Rat nun ein symmetrisches Inflationsziel von mittelfristig 2 % an. Das Inflationsziel von 2 % bildet einen eindeutigen Anker für die Inflationserwartungen, was für die Gewährleistung von Preisstabilität von entscheidender Bedeutung ist. Im Zuge der Überprüfung wurde festgestellt, dass zur Stabilisierung der Inflation ein punktgenaues Ziel nicht zuletzt dank seiner Einfachheit tendenziell bessere Dienste leistet als ein Zielband.[27] In der alten Strategie war die Obergrenze des Zielbandes mit 2 % eindeutig festgelegt, während am unteren Ende des Zielbandes kein numerischer Wert stand. Möglicherweise entstand dadurch in der Öffentlichkeit die Wahrnehmung, die EZB reagiere stärker auf Inflationsabweichungen nach oben, da diese eindeutig außerhalb des Zielbandes liegen.

Der EZB-Rat bestätigte die mittelfristige Ausrichtung der Geldpolitik. Diese trägt der Tatsache Rechnung, dass die Transmission der Geldpolitik auf die Wirtschaft und die Inflation langen und variablen Verzögerungen unterliegt, wodurch kurzfristige Abweichungen der Inflation vom Zielwert unvermeidbar sind. Die mittelfristige Ausrichtung sorgt für die Flexibilität, die notwendig ist, um den Blick über temporäre Schocks, die sich möglicherweise von selbst zurückbilden, hinaus zu richten und somit unnötige Volatilität in der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung zu vermeiden.

Der EZB-Rat betonte, dass negative und positive Abweichungen vom Inflationsziel gleichermaßen unerwünscht seien, d. h. das Ziel ist symmetrisch. Allerdings können durch die Zinsuntergrenze Asymmetrien bei der Verfolgung des Preisstabilitätsziels entstehen, da die Zentralbank im Fall von Abweichungen der Inflationsrate nach unten weniger Handlungsspielraum hat als bei Abweichungen nach oben. Die Verpflichtung auf ein symmetrisches Inflationsziel erfordert also dann besonders kraftvolle oder lang wirkende geldpolitische Maßnahmen, wenn die Zinsen in der Nähe ihrer effektiven Untergrenze liegen, um zu verhindern, dass sich negative Abweichungen vom Inflationsziel verfestigen. Dies geht unter Umständen damit einher, dass die Inflation vorübergehend moderat über dem Zielwert liegt.

Unkonventionelle Maßnahmen haben effektiv zur Lockerung der Finanzierungsbedingungen und Unterstützung von Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Inflation beigetragen

Das wichtigste geldpolitische Instrument der EZB sind die Leitzinsen. Infolge des Rückgangs des gleichgewichtigen Realzinses in den letzten Jahrzehnten haben Zentralbanken weltweit jedoch auch unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen ergriffen, um die Inflation in Richtung des angepeilten Ziels zu steuern. Aus diesem Grund waren Teile der Strategieüberprüfung auch der Untersuchung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen gewidmet. Man kam zu dem Schluss, dass jedes der unkonventionellen Instrumente (einschließlich Negativzinsen, Forward Guidance, Wertpapierankäufe und längerfristige Refinanzierungsgeschäfte) effektiv zur Steigerung von Produktion, Beschäftigung und Inflation beigetragen hatte. Aufgrund ihrer potenziell etwas unterschiedlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte hatten die Maßnahmen einander verstärkt.[28] Außerdem zeigte die Überprüfung, dass sich die Maßnahmen mit Blick auf potenzielle Nebenwirkungen für das Finanzsystem oder die Realwirtschaft als verhältnismäßig erwiesen hatten.

Berücksichtigung der Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum wird Preismessung künftig weiter verbessern

Der EZB-Rat bestätigte, dass der HVPI nach wie vor die geeignete Messgröße ist, um die Erfüllung des Preisstabilitätsziels zu bewerten. Während Letzteres anhand der Gesamtinflation, d. h. des am weitesten gefassten Maßes des Warenkorbs der privaten Haushalte, quantifiziert wird, bezieht die Beobachtung auch weiterhin eine breite Palette von Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation mit ein, bei denen volatile Komponenten herausgerechnet werden. Im Rahmen der Strategieüberprüfung wurde Potenzial für weitere Verbesserungen bei der Preismessung festgestellt.[29] So kam der EZB-Rat zu dem Schluss, dass die Berücksichtigung der Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum im HVPI dazu beitragen würde, dass der Index die für private Haushalte relevante Inflationsrate besser abbildet. Aus diesem Grund empfahl die EZB die Erstellung eines Plans, der Eurostat und den nationalen Statistikämtern die Aufnahme der Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum in den HVPI vorzeichnet. Der EZB-Rat erkennt an, dass es sich dabei um ein mehrjähriges Projekt handelt, und wird daher in der Zwischenzeit Inflationsmessgrößen berücksichtigen, die auch erste Schätzungen der Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum in die breitere Palette ergänzender Teuerungsindikatoren einbeziehen.

Andere für das Ziel der Preisstabilität relevante Aspekte

Das vorrangige Ziel des Eurosystems besteht in der Gewährleistung von Preisstabilität. Darüber hinaus sieht der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vor, dass das Eurosystem, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich ist, die allgemeine Wirtschaftspolitik in der EU unterstützt, um zur Verwirklichung der Ziele der EU beizutragen. Zu diesen Zielen gehören ein ausgewogenes Wirtschaftswachstum, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität. Ferner trägt das Eurosystem zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen bei.

Vollbeschäftigung und Preisstabilität sind Ziele, die bis zu einem bestimmten Grad gut miteinander vereinbar sind. Wenn sich Inflation und Beschäftigung in dieselbe Richtung entwickeln, kann die Geldpolitik die Inflation stabilisieren, ohne die Beschäftigung negativ zu beeinflussen. Allerdings kann es vorkommen, dass sich Inflation und Beschäftigung vorübergehend gegenläufig entwickeln. Eine Straffung der Geldpolitik zur Dämpfung der Inflation würde in diesem Fall die Beschäftigung weiter drücken. Im Rahmen einer mittelfristig ausgerichteten Geldpolitik wird die temporäre Natur solcher Situationen erkannt und danach getrachtet, Volatilität in der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung zu vermeiden. Im Hinblick auf die Miteinbeziehung von Produktion und Beschäftigung in seine Überlegungen betonte der EZB-Rat, dass es wichtig sei, eine breite Palette von Variablen und die Verteilungswirkungen der Geldpolitik zu berücksichtigen.[30]

Einbeziehung von Finanzstabilitätsrisiken bereichert geldpolitische Überlegungen

Finanzstabilität ist eine Voraussetzung für Preisstabilität – und umgekehrt. Ist die Lage am Finanzmarkt angespannt, tragen geldpolitische Maßnahmen zur Wahrung der Preisstabilität in der Regel zur Wiederherstellung der Finanzstabilität bei, indem sie Störungen des geldpolitischen Transmissionsmechanismus beheben und negative makrofinanzielle Rückkopplungseffekte sowie Schuldendeflations-Phänomene abwenden. Makro- und mikroprudenzielle Maßnahmen bilden die erste Verteidigungslinie gegen das Entstehen von Finanzstabilitätsrisiken. Häufig ergänzen die makroprudenzielle Politik und die Geldpolitik einander. Beispielsweise verringern makroprudenzielle Maßnahmen gegen das Entstehen von Ungleichgewichten die Wahrscheinlichkeit künftiger Finanzkrisen, die negative Auswirkungen auf die Preisstabilität haben. Umgekehrt kann sich die Geldpolitik auch auf Finanzstabilitätsrisiken auswirken. So kann eine expansive Geldpolitik auf der einen Seite das Kreditrisiko reduzieren, indem sie die Wirtschaftsaktivität und die Inflationsdynamik verstärkt, auf der anderen Seite aber auch Anreize zu einer Erhöhung der Verschuldungsquoten setzen oder die Reagibilität der Vermögenspreise steigern. Genau umgekehrte Argumente können im Fall einer geldpolitischen Straffung ins Treffen geführt werden.

Da Finanzkrisen Risiken für die Preisstabilität bergen, liegt es aus konzeptioneller Sicht klar auf der Hand, dass die EZB Finanzstabilitätsaspekte in ihre geldpolitischen Überlegungen miteinbezieht. Grund hierfür ist, dass der makroprudenziellen Politik in den verschiedenen Phasen des Finanzzyklus Grenzen gesetzt sind. Aber auch die wechselseitigen Beziehungen zwischen makroprudenzieller Politik und Geldpolitik sowie mögliche Nebenwirkungen der Geldpolitik auf die Finanzstabilität spielen hier eine Rolle. Gleichzeitig gilt es, der falschen Wahrnehmung vorzubeugen, die Geldpolitik sei dafür verantwortlich, die Aufrechterhaltung von Finanzstabilität zu garantieren. Die Politik des EZB-Rats folgt hier insofern keinem Automatismus, als bei zunehmenden systemischen Risiken nicht systematisch mit einer geldpolitischen Straffung reagiert wird („Leaning against the wind“) bzw. systematisch gelockert wird, sobald systemische Risiken schlagend werden („Cleaning“). Vielmehr verfolgt der EZB-Rat bei der Berücksichtigung von Finanzstabilitätsaspekten einen flexiblen Ansatz. Jede geldpolitische Reaktion auf Bedenken hinsichtlich der Finanzstabilität hängt von den jeweiligen Umständen ab und richtet sich nach den Auswirkungen auf die mittelfristige Preisstabilität. Um diesem Ansatz gerecht zu werden, fließen Erkenntnisse aus Überlegungen zur Finanzstabilität in die Vorbereitung der geldpolitischen Beratungen ein.[31]

Maßnahmenplan zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in geldpolitischen Operationen

Die neue geldpolitische Strategie trägt dem Klimawandel Rechnung. Der Klimawandel beeinflusst die Struktur und konjunkturelle Dynamik der Wirtschaft und des Finanzsystems und somit potenziell auch die Geldpolitik.[32] Der EZB-Rat ist fest entschlossen, innerhalb seines Mandats dafür zu sorgen, dass das Eurosystem – im Einklang mit den EU-Klimaschutzzielen – die Auswirkungen des Klimawandels und des Übergangs zu einer CO2-armen Wirtschaft in vollem Umfang berücksichtigt. Er hat sich daher zur Umsetzung eines ambitionierten Maßnahmenplans für den Klimaschutz verpflichtet. Der Maßnahmenplan sieht den Ausbau der Analysekapazitäten und die Entwicklung neuer statistischer Indikatoren vor, um zu einer Verbesserung des Wissens um die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels beizutragen. Darüber hinaus wird der EZB-Rat seinen geldpolitischen Handlungsrahmen in den Bereichen Offenlegung, Risikobewertung, Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors und Sicherheitenrahmen anpassen.

Neugestaltung des Analyserahmens und der Kommunikation

Integration der wirtschaftlichen, monetären und finanziellen Analyse

Die Analyse der Risiken für die Preisstabilität durch die EZB beruhte in der Vergangenheit auf zwei Säulen: der wirtschaftlichen Analyse und der monetären Analyse. Die Ergebnisse daraus wurden nach einer Gegenprüfung zu einer Gesamteinschätzung gebündelt. Mit der neuen Strategie werden einerseits die Vorteile zweier spezialisierter Analyseschwerpunkte anerkannt, gleichzeitig trägt die Strategie mit Blick auf die zahlreichen Wechselwirkungen zwischen monetären und Finanzmarktentwicklungen einerseits und der Realwirtschaft andererseits dem Wert einer integrierten Analyse Rechnung. Die wirtschaftliche Analyse deckt die kurzfristige Entwicklung des Wirtschaftswachstums, der Beschäftigung und der Inflation ab. Sie beinhaltet auch die von Expertinnen und Experten des Eurosystems und der EZB erstellten Projektionen zu den wichtigsten makroökonomischen Variablen auf mittlere Sicht sowie eine breite Bewertung der Risiken für das Wirtschaftswachstum und die Preisstabilität. In der monetären und finanziellen Analyse spiegelt sich die Tatsache wider, dass sie im Zusammenhang mit den Herausforderungen während und nach der globalen Finanzkrise entwickelt wurde. Sie zielt deshalb vor allem auf die Untersuchung monetärer und finanzieller Indikatoren in Bezug auf das Wirken des geldpolitischen Transmissionsmechanismus – insbesondere über den Kreditkanal, den Bankenkanal, den Risikoneigungskanal und den Vermögenspreiskanal – ab. Der EZB-Rat stützt seine geldpolitischen Beschlüsse, einschließlich der Prüfung ihrer Verhältnismäßigkeit und möglicher Nebenwirkungen, auf diese umfassende Bewertung.

Kommunikation wird stärker auf die breite Öffentlichkeit ausgerichtet

Auch die Kommunikation der geldpolitischen Beschlüsse mittels der Erklärung zur Geldpolitik, der Pressekonferenz, des Wirtschaftsberichts und der Zusammenfassungen der geldpolitischen Sitzungen wird einem Beschluss des EZB-Rats zufolge an die geänderte geldpolitische Strategie angepasst. Ergänzt werden diese Produkte durch zielgruppengerechte und optisch ansprechende geldpolitische Kommunikationsformate, die sich an die breite Öffentlichkeit richten. Dies ist von entscheidender Bedeutung, damit die Öffentlichkeit die Maßnahmen der EZB versteht und ihnen Vertrauen entgegenbringt. Der EZB-Rat erklärte außerdem, angesichts der positiven Erfahrungen mit den Veranstaltungen der Reihe „Das Eurosystem hört zu“[33] im Rahmen der Strategieüberprüfung den direkten Dialog zwischen dem Eurosystem und den Bürgerinnen und Bürgern zu einem fixen Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit machen zu wollen.[34]

Kasten 2
Der EZB-Maßnahmenplan zum Klimaschutz

Die Bewältigung des Klimawandels ist eine globale Herausforderung und hat in der EU oberste politische Priorität. Die Verantwortung für den Klimaschutz liegt in erster Linie bei den Regierungen und Parlamenten, die auch über die wirkungsvolleren Instrumente im Kampf gegen den Klimawandel verfügen. Dennoch erkennt die EZB uneingeschränkt die Notwendigkeit an, innerhalb ihres Mandats und Zuständigkeitsbereichs Klimaschutzüberlegungen verstärkt in ihren geldpolitischen Handlungsrahmen zu integrieren. Bei der Erfüllung seines vorrangigen Ziels der Gewährleistung von Preisstabilität muss das Eurosystem die Auswirkungen des Klimawandels und des Übergangs zu einer nachhaltigeren Wirtschaft berücksichtigen. Zudem beeinflussen klimabezogene Risiken nicht nur die Aussichten für die Preisstabilität über ihre Auswirkungen auf gesamtwirtschaftliche Indikatoren und die geldpolitische Transmission. Vielmehr schlagen sie sich potenziell auch im Wert und im Risikoprofil der Vermögenswerte in der Bilanz des Eurosystems nieder. Die EZB ist außerdem durch ihr sekundäres Mandat verpflichtet, im Einklang mit ihrem nachrangigen Ziel die allgemeine Wirtschaftspolitik in der EU zu unterstützen, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Preisstabilitätsziels möglich ist. Angesichts seiner Bedeutung für die Geldpolitik nahm der Klimawandel auch bei der Überprüfung der geldpolitischen Strategie der EZB 2020-2021 breiten Raum ein.

Nach Abschluss der Strategieüberprüfung veröffentlichte die EZB einen umfassenden Maßnahmenplan zum Klimaschutz sowie einen detaillierten Fahrplan zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in ihrem geldpolitischen Handlungsrahmen. Konkret verpflichtete sich der EZB-Rat, in folgenden sechs Bereichen Maßnahmen zu ergreifen: a) makroökonomische Modelle und Beurteilung der Implikationen für die geldpolitische Transmission, b) statistische Daten für Risikoanalysen zum Klimawandel, c) Offenlegungsanforderungen, d) Ausbau der Risikobewertungskapazitäten, e) Sicherheitenrahmen und f) Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors. Die Umsetzung des Maßnahmenplans wird eng mit den Fortschritten bei den politischen Maßnahmen und Initiativen der EU im Bereich der Offenlegung und Berichterstattung zur ökologischen Nachhaltigkeit sowie mit anderen einschlägigen EU-Rechtsvorschriften abgestimmt.

Im Hinblick auf makroökonomische Modelle und die Beurteilung der Implikationen für die geldpolitische Transmission wird die EZB ihre einschlägigen Analysekapazitäten weiter ausweiten, um den Folgen des Klimawandels und den damit verbundenen Maßnahmen für die Wirtschaft, das Finanzsystem und die geldpolitische Transmission Rechnung zu tragen. Darüber hinaus werden Klimarisiken in die von Expertinnen und Experten der EZB bzw. des Eurosystems erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen für den Euroraum einbezogen, damit ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft beurteilt werden können.

Im Bereich Statistik wird die EZB neue Indikatoren für die Analyse von Klimarisiken entwickeln, die folgenden drei Hauptkategorien zuzuordnen sind: grüne Finanzinstrumente, klimabezogene physische Risiken, denen Finanzinstitute ausgesetzt sind, und CO2-Fußabdruck der Portfolios von Finanzinstituten. Diese experimentellen Indikatoren sollen ab Ende 2022 verfügbar sein. Danach werden sie durch Verbesserungen im Hinblick auf Datenverfügbarkeit und ‑harmonisierung schrittweise weiterentwickelt (siehe Kapitel 7 Abschnitt 2).

Im Zusammenhang mit den geldpolitischen Geschäften wird die EZB 2022 einen detaillierten Plan zur Einführung von Offenlegungsanforderungen zur ökologischen Nachhaltigkeit für Vermögenswerte des privaten Sektors vorlegen. Diese Anforderungen sollen bei der Verwendung als Sicherheiten bzw. bei Ankäufen als Zulassungskriterium oder Grundlage für eine differenzierte Behandlung dienen. Die Offenlegungsanforderungen werden mit EU-Verordnungen abgestimmt und so zu einer einheitlicheren Offenlegungspraxis an den Märkten beitragen; Anpassungen für kleine und mittlere Unternehmen werden für Verhältnismäßigkeit sorgen.

Die EZB wird ferner ihre Kapazitäten zur Bewertung von Klimarisiken ausbauen. Mithilfe von Klimastresstests wird geprüft, inwieweit die Bilanz des Eurosystems mit Klimarisiken behaftet ist. Den Anfang macht ein Pilot-Stresstest im Jahr 2022, bei dem die Methodik des gesamtwirtschaftlichen Klimastresstests der EZB zur Anwendung kommt. In diesem Zusammenhang wird die EZB auch prüfen, ob die im Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystem zugelassenen Ratingagenturen offenlegen, wie sie klimabezogene Risiken in ihre Bonitätsbeurteilungen einfließen lassen. Zusätzlich dazu wird die EZB die Entwicklung eigener Mindestanforderungen für die Berücksichtigung von Klimarisiken in ihren internen Ratings in Erwägung ziehen.

Im Sicherheitenrahmen der EZB werden Aspekte des Klimawandels bei der Prüfung der Bewertungs- und Risikokontrollmaßnahmen für Vermögenswerte, die von Geschäftspartnern für Kreditgeschäfte des Eurosystems als Sicherheiten verwendet werden können, berücksichtigt. Darüber hinaus wird die EZB strukturelle Entwicklungen an den Märkten für Nachhaltigkeitsprodukte weiterhin beobachten, um innerhalb ihres Mandats Innovationen bei nachhaltigen Finanzprodukten zu fördern. Seit Jahresbeginn 2021 lässt die EZB beispielsweise an Nachhaltigkeitsziele gebundene Anleihen als Sicherheiten zu.

Beim Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors berücksichtigt die EZB Klimarisiken bereits bei ihren Due-Diligence-Prüfungen. Darüber hinaus wird sie – innerhalb ihres Mandats – auch die Regelungen, an denen sich die Allokation der Ankäufe von Unternehmensanleihen orientiert, um Klimaschutzaspekte erweitern. Im Zuge dessen soll erreicht werden, dass Emittenten zumindest die Rechtsvorschriften der EU zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens erfüllen, etwa über klimabezogene Kennzahlen oder Verpflichtungserklärungen. Außerdem wird die EZB spätestens ab dem ersten Quartal 2023 klimabezogene Informationen im Hinblick auf das CSPP offenlegen.

Die EZB wird die Fortschritte bei diesen Aktivitäten genau beobachten und die Öffentlichkeit über wesentliche Meilensteine informieren. Bei der Koordinierung der Aktivitäten innerhalb der EZB wird das kürzlich eingerichtete Kompetenzzentrum Klimawandel eine wesentliche Rolle spielen (siehe Kasten 13).

Kasten 3
Neuerungen in der Kommunikation zur Geldpolitik

Die EZB schlug 2021 in der Kommunikation zur Geldpolitik neue Wege ein. Im Rahmen ihrer Strategieüberprüfung evaluierte und modernisierte sie die Mittel und Methoden, wie geldpolitische Entscheidungen gegenüber Fachleuten und der breiten Öffentlichkeit präsentiert und erläutert werden. Mit dieser Modernisierung, zu der Eurosystem-weit Expertinnen und Experten von nationalen Zentralbanken beitrugen, reagierte die EZB auf die steigende Nachfrage nach Informationen über ihre Entscheidungen und Instrumentarien, die sich auch Menschen ohne Geldpolitikexpertise erschließen. Bei den Veranstaltungen der Reihe „Die EZB hört zu“ (bzw. der Reihe „Das Eurosystem hört zu“ auf Ebene der nationalen Zentralbanken), die Teil der Strategieüberprüfung waren, trat ganz klar zutage, dass die Menschen es schätzen, wenn sich die EZB einer verständlichen Sprache bedient und besser erklärt, warum ihre Politik für alle relevant ist. Davon abgesehen kommen erwiesenermaßen auch bei einem Fachpublikum prägnant formulierte Texte, in denen auf Fachjargon weitgehend verzichtet wird, besser an.

Neue Erklärung zur Geldpolitik

Die „Erklärung zur Geldpolitik“ löste mit Juli 2021 die „einleitenden Bemerkungen“ als zentrales Instrument für die Kommunikation geldpolitischer Beschlüsse ab. Die Erklärung ist kürzer, in verständlicherer Sprache verfasst und bietet eine nachvollziehbare Darstellung der Informationen. Sie legt dar, wie auf Grundlage der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage durch den EZB-Rat die politischen Entscheidungen getroffen werden und welche Ziele damit erreicht werden sollen.

Die neue Erklärung zur Geldpolitik war ein wichtiger Schritt vorwärts: Der EZB gelingt es damit, ihre Entscheidungen und Maßnahmen verständlicher zu vermitteln. Die Bewertung der Lesbarkeit anhand von einschlägigen Indikatoren zeigt, dass im Vergleich zu den früheren einleitenden Bemerkungen die neue Erklärung viel weniger komplex formuliert ist (siehe Abbildung A). Statistisch betrachtet ist nun kein Universitätsabschluss (d. h. 14 Jahre Schul- bzw. Ausbildung) mehr nötig, um den Inhalt zu verstehen.

Abbildung A

Komplexität der Erklärung zur Geldpolitik

Quelle: Aktualisierte Daten (Februar 2022) aus Analysen in: G. Coenen et al., Communication of monetary policy in unconventional times, Working Paper Series der EZB, Nr. 2080, Juni 2017.
Anmerkung: In der Abbildung werden Länge und Komplexität der einleitenden Bemerkungen/Erklärung zur Geldpolitik der EZB dargestellt. Die Länge wird anhand der Anzahl der Wörter gemessen (und durch die Kreisgröße angezeigt). Die Verständlichkeit der Sprache wird anhand des Flesch-Kincaid Grade-Level-Score gemessen. Er gibt anhand der Länge der Sätze und Wörter an, wie viele Jahre formaler Bildung erforderlich sind, um einen Text zu verstehen. Die vertikale strichpunktierte Linie markiert den Abschluss der EZB-Strategieüberprüfung 2020-2021.

„Unsere Erklärung zur Geldpolitik auf einen Blick“

Eine besondere Neuerung sind die Visualisierungen mit dem Titel „Unsere Erklärung zur Geldpolitik auf einen Blick“. Mit diesem (in allen EU-Amtssprachen verfügbaren) Format sollen der breiten Öffentlichkeit die wichtigsten Botschaften der Erklärung zur Geldpolitik in vereinfachter Form vermittelt werden. Dabei kommen Methoden des Storytelling, intuitiv verständliche Visualisierungen und klar formulierte Texte zum Einsatz. So können die aktuellen Beschlüsse der EZB ansprechend und leicht erfassbar vermittelt werden.

Die EZB nutzt diese neuen Kommunikationsformen, um in der breiten Bevölkerung das Wissen über – und letztlich das Vertrauen in – ihr Handeln zu stärken. Dieses Vertrauen ist nicht nur eine Voraussetzung dafür, dass die EZB selbst bzw. ihre Legitimität als unabhängige Institution akzeptiert wird, sondern trägt auch wesentlich zu einer besseren Wirksamkeit der Geldpolitik und Verankerung der Inflationserwartungen bei. Aktuelle Forschungsergebnisse auf Basis der Umfrage der EZB zu den Verbrauchererwartungen deuten darauf hin, dass sich die Definition und Kommunikation des neuen symmetrischen Inflationsziels von 2 % positiv auf die Glaubwürdigkeit der EZB ausgewirkt haben. Insbesondere erwarten private Haushalte, die über das neue Ziel und seine Auswirkungen Bescheid wissen, eher, dass die EZB die Preisstabilität auf mittlere Sicht gewährleistet.[35]

3 Der europäische Finanzsektor: Erholung 2021 sorgt für geringere kurzfristige Risiken, doch Anfälligkeiten bauen sich auf

Dank der verbesserten Wirtschaftslage im Berichtsjahr verringerten sich im Euroraum die pandemiebedingten kurzfristigen Risiken für die Finanzstabilität. Sowohl der Unternehmenssektor als auch die staatlichen Emittenten und die Banken konnten extreme Negativereignisse vermeiden. Die Störungen der weltweiten Lieferketten und der Anstieg der Energiepreise drohten jedoch die Dynamik des Aufschwungs und die Inflationsaussichten zu beeinträchtigen. Dies könnte perspektivisch auch Auswirkungen auf die Finanzstabilität haben. Zugleich baute sich eine Reihe von anderen Anfälligkeiten weiter auf: Hierzu zählten etwa zunehmend überhöhte Bewertungen an den Wohnimmobilien- und den Finanzmärkten, die anhaltend hohe Risikobereitschaft bei Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors sowie die höhere Verschuldung des Unternehmens- und des öffentlichen Sektors als Folge der Pandemie. Mit der fortschreitenden Erholung verschob sich der makroprudenzielle Diskurs weg von der Bereitstellung kurzfristiger Unterstützung und hin zu der Frage, wie Schwachstellen der Finanzstabilität, insbesondere entstehende zyklische Risiken und Immobilienmarktrisiken, gemindert werden können. Darüber hinaus wurden die Arbeiten zur Verbesserung des regulatorischen Rahmens für Banken und des makroprudenziellen Ansatzes für Nichtbanken fortgesetzt, um die langfristige Widerstandskraft des Finanzsystems weiter zu erhöhen.

3.1 Finanzstabilitätslage im Jahr 2021

Im Berichtszeitraum gewann die wirtschaftliche Erholung in den Ländern und Wirtschaftssektoren des Euroraums zunehmend an Stärke und Breite. Dies hatte zur Folge, dass sich die kurzfristigen Aussichten für die Finanzstabilität allgemein aufhellten, wenngleich auf kurze Sicht noch immer einige Risiken bestanden. Diese ergaben sich aus Engpässen in den globalen Lieferketten und steigenden Energiepreisen, die sich erstmals auch im Ausblick für die Inflation und die wirtschaftliche Erholung niederschlugen, sowie aus Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem weiteren Verlauf der Pandemie. Die Erträge der Unternehmen erholten sich im Jahr 2021 auf breiter Front. Allerdings war die Lage nichtfinanzieller Unternehmen, die von den pandemiebedingten Einschränkungen stärker betroffen und bereits vor der Pandemie höher verschuldet waren, noch immer fragil. Zugleich sorgten die erhöhten Schuldenstände der Staaten für Bedenken hinsichtlich der mittelfristigen Schuldentragfähigkeit. Anzeichen für überhöhte Bewertungen bei einigen Arten von Finanzanlagen und die dynamische Entwicklung an den Wohnimmobilienmärkten des Euroraums bedingten ebenfalls das Entstehen von Anfälligkeiten. Zudem sahen sich die Banken im Euroraum trotz eines Anstiegs ihrer Ertragskraft und Aktivaqualität nach wie vor strukturellen Herausforderungen gegenüber. Für Finanzinstitute außerhalb des Bankensektors bestand hingegen weiterhin ein erhöhtes Kredit- und Liquiditätsrisiko (siehe Schaubild 3.1).

Die Pandemie führte im Berichtsjahr sowohl bei Unternehmen als auch bei Staaten zu einem Verschuldungsanstieg. Jedoch wurden die Bedenken zur Tragfähigkeit der Staatsverschuldung durch die anhaltende Erholung und die günstigen Finanzierungsbedingungen, die zur Verringerung von Anschlussfinanzierungsrisiken beitrugen, abgemildert. Im Unternehmenssektor gingen die kurzfristigen Insolvenzrisiken zurück, da sich die Ertragsaussichten aufhellten und weiterhin staatliche Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden konnten, auch wenn diese zielgerichteter ausgestaltet waren. Einige Unternehmen blieben hingegen anfällig, insbesondere solche, die schon vor der Pandemie hoch verschuldet waren und Sektoren angehörten, die stärker unter den Pandemiefolgen zu leiden hatten. Perspektivisch könnte sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen dennoch weiter erhöhen, was mit einem Rückstau bei Gerichtsverfahren sowie mit dem allmählichen Auslaufen von Unterstützungsmaßnahmen zusammenhängt. Der Anstieg dürfte jedoch nicht so stark ausfallen wie in den frühen Phasen der Pandemie befürchtet. Vor dem Hintergrund des rasanten Wachstums der Wohnimmobilienmärkte erreichte die jährliche Preissteigerungsrate bei Wohnimmobilien im September 2021 die Marke von 9 %. Diese Entwicklung trug dazu bei, dass sich die geschätzten Überbewertungen in einigen Ländern weiter erhöhten. Der Preisauftrieb bei Wohnimmobilien war sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum zu beobachten. In einigen Ländern trugen die Lockerung der Kreditvergabestandards sowie eine hohe und steigende Verschuldung der privaten Haushalte ebenso zu erhöhten mittelfristigen Anfälligkeiten bei. Dank niedriger Zinsen können sich Kreditnehmer eine günstige Finanzierung über eine längere Laufzeit sichern, wodurch sich die Anschlussfinanzierungsrisiken verringern und Schuldendienstprobleme gemindert werden. Allerdings stellt die höhere Verschuldung in allen Sektoren perspektivisch eine Anfälligkeit dar, insbesondere im Falle steigender Finanzierungskosten und eines unerwartet schwachen Wirtschaftswachstums.

Überhöhte Bewertungen machten einige Märkte anfällig für Korrekturen

An den Finanzmärkten herrschte 2021 eine allgemein positive Risikoeinschätzung vor. Dennoch erhöhten sich die Bewertungen in einigen Marktsegmenten, da die Anleger in einem Umfeld niedriger Realzinsen auf der Suche nach höheren Renditen waren. Die Aktienmärkte befanden sich vor dem Hintergrund deutlich gestiegener Gewinnerwartungen und nach wie vor günstiger Finanzierungsbedingungen weiter im Höhenflug. Die Emissionen von renditestarken Unternehmensanleihen erreichten einen Rekordstand, und zugleich war eine Einengung der Spreads zu beobachten. Dies deutet auf eine hohe Risikoneigung der Anleger hin. Indes schienen bestimmte Anlageklassen überhöhte Bewertungen aufzuweisen, denn die an den Aktienmärkten bereits laufende Rally gewann nach den Nachrichten über die Entwicklung von Impfstoffen weiter an Dynamik. Dabei spielten möglicherweise Hebelfinanzierungen eine wichtige Rolle. Ein Volatilitätsanstieg hätte also eventuell zu umfangreichen konzentrierten Verlusten geführt.

Banken standen trotz verbesserter Ertragslage weiterhin vor strukturellen Herausforderungen

Im Jahr 2021 kehrten die Gewinne der Banken im Euroraum wieder in die Nähe ihres Vorpandemieniveaus zurück. Ursächlich hierfür waren niedrigere Aufwendungen im Zusammenhang mit Kreditausfällen sowie hohe Erträge im Investmentbanking. Aufgrund der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen und der wirtschaftlichen Erholung konnte eine höhere Aktivaqualität aufrechterhalten werden, als es zu Beginn der Pandemie erwartet worden war. Da die Banken weitere Fortschritte bei der Veräußerung notleidender Kredite erzielten, sank der Anteil dieser Kredite auf einen Stand, der zuletzt vor der Weltfinanzkrise verzeichnet wurde. Auf der Passivseite der Bilanz gaben die Banken die negativen Einlagenzinsen verstärkt an ihre Kunden weiter. Gleichzeitig gingen im ersten Halbjahr 2021 die regulatorischen Eigenkapitalquoten in aggregierter Betrachtung leicht zurück. Die im Juli 2021 veröffentlichten Ergebnisse des Stresstests der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Aufhebung einer Empfehlung der EZB, wonach alle Banken ihre Dividendenausschüttungen aussetzen oder begrenzen sollten[36], sorgten dafür, dass die Marktstimmung gegenüber Banken im Euroraum günstig blieb. Die zukünftige Ertragskraft der Banken wird vom Verlauf der wirtschaftlichen Erholung und vom Pandemiegeschehen abhängen. Die Bedenken bezüglich der Aktivaqualität könnten zum Teil wieder in den Vordergrund treten, wenn die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen weiterhin allmählich eingestellt werden. Auch im aktuellen Berichtsjahr bargen die strukturellen Probleme aus den Zeiten vor der Pandemie – darunter die niedrige Kosteneffizienz und begrenzte Ertragsdiversifizierung sowie Überkapazitäten und schrumpfende Margen im vorherrschenden Niedrigzinsumfeld – unterschiedliche Herausforderungen für die Banken.

Erhöhte Kreditrisikonahme im Nichtbankenfinanzsektor bei geringer Ausstattung mit liquiden Vermögenswerten

Finanzinstitute außerhalb des Bankensektors, wie Investmentfonds, Versicherungsgesellschaften und Pensionseinrichtungen, die eine wichtige Finanzierungsquelle für die Realwirtschaft darstellen, erhöhten im Jahr 2021 weiter ihren Bestand an Anleihen von geringerer Qualität. Das mit diesen Anleihen verbundene Kreditrisiko wurde in der kurzen Frist eingedämmt, da die Anfälligkeiten im Unternehmenssektor abnahmen. Allerdings waren Nichtbanken nach wie vor dem Risiko erheblicher Kreditverluste im Falle einer Verschlechterung der Lage im Unternehmenssektor ausgesetzt. Bei den Investmentfonds wurde das zunehmende Kreditrisiko noch durch das hohe Liquiditätsrisiko verschärft. Dieses ergab sich aus den niedrigen Beständen an Barmitteln und liquiden Vermögenswerten, die den Investmentfondssektor anfällig gegenüber umfangreichen Mittelabzügen der Anleger machen. Da die Duration der Risikoengagements dieser Fonds weiter gestiegen ist, weisen die Portfolios eine höhere Anfälligkeit gegenüber Bewertungsverlusten auf, die im Falle eines signifikanten weltweiten Renditeanstiegs zu Buche schlügen. Sollten Bewertungsverluste die Anleger zu umfangreichen Mittelabzügen veranlassen, wären die Fondsgesellschaften angesichts ihrer geringen Liquiditätspuffer möglicherweise gezwungen, Vermögenswerte zu veräußern. Dies könnte wiederum zu einem negativen Rückkoppelungseffekt zwischen Vermögenspreisen und Mittelabzügen führen. Die Aussichten für die Ertragskraft und die Kreditratings von Versicherungsgesellschaften verbesserten sich im Berichtsjahr. Unterstützend wirkten hierbei die günstigen Entwicklungen im Hinblick auf Nachfrage, Preisgestaltung und Kosteneinsparungen.

Zusätzlich zu den sektorspezifischen Risiken ergaben sich 2021 durch den Klimawandel erhebliche und zunehmend akute Mehrfachrisiken für die Finanzstabilität im Euroraum. Die von der EZB im Verlauf des Berichtsjahrs durchgeführten Analysen[37] zeigen deutlich, dass die klimabezogenen Risiken für Banken, Investmentfonds und Versicherungsgesellschaften im Euroraum erheblich sein könnten, insbesondere wenn der Klimawandel nicht in geordneter Art und Weise eingedämmt wird. Alle Akteure müssen ihre Risiken steuern, die aus dem Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft sowie aus physischen Gefahren im Zusammenhang mit extremen Wetter- und Klimaereignissen erwachsen. Bisherigen Analysen der EZB zufolge treten diese Risiken besonders konzentriert in bestimmten Sektoren und Regionen sowie bei einzelnen Banken auf, was die Stabilität des Finanzsystems zusätzlich gefährdet. Allerdings sind noch zeitliche, datentechnische und methodische Lücken zu schließen, um die sich aus dem Klimawandel ergebenden Risiken umfassender zu untersuchen.

Schaubild 3.1

Wesentliche Schwachstellen in Bezug auf die Finanzstabilität im Euroraum

Quelle: EZB.
Anmerkung: Einschätzung der Finanzstabilität per 17. November 2021. ICPFs: Versicherungsgesellschaften und Pensionseinrichtungen. IFs: Investmentfonds.

3.2 Makroprudenzielle Politik: Sicherung einer störungsfreien Kreditversorgung und Eindämmung entstehender Anfälligkeiten

Makroprudenzielle Maßnahmen als Schlüsselinstrument zur Bekämpfung von Schwachstellen im Finanzsystem

Mithilfe makroprudenzieller Maßnahmen können wachsende Anfälligkeiten im Finanzsektor eingedämmt werden, sodass dessen Widerstandskraft steigt. Die makroprudenzielle Politik trägt somit dazu bei, auch in Krisenzeiten wie etwa während der Covid-19-Pandemie eine störungsfreie Kreditversorgung der Wirtschaft sicherzustellen. In diesem Zusammenhang obliegt der EZB die Überprüfung der makroprudenziellen Eigenkapitalanforderungen für Banken, die von den nationalen Behörden der an der europäischen Bankenaufsicht teilnehmenden Länder geplant werden. Insbesondere ist die EZB befugt, bei Bedarf strengere Maßnahmen zu ergreifen.[38]

Im Rahmen ihrer neuen geldpolitischen Strategie bezieht die EZB bei ihren geldpolitischen Beratungen nunmehr verstärkt Finanzstabilitätsaspekte mit ein. Hierdurch wächst die Bedeutung des makroprudenziellen Handlungsfeldes.[39] Finanzstabilität ist eine Voraussetzung für Preisstabilität, denn Finanzkrisen führen zu einer Beeinträchtigung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus und bei den Banken zu einer übermäßigen Verringerung des Kreditvolumens im Verhältnis zum Eigenkapital, was sich wiederum negativ auf das Wirtschaftswachstum und die Inflationsaussichten auswirkt. Umgekehrt kann ein lockerer geldpolitischer Kurs über unterschiedliche Wirkungskanäle[40] die Finanzstabilität fördern. Er könnte aber auch systemische Risiken entstehen lassen, die es aus makroökonomischer Sicht zu berücksichtigen und zu überwachen gilt. Die makroprudenzielle Politik bekämpft Finanzstabilitätsrisiken und somit auch solche Risiken, die sich aus den unerwünschten Effekten einer geldpolitischen Expansion ergeben. Auf diese Weise ermöglicht sie es der Geldpolitik, sich auf ihr vorrangiges Ziel, nämlich die Wahrung von Preisstabilität, zu konzentrieren. Die neue geldpolitische Strategie der EZB sieht vor, dass im Rahmen der monetären und finanziellen Analyse in regelmäßigen Abständen eine eingehende Prüfung der Wechselwirkungen zwischen Geldpolitik und Finanzstabilität durchgeführt wird, deren Ergebnisse der EZB-Rat bei den geldpolitischen Sitzungen in seine Überlegungen einbezieht.

Die gegenwärtigen Risiken für die Stabilität des Finanzsystems ergeben sich aus Anfälligkeiten aufgrund zunehmend hoher Bewertungen an den Immobilien- und den Finanzmärkten, der anhaltenden Risikobereitschaft von Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors und der erhöhten öffentlichen wie auch privaten Verschuldung.[41] Eine restriktiver ausgerichtete makroprudenzielle Politik könnte manche dieser Schwachstellen, insbesondere an den Immobilienmärkten einiger Länder, beseitigen und die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors insgesamt stärken. Darüber hinaus wird eine Verbesserung des regulatorischen Rahmens für Nichtbanken sowie die Kontrolle von Klimarisiken dazu beitragen, die langfristige Widerstandskraft des gesamten Finanzsystems weiter zu erhöhen.

Makroprudenzielle Politik während der Pandemie

Wahrung der Finanzstabilität in der Pandemie mithilfe sektorspezifischer Maßnahmen

Nach Ausbruch der Pandemie war es das Ziel der makroprudenziellen Behörden, die Banken bei der Abfederung von Verlusten zu unterstützen und ihnen die Bedienung der Kreditnachfrage zu ermöglichen. Hierzu setzen sie insgesamt über 20 Mrd € an hinterlegtem Eigenkapital aus den Anforderungen für den antizyklischen Kapitalpuffer und den systemischen Risikopuffer frei.[42] Hinzu kamen Maßnahmen seitens der EZB-Bankenaufsicht, die den Instituten vorübergehende Kapitalerleichterungen und operative Flexibilität gewährten und zugleich die Ausschüttung von Dividenden einschränkten.[43] Die EZB überwachte im Berichtsjahr weiterhin die Wirksamkeit der prudenziellen Maßnahmen und Eigenkapitalvorschriften im Hinblick auf die Sicherung einer störungsfreien Kreditversorgung während der Pandemie. EZB-Analysen zeigen, dass die Entlastungen beim Eigenkapital tatsächlich eine Erhöhung des Kreditangebots bewirkten (siehe Kasten 4).

Angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Erholung und weiter zunehmender mittelfristiger Anfälligkeiten, insbesondere an den Wohnimmobilienmärkten, wurde der makroprudenzielle Kurs ab Mitte des Berichtsjahrs allmählich und zielgerichtet gestrafft. In bestimmten Ländern, in denen die Anfälligkeiten ausgeprägter waren und die wirtschaftliche Erholung bereits weiter vorangeschritten war, wurden in Übereinstimmung mit der Bewertung der EZB neue makroprudenzielle Maßnahmen eingeführt bzw. bestehende Maßnahmen verschärft. Die zuständigen Behörden von Bulgarien und Estland erhöhten jeweils den antizyklischen Kapitalpuffer.[44] In Litauen wurde ein sektoraler Systemrisikopuffer von 2 % eingeführt, um den Risiken am Wohnimmobilienmarkt zu begegnen.[45] Belgien, Estland und Frankreich verlängerten den Anwendungszeitraum für ihre gemäß Artikel 458 der Eigenkapitalverordnung festgelegten makroprudenziellen Maßnahmen. Darüber hinaus wurde in den Niederlanden beschlossen, zum 1. Januar 2022 eine Risikogewichtsuntergrenze[46] für Wohnimmobilienkreditportfolios von Banken einzuführen, die ihre Eigenkapitalanforderung mithilfe des auf internen Ratings basierenden Ansatzes (IRB-Ansatz) berechnen.[47]

Die EZB prüfte die ihr im Verlauf des Berichtsjahrs angezeigten makroprudenziellen Maßnahmen und erhob keine Einwände, da sie befand, dass die Beschlüsse im Einklang mit ihrer eigenen Bewertung standen. Sofern sich keine Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum manifestieren, scheint eine weitere Straffung der makroprudenziellen Politik angezeigt, um die wachsenden mittelfristigen Anfälligkeiten zu beseitigen.[48] Vor diesem Hintergrund ist die EZB bereit, striktere makroprudenzielle Maßnahmen als die von den nationalen Behörden beschlossenen zu ergreifen, sollten sich die nationalen Maßnahmen als unzureichend erweisen oder sollte eine weitere Verstärkung der Anfälligkeiten zu erwarten sein.

Die EZB ist darüber hinaus an Initiativen zur Verbesserung der makroprudenziellen Überwachung beteiligt. So wird sie 2022 an der Überprüfung des makroprudenziellen Rahmens für Banken mitwirken, indem sie eine Antwort auf das Konsultationsersuchen der Europäischen Kommission verfasst. Ihre Position wird sie dabei mit dem ESRB und der EBA abstimmen.[49] Die EZB setzt sich zudem in den einschlägigen Foren weiterhin für die Entwicklung eines makroprudenziellen Ansatzes für Finanzinstitute außerhalb des Bankensektors ein (siehe Kasten 5).

Zusammenarbeit mit dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB)

Das Sekretariat des ESRB erhielt auch im aktuellen Berichtsjahr analytische, statistische, logistische und administrative Unterstützung von der EZB.[50] Die EZB unterstützte den ESRB in allgemeiner Form bei seinen Arbeiten, insbesondere jenen a) zu den Auswirkungen der während der Pandemie ergriffenen fiskalischen Unterstützungsmaßnahmen auf die Finanzstabilität[51], b) zu den Herausforderungen der makroprudenziellen Politik im Niedrigzinsumfeld[52], c) zur Entwicklung von Risikokennzahlen für Finanzinstitute außerhalb des Bankensektors (siehe Kasten 5)[53] und d) zu Finanzstabilitätsrisiken, die sich aus den Klimawandel begünstigenden Faktoren ergeben[54]. Des Weiteren führte die EZB den Vorsitz in der für Stresstests eingerichteten Task Force des ESRB[55] und hatte eine aktive Rolle in einigen weiteren Arbeitsgruppen des ESRB, darunter einem Team, das eine Antwort auf das Konsultationsersuchen der Europäischen Kommission zur 2022 geplanten Überprüfung des makroprudenziellen Rahmens der EU verfasste, einer Gruppe von Fachleuten für die Operationalisierung eines Rahmens zur makroprudenziellen Ausrichtung[56], einer Task Force, in der die Auswirkungen sich überschneidender Kapitalanforderungen analysiert wurden[57], und der European Systemic Cyber Group, die eine makroprudenzielle Strategie zur Bewertung systemischer Cyberrisiken ausarbeitet.

Weitere Informationen zum ESRB finden sich auf dessen Website und in den Jahresberichten.

Kasten 4
Bankensektor: Kapitalpuffer und Kreditvergabe an nichtfinanzielle Unternehmen während der Pandemie

Ein Kernziel der Basel-III-Rahmenregelungen zu den Kapitalpuffern besteht darin, die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass das Bankensystem während einer Krise die Kreditvergabe einschränkt. Aus diesem Grund wurde in den Basel-III-Standards und auch in deren europäischer Umsetzung die kombinierte Kapitalpufferanforderung (CBR)[58] eingeführt. Sie ist von den Banken in wirtschaftlich guten Zeiten zu erfüllen. Das auf diese Weise zusätzlich hinterlegte Kapital kann in Abschwungphasen verwendet werden, um Verluste abzufedern und die Nachfrage nach Krediten weiter zu bedienen. Allerdings gelten für die Nutzung des Kapitals aus der CBR bestimmte Einschränkungen, vor allem in Form des ausschüttungsfähigen Höchstbetrags. Dieser begrenzt die Dividendenzahlungen, Aktienrückkäufe und Bonuszahlungen der Banken.[59]

Einige Faktoren könnten Banken von der Inanspruchnahme der Kapitalpuffer abhalten. Potenziell abschreckend könnten beispielsweise die Beschränkungen für Dividendenausschüttungen wirken oder die Gefahr einer Stigmatisierung durch den Markt aufgrund der geringeren Kapitalquoten, denn diese implizieren eine schlechtere Zahlungsfähigkeit. Letztendlich könnten Banken, die nicht bereit sind, Kapital aus der CBR zu verwenden, bei einem tatsächlichen oder zu erwartenden Verlust von Kapital ihre Kreditvergabe einschränken, statt eine niedrigere CET1-Quote in Kauf zu nehmen. Somit käme es in Krisenzeiten zur Kreditrationierung, was dem beabsichtigten Ziel des Regelungsrahmens genau entgegenstünde. Deshalb können die makroprudenziellen Behörden beschließen, die kombinierte Kapitalpufferanforderung zu verringern, indem sie einige ihrer Komponenten, z. B. den antizyklischen Kapitalpuffer[60] oder den Systemrisikopuffer,[61] herabsetzen.

Am Beispiel der Corona-Pandemie und der durch sie bedingten Eigenkapitalmaßnahmen lässt sich die Reaktion der Banken und deren Bereitschaft zur Ausschöpfung freigesetzter Puffer nachverfolgen. Die Banken im Euroraum wiesen zu Beginn der Pandemie relativ hohe Eigenkapitalquoten auf, die durch außerordentliche politische Maßnahmen zusätzlich gestützt wurden. So konnte das Bankensystem des Euroraums in seiner Gesamtheit den deutlichen Anstieg der Kreditnachfrage im Unternehmenssektor bewältigen. Zugleich lässt sich anhand der Reaktionen der einzelnen Banken auf die von der Politik ergriffenen Maßnahmen die Wirksamkeit von zwei wichtigen Merkmalen des makroprudenziellen Rahmens untersuchen. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass der Bankensektor nicht zuletzt dank einer Reihe von Unterstützungsmaßnahmen von schwerwiegenden Verlusten verschont geblieben ist. Erstens ermöglicht die Reaktion der Banken auf die Herabsetzung der Pufferanforderungen und die Gewährung sonstiger Kapitalerleichterungen Aussagen darüber, wie wirksam eine Lockerung derartiger Verpflichtungen in Zeiten von Stress sein kann. Zweitens erlaubt das Verhalten von Banken mit einer Kapitalunterlegung knapp oberhalb der CBR Rückschlüsse darauf, ob bzw. inwieweit die Banken geneigt sind, die freigesetzten Puffer auszunutzen.

Die Lockerung der Pufferanforderungen und anderweitige Entlastungen beim Eigenkapital wirkten sich 2020 positiv auf die Kreditvergabe an Unternehmen aus, insbesondere bei Banken mit einer Kapitalunterlegung nahe der CBR.[62] Während der Pandemie setzten die makroprudenziellen Behörden die kombinierte Kapitalpufferanforderung herab, indem sie einen niedrigeren antizyklischen Kapitalpuffer und Systemrisikopuffer festlegten. Des Weiteren wurde die Zusammensetzung der Säule-2-Anforderung dahingehend vorzeitig geändert, dass der zur Erfüllung der Anforderung vorgeschriebene Anteil an hartem Kernkapital (CET1), d. h. des Kapitals von höchster Qualität, gesenkt wurde. Banken, die von dieser Maßnahme profitierten, vergaben 2020 im Vergleich zu anderen Banken 3,1 % mehr Unternehmenskredite zu Zinsätzen, die 7 Basispunkte unter denen anderer Banken lagen. Dieser Effekt trat bei Instituten mit einer Kapitalunterlegung knapp oberhalb der CBR stärker zutage. Hierin zeigt sich, dass Banken lediglich Kapital verwenden, das sie nicht zur Erfüllung der CBR benötigen (siehe Abbildung A).

Eine Kapitalunterlegung knapp oberhalb der CBR verringerte die Kreditvergabe an Unternehmen, womit sich abermals die Zurückhaltung der Banken bestätigt, das zur Erfüllung der CBR erforderliche Kapital anzutasten. In einer ökonometrischen Analyse für das Jahr 2020 konnte gezeigt werden, dass bei Banken mit einer Kapitalunterlegung nahe der CBR der Anstieg des Kreditwachstums um ganze 2,7 Prozentpunkte niedriger ausfiel als bei anderen Banken. Dies deutet darauf hin, dass die Institute bei der Nutzung ihrer Kapitalpuffer eher zögerlich sind.

Der niedrigere Anstieg des Wachstums der Kreditvergabe von Banken mit einer Kapitalunterlegung nahe der CBR resultierte in stärkeren Kreditbeschränkungen für nichtfinanzielle Unternehmen. Unternehmen, die vor Ausbruch der Pandemie mehr als 75 % ihrer Kredite von Banken erhalten hatten, die ihre CBR knapp erfüllten, nahmen während der Pandemie 5,3 % weniger Kredite auf als andere Unternehmen. Dieser Wert stieg bei Firmen mit nur einem Kreditgeber aus dieser Gruppe auf 7 %. Dies lässt vermuten, dass es in Krisenzeiten für Unternehmen schwierig ist, neue Kreditgeber zu finden, und zeigt, wie wichtig die Kapitalpositionen der Banken im Hinblick auf den Zugang der Kunden zu Finanzierungsmitteln sind.

Das Verhalten der einzelnen Banken während der Pandemie legt den Schluss nahe, dass die Institute im Allgemeinen positiv auf die Freisetzung von Kapitalpuffern und anderweitige Entlastungen beim Eigenkapital reagieren, sie jedoch bei der Inanspruchnahme der eigentlichen Puffer zurückhaltend sind. Die Lockerung der Eigenkapital- und Pufferanforderungen unterstützte die Kreditvergabe an Unternehmen, da sich die über die CBR hinausgehende Kapitalunterlegung erhöhte. Dies zeigt, dass eine Herabsetzung der Kapitalpuffer das potenziell prozyklische Verhalten des Bankensystems in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eindämmen kann. Das Verhalten von Banken, denen nach Erfüllung der CBR nur begrenzt Kapital zur Verfügung steht, könnte ein Hinweis darauf sein, dass das reibungslose Funktionieren der Eigenkapitalregelungen unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten beeinträchtigt ist. Allerdings sind noch weitere Forschungsarbeiten notwendig, u. a. zu den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen, um die in diesem Kasten dargestellten Erkenntnisse noch genauer zu prüfen und zu untermauern und um allgemeinere Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Abbildung A

Kapitalerleichterungen stützen Kreditangebot

Geschätzte Effekte der Kapitalerleichterungen für Banken, aufgeschlüsselt nach Abstand der Kapitalunterlegung zur CBR

(links: Veränderung des Kreditvolumens in %; rechts: Veränderung der Kreditzinsen in Prozentpunkten)

Quellen: EZB-Daten aus AnaCredit, Daten der EZB-Bankenaufsicht und EZB-Berechnungen.

Kasten 5
Ein makroprudenzieller Ansatz für den Nichtbankenfinanzsektor

Der Nichtbankenfinanzsektor ist über weite Strecken des letzten Jahrzehnts schneller gewachsen als der Bankensektor. Die Finanzaktiva von Versicherungsgesellschaften, Pensionseinrichtungen, Investmentfonds und Geldmarktfonds im Euroraum lagen Ende 2021 bei insgesamt rund 32 Billionen € und haben sich damit seit der Weltfinanzkrise im Jahr 2008 mehr als verdoppelt.[63] Darüber hinaus hat sich der Nichtbankenfinanzsektor in diesem Zeitraum zu einer wichtigen Finanzierungsquelle für die Realwirtschaft entwickelt; sein Anteil an der Gesamtkreditvergabe an nichtfinanzielle Unternehmen verdoppelte sich ebenfalls von rund 15 % auf rund 30 %.[64] Da Nichtbanken für die Finanzierung der Realwirtschaft immer wichtiger werden und mit dem übrigen Finanzsystem stark verflochten sind, ist es dringend erforderlich, den in diesem Sektor entstehenden Risiken im Rahmen eines systemweiten Ansatzes zu begegnen.

Der Regelungsrahmen für Nichtbanken muss um eine makroprudenzielle Komponente erweitert werden.

Der makroprudenzielle Rahmen nimmt gegenwärtig vor allem den Bankensektor in den Blick, während die makroprudenzielle Perspektive im Regelungsrahmen für den Nichtbankenfinanzsektor weitgehend fehlt. Somit gibt es in diesem häufig intransparenten und stark verflochtenen Sektor weniger Sicherheitsmechanismen zum Schutz vor inhärenten Systemrisiken. Diese Risiken können bei einem wirtschaftlichen Aufschwung zunehmen, was mit der besonderen Struktur des Nichtbankenfinanzsektors und seiner im Vergleich zum Bankensektor weniger strengen Regulierung zusammenhängt. Tritt unerwartet ein wirtschaftlicher Schock ein oder verschlechtern sich die konjunkturellen Aussichten, besteht die Gefahr, dass Nichtbanken prozyklisch reagieren, indem sie bei bereits fallenden Märkten Vermögenswerte verkaufen und ihre Geschäftsaktivitäten zurückfahren. Dies führt zu einer Verschärfung der Finanzierungsbedingungen und zu verstärktem Stress im Finanzsystem.

Während der Finanzmarktturbulenzen im März 2020 wurde deutlich, dass Teile des Nichtbankenfinanzsektors nicht so widerstandsfähig waren, dass sie den wirtschaftlichen Schock abfedern konnten, ohne andere Finanzintermediäre und die übrige Wirtschaft durch Ansteckungseffekte zu gefährden. Schwachstellen des Sektors traten zutage, wie etwa Liquiditätsinkongruenzen bei Geldmarktfonds und Unternehmensanleihefonds sowie Liquiditätsrisiken aufgrund prozyklischer Ein- und Nachschusszahlungen. Die bestehenden Instrumente des Liquiditätsmanagements konnten den Stress nicht adäquat abmildern. Erst als im Euroraum und weltweit außergewöhnliche geldpolitische Maßnahmen ergriffen wurden, begann sich die Liquiditätslage etwas zu entspannen.

Diese Erfahrungen zeigen einmal mehr die Notwendigkeit, dass Aufsichtsbehörden einen ganzheitlichen und systemweiten Ansatz verfolgen und dabei die Rolle der unterschiedlichen Akteure im Finanzsystem bedenken und dass sie Maßnahmen zur Beseitigung struktureller Schwachstellen des Nichtbankenfinanzsektors prüfen und ausarbeiten. Dies deckt sich mit der Einschätzung des Financial Stability Board.[65] Die Ereignisse im März 2020 bestätigten darüber hinaus, dass die EU-weite Aufsicht über die Kapitalmärkte gestärkt werden muss. Dies würde die grenzüberschreitende Risikoüberwachung und die Abstimmung von Maßnahmen innerhalb Europas verbessern.

Die Entwicklung eines umfassenden makroprudenziellen Rahmens ist erforderlich, um die Widerstandsfähigkeit des Nichtbankenfinanzsektors zu erhöhen, sodass dieser nicht nur unter normalen Marktbedingungen, sondern auch unter Stress als stabile Finanzierungsquelle für die Realwirtschaft zur Verfügung steht. Hierdurch würde auch die Wirkung der geldpolitischen Transmission verstärkt. Derartige aufsichtliche Reformen sollten zudem dazu führen, dass außerordentliche Zentralbankinterventionen in Zukunft seltener erforderlich sind. Dies könnte wiederum helfen, potenzielle Bedenken zu mildern, die im Zusammenhang mit dem Handeln der Zentralbanken bestehen – beispielsweise im Hinblick auf Risiken für die öffentliche Hand und die Schaffung von Anreizen für Marktteilnehmer, übermäßige Risiken einzugehen.

Ein makroprudenzieller Rahmen für den Nichtbankenfinanzsektor sollte auf verschiedenen wesentlichen Grundsätzen beruhen. So bedarf es etwa aufgrund der Verflechtungen dieses Sektors einer systemweiten Perspektive. Dabei müsste vor allem seine Resilienz ex ante gestärkt werden, indem die Schockabsorptionsfähigkeit erhöht wird. Des Weiteren sollte der Ansatz die nötige Flexibilität bieten, um auf im Zeitablauf entstehende Risiken reagieren zu können. Zudem sollte er die Heterogenität des Nichtbankenfinanzsektors berücksichtigen und sich auf ein breites Spektrum an Akteuren und deren Tätigkeiten beziehen.

Einbettung der Reformen in international koordinierte Maßnahmen

Im Zuge international koordinierter Aktivitäten wurden im vergangenen Jahr beachtliche Fortschritte bei der Reform von Geldmarktfonds erzielt. Diese waren im März 2020 erheblich unter Druck geraten. Das Financial Stability Board hat Maßnahmenvorschläge auf internationaler Ebene vorgelegt, mit denen die Anfälligkeiten von Geldmarktfonds bekämpft werden sollen. Auch die EZB war an der Ausarbeitung beteiligt.[66] Die vorgeschlagenen Maßnahmen zielen darauf ab, die Widerstandsfähigkeit von Geldmarktfonds durch den Abbau von Liquiditätsinkongruenzen und Klippeneffekten, die sich aus einer möglichen Verletzung regulatorischer Anforderungen ergeben könnten, zu erhöhen. Die EZB hat sich auch an den Vorbereitungen für eine ESRB-Empfehlung zu Geldmarktfondsreformen beteiligt, die in die Überprüfung der Verordnung über Geldmarktfonds durch die Europäische Kommission im Jahr 2022 einfließen wird, und weitere Analysen der Reformvorschläge[67] veröffentlicht. Im nächsten Schritt gilt es, den Rahmen für offene Investmentfonds sowie für die Hinterlegung von Ein- und Nachschusszahlungen zu verbessern und die sich aus dem hohen Fremdkapitalanteil von Nichtbanken ergebenden Risiken anzugehen.

Die Maßnahmen für den übrigen Investmentfondssektor sollten sich vorrangig auf Liquiditätsinkongruenzen konzentrieren. Ein wichtiges Ziel ist sicherzustellen, dass der Liquiditätsgrad der Aktiva besser zu den Bedingungen passt, die für die Rücknahme von Fondsanteilen gelten. So könnte beispielsweise festgelegt werden, dass Rücknahmen weniger häufig stattfinden oder dass die Fonds über einen ausreichend hohen Bestand an liquiden Aktiva verfügen. Liquiditätssteuerungsinstrumente wie Swing Pricing oder Verwässerungsgebühren können diese Reformen zwar ergänzen, sie sind jedoch weniger wirksam bei der Beseitigung von Liquiditätsinkongruenzen.

Darüber hinaus ist es von entscheidender Bedeutung, die Risiken im Zusammenhang mit Hebelfinanzierungen im Nichtbankenfinanzsektor zu verstehen und anzugehen. Anfälligkeiten aufgrund von Hebelfinanzierungen lassen sich nur mithilfe weltweit einheitlicher Verschuldungskennzahlen überwachen und eindämmen. Es bedarf weiterer internationaler Analysen, die sich mit dem Ausmaß und der Verbreitung von Hebelfinanzierungen bei Nichtbanken befassen, wie sie sich unter anderem aus dem Einsatz von Derivaten zur Bildung synthetischer Risikoengagements ergeben. Diese Arbeiten können die politische Debatte über die Verringerung des Systemrisikos aus Hebelfinanzierungen im Nichtbankensektor bereichern.

Die internationalen Anstrengungen zur Regelung der Ein- und Nachschusszahlungen sollten darauf abzielen, deren Transparenz zu erhöhen, ihre überaus hohe Prozyklizität zu verringern und die Banken besser für Ein- und Nachschussforderungen zu wappnen.[68] Die Transparenz und Vorhersagequalität der Modelle, die sowohl zentrale Gegenparteien als auch Clearingmitglieder zur Bestimmung von Ein- und Nachschusszahlungen verwenden, sollte erhöht werden, damit Banken wie auch Nichtbanken besser auf Forderungen zur Hinterlegung solcher Zahlungen vorbereitet sind. Darüber hinaus sollten alle Arten von Nichtbanken über angemessene Rahmenregelungen für ihr Liquiditätsmanagement verfügen, damit sie die Ein- und Nachschussforderungen bewältigen können. So wird sich das Liquiditätsrisiko im gesamten Finanzsystem verringern, auch für Geldmarktfonds, die von den Marktteilnehmern aufgrund ihrer hohen Liquidität in Anspruch genommen werden, sowie für Investmentfonds, Versicherungsgesellschaften und Pensionseinrichtungen, die Derivate einsetzen und somit Ein- und Nachschussforderungen leisten müssen.

3.3 Mikroprudenzielle Aufsichtsaktivitäten zur Gewährleistung solider Finanzinstitute

Die EZB stellte einige der außerordentlichen Aufsichtsmaßnahmen wieder ein, die 2020 zur Abfederung des Pandemieschocks ergriffen worden waren

Im Verlauf des Berichtsjahrs verbesserten sich die konjunkturellen Aussichten. Daher kündigte die EZB an, einige der Aufsichtsmaßnahmen allmählich auslaufen zu lassen, die während der Pandemie die Versorgung der Realwirtschaft mit Bankkrediten aufrechterhalten sollten. Im Juli 2021 fasste die EZB den Beschluss, ihre bis zum 30. September 2021 geltende Empfehlung, wonach alle Banken ihre Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe aussetzen oder begrenzen sollten, nicht nochmals zu verlängern. Zugleich forderte sie die Banken auf, weiterhin umsichtig zu handeln und die Gefahr nicht zu unterschätzen, dass sich zusätzliche Verluste nach Auslaufen der Stützungsmaßnahmen auf das Eigenkapital auswirken könnten. Vor diesem Hintergrund nahm die EZB im Jahr 2021 verstärkt das Kreditrisiko in den Blick. Dabei ging es ihr insbesondere um eine adäquate Klassifizierung und Messung der Bilanzrisiken von Banken und um die Fähigkeit der Institute, zeitnah Lösungen für den Umgang mit Schuldnern in Zahlungsschwierigkeiten zu finden. Im Juni verlängerte die EZB die den Banken gewährte Entlastung bei der Verschuldungsquote bis zum März 2022. Dies geschah auch im Hinblick auf das außergewöhnliche geldpolitische Umfeld. Sämtliche Beschlüsse der EZB zu den aufsichtlichen Erleichterungen sowie zum Kreditrisiko als zusätzlichen Schwerpunkt der Aufsichtstätigkeit wurden den Banken und der allgemeinen Öffentlichkeit mithilfe von FAQs, Pressemitteilungen, Blogbeiträgen und Reden kommuniziert.

EZB-Stresstest für einige der größten europäischen Banken, Post-Brexit-Arbeiten, Abschluss von TRIM

Im Berichtsjahr unterzog die EZB einige der von ihr direkt beaufsichtigten großen und mittelgroßen Banken einem Stresstest. Die im Juli 2021 vorgelegten Ergebnisse zeigten, dass das Bankensystem im Euroraum in der Lage wäre, eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zu verkraften. Erstmals veröffentlichte die EZB dabei Informationen zu einzelnen Instituten, die unter ihrer direkten Aufsicht stehen, jedoch nicht im Rahmen des von der EBA koordinierten EU-weiten Stresstests geprüft werden. Zudem schloss die EZB die umfassende Bewertung (Comprehensive Assessment) von zwei italienischen Banken sowie einer estnischen und einer litauischen Bank ab, nachdem die Institute als bedeutend eingestuft worden waren. Die EZB unterzieht alle Banken, die ihrer direkten Aufsicht unterstellt bzw. voraussichtlich unterstellt werden, einem Comprehensive Assessment. Dieses besteht aus einem Stresstest und einer Prüfung der Aktivaqualität (Asset Quality Review – AQR). Das Comprehensive Assessment ergab, dass keines der vier Institute eine Kapitallücke aufwies. Dennoch wird von den Banken erwartet, dass sie die Ergebnisse der Prüfung berücksichtigen und Maßnahmen zur Beseitigung der im Zuge der AQR identifizierten Mängel ergreifen.

Ferner widmete sich die EZB auch 2021 diversen Arbeiten, die aus dem Brexit resultierten. Nach dem Ende des Übergangszeitraums am 31. Dezember 2020 (in dem das Vereinigte Königreich noch dem Unionsrecht unterlag) überwachte die EZB im Rahmen der laufenden Aufsicht weiterhin die vom Brexit betroffenen Banken im Hinblick auf die Umsetzung der Zielmodelle für die Zeit nach dem Brexit, um sicherzustellen, dass die zuvor vereinbarten Fristen eingehalten wurden. Gleichzeitig brachte sie ein sogenanntes „Desk Mapping“ auf den Weg. Hierbei handelt es sich um eine einheitliche Prüfung der Buchungsmodelle von in der EU neu errichteten Tochtergesellschaften internationaler Bankengruppen.

Des Weiteren schloss die EZB ihre gezielte Überprüfung interner Modelle (TRIM) ab. Seit Beginn des TRIM-Projekts im Jahr 2016 fanden insgesamt 200 Vor-Ort-Prüfungen bei 65 bedeutenden Instituten statt. Dabei wurden interne Modelle für das Kredit-, das Markt- und das Kontrahentenrisiko untersucht. Die Überprüfung zeigte in der Gesamtschau, dass die Banken ihre Eigenmittelanforderungen weiterhin auf Basis interner Modelle berechnen können, wobei es in einigen Fällen zusätzlicher Aufsichtsmaßnahmen bedarf. TRIM hat die Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit der auf Basis interner Modelle ermittelten Ergebnisse verbessert und dazu beigetragen, die nicht risikobedingte Variabilität der risikogewichteten Aktiva zu verringern.

Am 26. Juni 2021 übernahm die EZB die Aufsicht über die systemrelevanten Wertpapierfirmen in den an der europäischen Bankenaufsicht teilnehmenden Ländern. Seit 2021 gilt für Wertpapierfirmen ein neuer europäischer Regelungsrahmen, der die tatsächlichen Risiken, die von den unterschiedlichen Arten von Wertpapierfirmen übernommen werden, besser abbilden und eine wirksamere Aufsicht über diese Akteure des Finanzsystems ermöglichen soll. Die größten und systemrelevantesten Wertpapierfirmen sind verpflichtet, eine Banklizenz zu beantragen. Nach deren Erteilung unterstehen sie der EZB-Bankenaufsicht. Von der neuen Regelung sind Wertpapierfirmen betroffen, die wichtige Marktdienstleistungen sowie Investmentbanking-Dienstleistungen erbringen und daher – ähnlich wie Banken – dem Kredit- und dem Marktrisiko ausgesetzt sind.

Öffentliche Konsultationen zu verschiedenen Aufsichtsrahmen gestartet

Die EZB initiierte im Jahr 2021 mehrere öffentliche Anhörungen, um die Transparenz zu erhöhen und der Rechenschaftspflicht nachzukommen. Das erste Konsultationsverfahren bezog sich auf die Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit von Leitungsorganmitgliedern („fit and proper“-Bewertung). Nach dessen Abschluss aktualisierte und ergänzte die EZB den zugehörigen Leitfaden. In dem überarbeiteten Leitfaden werden die Grundsätze erläutert, anhand derer die EZB die Eignung von Leitungsorganmitgliedern der direkt beaufsichtigten Banken beurteilt, und die erweiterten aufsichtlichen Erwartungen dargelegt, die bezüglich der kollektiven Eignung von Leitungsorganen und der Rechenschaftspflicht einzelner Leitungsorganmitglieder bestehen. Ferner werden die Verfahren beschrieben, die bei einer erneuten Beurteilung – etwa aufgrund einer relevanten Veränderung der Sachlage – einzuhalten sind. Der Fragebogen für „fit and proper“-Bewertungen wurde ebenfalls angepasst, um in den an der Europäischen Bankenaufsicht teilnehmenden Ländern eine höhere Konvergenz in diesem Bereich zu erreichen.

Gegenstand des zweiten Konsultationsverfahrens war die Aktualisierung des harmonisierten Rahmens für die Nutzung von Optionen und Ermessensspielräumen, die das Unionsrecht der EZB bei der Bankenaufsicht gewährt. Mit dem Überarbeitungsvorschlag wollte die EZB vor allem den rechtlichen Änderungen Rechnung tragen, die sich seit der erstmaligen Veröffentlichung der Vorgaben im Jahr 2016 ergeben haben. Die meisten Anpassungen betrafen Optionen und Ermessensspielräume im Zusammenhang mit der Anwendung von Liquiditätsanforderungen. Die Konsultation deckte zahlreiche Aspekte der Aufsicht ab, darunter die Erlaubniserteilung an Banken, die ihr Kapital reduzieren wollen, die Behandlung bestimmter Risikopositionen bei der Berechnung der Verschuldungsquote sowie bestimmte Ausnahmen von der Obergrenze für Großkredite.

Das dritte Konsultationsverfahren betraf den Entwurf eines Leitfadens zur Anzeige von Verbriefungstransaktionen. Dieser konkretisiert, welche Informationen die EZB von den direkt beaufsichtigten Instituten erwartet, die als Originator oder Sponsor von Verbriefungstransaktionen agieren. Im Mai 2021 hatte die EZB ihren Beschluss angekündigt, sicherzustellen, dass die von ihr direkt beaufsichtigten Institute bei allen Verbriefungen die Anforderungen nach Artikel 6, 7 und 8 der EU-Verbriefungsverordnung zum Risikoselbstbehalt, zur Transparenz und zum Verbot der Wiederverbriefung einhalten. Der Beschluss erging, nachdem in der Verordnung einige Klarstellungen vorgenommen worden waren, die Teil des EU-Maßnahmenpakets für die Erholung der Kapitalmärkte sind und ausdrücklich besagen, dass die genannten Anforderungen prudenziellen Charakter haben und daher von den zuständigen Aufsichtsbehörden überwacht werden sollen.

Des Weiteren veröffentlichte die EZB die 2021 von ihr unterzeichneten Memoranda of Understanding im Bereich der Bankenaufsicht, wofür sie die jeweilige Zustimmung der anderen Behörde erhalten hatte.

Weitere Erläuterungen zum Thema Bankenaufsicht finden sich auf der Website der EZB-Bankenaufsicht sowie im EZB-Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2021.

3.4 Beitrag der EZB zu europäischen Initiativen

Anstrengungen zur Einleitung notwendiger regulatorischer Reformen fortgesetzt

Im Jahr 2021 wurden wichtige regulatorische Reformen auf den Weg gebracht bzw. abgeschlossen, die sicherstellen, dass das Finanzsystem den durch die Pandemie verursachten Schocks standhalten kann. Dessen ungeachtet sind noch beachtliche rechtliche und institutionelle Herausforderungen zu meistern, bis sich die Banken in Europa auf ein wirklich integriertes Rahmenwerk stützen können. So bedarf es zusätzlicher Anstrengungen bei der Vollendung der Bankenunion und Umsetzung des finalen Basel‑III‑Reformpakets, bei der Entwicklung der europäischen Kapitalmärkte und gleichzeitigen Stärkung des regulatorischen Rahmens für den Nichtbankenfinanzsektor, bei der Erarbeitung von Rechtsvorschriften für Kryptowerte und Stablecoins sowie beim Umgang mit Klimarisiken.

Vollendung der Bankenunion

Banken erwiesen sich während der Pandemie als widerstandsfähig, trotzdem sind weitere Anstrengungen zur Vollendung der Bankenunion erforderlich

Auch im zweiten Jahr der Pandemie profitierten die Banken innerhalb der Bankenunion von weitreichenden Stützungsmaßnahmen für die Realwirtschaft sowie von einem verbesserten Regulierungs- und Aufsichtsrahmen, der die Eigenkapitalposition der Institute stärkte. Nichtsdestoweniger muss die Bankenunion weiter vorangetrieben werden. Im Verlauf des Berichtsjahrs arbeitete die EZB wieder aktiv an der Entwicklung und Verbesserung zentraler Bestandteile der Bankenunion. Sie beteiligte sich am politischen Diskurs über die Schaffung eines europäischen Einlagensicherungssystems, die Stärkung der Fähigkeit von Banken, grenzüberschreitend innerhalb der Bankenunion tätig zu sein, die Minderung von Risiken und die Erweiterung des Krisenmanagementinstrumentariums sowie über die Verfügbarkeit von Refinanzierungsmöglichkeiten in Krisenzeiten. Wie in den vergangenen Jahren wirkte die EZB auch 2021 an den Monitoring Reports on Risk Reduction Indicators mit, die sie gemeinsam mit der Europäischen Kommission und dem Einheitlichen Abwicklungsausschuss (SRB) erstellt. Diese Berichte dienen als Informationsgrundlage für politische Entscheidungen zur Vollendung der Bankenunion.

Im Berichtsjahr legte die EZB bei ihren Arbeiten zur Vollendung der Bankenunion einen besonderen Schwerpunkt auf die Verbesserung des Rahmens für das Krisenmanagement. Sie brachte sich mit dem Dokument Contribution to the European Commission’s targeted consultation on the review of the crisis management and deposit insurance framework in die Debatte ein. Dieses enthält Verbesserungsvorschläge bezüglich des Umgangs mit Banken in Krisensituationen sowohl vor als auch nach Eintritt eines Zahlungsausfalls. Im Lauf des Jahrs 2021 verfolgte die EZB auch die technischen Arbeiten der europäischen Foren, die sich mit der Umsetzung des gemeinsamen Absicherungsmechanismus (Backstop) für den Einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) befassten, und trug aktiv zu diesen bei. Durch den gemeinsamen Absicherungsmechanismus werden die Ressourcen, die über den SRB für die Bankenabwicklung zur Verfügung stehen, verdoppelt, und somit wird der Rahmen für die Abwicklung von Banken weiter gestärkt.

Umsetzung des finalen Basel‑III‑Reformpakets

Die EZB begrüßt die Vorschläge der Kommission zur Umsetzung der Basel‑III‑Reformen in der Eigenkapitalverordnung und der Eigenkapitalrichtlinie

Die Umsetzung der Basel‑III‑Reformen trägt entscheidend dazu bei, die Mängel der bestehenden Rahmenregelungen zum aufsichtlichen Eigenkapital zu beheben und die langfristige Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems weiter zu erhöhen. Dank der internationalen Regulierungsinitiativen, die nach der Weltfinanzkrise gestartet wurden, ist das Finanzsystem nun besser gerüstet, schweren unerwarteten Schocks wie beispielsweise der Covid‑19‑Pandemie standzuhalten. Das finale Basel‑III‑Reformpaket soll die Mängel im bestehenden Regulierungsrahmen beseitigen; hierzu ist unter anderem die Einführung eines Output-Floors geplant.

Die EZB hat mehrfach die Bedeutung internationaler Standards für das Finanzsystem hervorgehoben. So wandte sie sich im September 2021 gemeinsam mit der EBA in einem offenen Brief an die Europäische Kommission und sprach sich darin für die vollständige, zeitnahe und einheitliche Umsetzung der finalen Basel‑III‑Reformen aus.[69] Das Schreiben unterstrich die früheren gegenüber der Kommission geäußerten Positionen von EZB und EBA und bestätigte die Einschätzung dieser beiden Institutionen, dass bei einer Umsetzung der Basel‑III‑Reformen gemäß den international getroffenen Vereinbarungen eine mäßige Belastung durch Übergangskosten zu erwarten ist, der ein weitaus höherer langfristiger wirtschaftlichen Nutzen gegenübersteht.[70]

Vor diesem Hintergrund begrüßte die EZB die am 27. Oktober 2021 veröffentlichten Vorschläge der Europäischen Kommission zur Umsetzung der finalen Basel‑III‑Reformen in der Neufassung der Eigenkapitalverordnung und der Eigenkapitalrichtlinie. Die Kommission entschied sich, den Output-Floor ausgehend von einem „Single Stack“-Ansatz so wie in Basel III festgelegt in der EU einzuführen. Allerdings sah der Vorschlag für bestimmte Fälle auch verschiedene Umsetzungsoptionen, Abweichungen von den vereinbarten Basel‑III‑Standards und lange Übergangszeiträume vor. Daher ist es möglich, dass einige Risiken weiterhin nicht hinreichend abgedeckt werden, was aus prudenzieller Sicht gewisse Bedenken aufwirft.[71] Hierzu wird sich die EZB in ihren nächsten Stellungnahmen zu den Gesetzgebungsvorschlägen genauer äußern.

Die Kapitalmarktunion voranbringen

Die EZB rief dazu auf, die Kapitalmarktunion voranzutreiben und insbesondere die EU-Klimaziele durch grüne Kapitalmärkte zu fördern

Auch 2021 betonte die EZB, dass die Kapitalmarktunion vorangetrieben werden müsse, vor allem mit Blick auf die Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie, die Anpassung an die Folgen des Brexit sowie die Finanzierung der Digitalisierung und klimafreundlicher Investitionen. In diesem Zusammenhang mahnte die EZB erneut zur vollständigen und unverzüglichen Umsetzung des 2020 veröffentlichten Aktionsplans der Europäischen Kommission für die Kapitalmarktunion und begrüßte die im November 2021 gebilligten Gesetzgebungsvorschläge. Zugleich drängte sie auf weitere Fortschritte. Zur Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion bedarf es vor allem der Beseitigung struktureller Hürden wie etwa nationale Unterschiede im Insolvenzrecht, beim Anlegerschutz und der Besteuerung. Zudem muss die grenzüberschreitende Aufsicht gestärkt werden. Einen besonderen Schwerpunkt legte die EZB auf grüne Kapitalmärkte. Im Macroprudential Bulletin vom Oktober 2021 und im Financial Stability Review vom November 2021 hob die EZB die zentrale Rolle der Kapitalmärkte bei der Erfüllung der EU-Klimaziele hervor. Die EZB machte deutlich, dass die weitere Entwicklung hin zu großen und integrierten grünen Kapitalmärkten nur gelingen kann, wenn Marktstrukturen und ‑standards durch entschlossenes Handeln verbessert werden, sodass sich die Fragmentierung und das Greenwashing-Risiko verringern und die Unterstützung des ökologischen Wandels durch den Unternehmenssektor sichergestellt ist. Der Weg zu klimafreundlichen Kapitalmärkten führt nicht zuletzt über Fortschritte bei der Kapitalmarktunion. In den Blickpunkt rücken sollten hierbei bestimmte Aspekte, die für grüne Märkte relevant sind, oder Maßnahmen zur Stärkung der aktienbasierten Finanzierung, um Innovationen zu beschleunigen.

Entwicklung eines Regulierungsrahmens für Kryptowerte und Stablecoins

Vorschlag der EZB zur Erhöhung bestimmter Anforderungen in der Verordnung über Märkte für Kryptowerte

Im Februar 2021 veröffentlichte die EZB eine Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCA-Verordnung). Sie sprach sich dafür aus, bestimmte prudenzielle Anforderungen sowie die Rolle der EZB und anderer relevanter Mitglieder des ESZB zu konkretisieren und zu stärken. In der Stellungnahme mahnte die EZB auch zur Zurückhaltung bei der Verwendung bestimmter Arten von Stablecoins für Zahlungszwecke. Sie plädierte für eine Verschärfung der prudenziellen Anforderungen für Emittenten von Stablecoins. Diese müssten zur Teilnahme an Stresstests verpflichtet werden und mindestens die in der Geldmarktverordnung festgelegten Liquiditätsanforderungen einhalten. Angesichts der grenzüberschreitenden Verwendung von Kryptowerten und Stablecoins forderte die EZB zudem eine Aufsicht auf Unionsebene, um eine umfassende Risikobeurteilung sicherzustellen und eine Fragmentierung zu vermeiden. Im November 2021 veröffentlichte die EZB ihre Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Verordnung zur Ausweitung der Rückverfolgbarkeitsanforderungen auf die Übertragung von Kryptowerten. Die EZB brachte sich außerdem weiterhin aktiv in die in internationalen Foren geführten Debatten zu Kryptowerten und Stablecoins ein.

Stärkung des Regulierungsrahmens für Nichtbanken

Die EZB beteiligte sich auch 2021 an europäischen und internationalen Debatten zur Frage, welche politischen Lehren aus den pandemiebedingten Marktturbulenzen im Nichtbankenfinanzsektor zu ziehen sind. In der im April 2021 veröffentlichten Ausgabe des Macroprudential Bulletin befasste sich die EZB speziell mit dem Nichtbankenfinanzsektor.[72] Sie untersuchte, welche Anfälligkeiten während der pandemiebedingten Turbulenzen zutage getreten waren, und sprach sich für einen makroprudenziellen Ansatz aus, mit dem die vom Nichtbankenfinanzsektor ausgehenden Systemrisiken auf angemessene Weise gemindert werden können. Im Juli 2021 veröffentlichte das Eurosystem seine Antwort im Rahmen eines Konsultationsverfahrens der ESMA zu Reformen für Geldmarktfonds in der EU. Es sprach sich für Reformen aus, die Geldmarktfonds widerstandsfähiger machen sollen, indem deren Liquiditätsinkongruenzen erheblich verringert werden.

EZB und Klimawandel – Beiträge zu politischen Debatten und zur Finanzregulierung

Die EZB überwachte klimabezogene Finanzstabilitätsrisiken und schuf das Fundament für evidenzbasierte Maßnahmen

Die EZB analysierte und überwachte weiterhin die sich aus dem Klimawandel ergebenden Risiken für das Finanzsystem und trug zu den auf europäischer und internationaler Ebene geführten Diskussionen bei. Gemeinsam mit dem ESRB veröffentlichte sie 2021 einen Bericht, der wichtige Analyseergebnisse enthält und die Grundlagen für evidenzbasierte zielgerichtete Politikmaßnahmen liefert.[73] Des Weiteren befasste sich die EZB im Macroprudential Bulletin vom Oktober 2021 mit den Risiken und Chancen des Klimawandels.[74] Die Beiträge beleuchteten die Herausforderungen bei der Abbildung von Klimarisiken im Regulierungsrahmen für Banken und gingen der Frage nach, ob auf makroprudenzieller Ebene Handlungsbedarf besteht. In der erwähnten Ausgabe des Macroprudential Bulletin wurde auch ein Ansatz für einen makroprudenziellen Stresstest vorgeschlagen, mit dem der Systemrelevanz von Klimarisiken Rechnung getragen wird.

Die EZB trug auch im Berichtsjahr zur Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmenwerks in der EU bei. Mit einer Stellungnahme zu einem Regulierungsvorschlag für europäische grüne Anleihen setzte sie Impulse für die politische Agenda der EU. Die EZB forderte darin, sich auf den European Green Bond Standard (EUGBS) zu verpflichten, der als Höchststandard innerhalb der EU etabliert werden sollte, sodass ein Markt für grüne Anleihen gemäß der Taxonomie der EU entsteht und Bedenken bezüglich Greenwashing verringert werden. Die EZB veröffentlichte zudem eine Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Sie begrüßte den Richtlinienvorschlag und sieht in diesem einen notwendigen Schritt, um die Verfügbarkeit, Qualität und Konsistenz von Nachhaltigkeitsdaten in der EU zu erhöhen und Datenlücken zu schließen, die bislang die Entwicklung eines angemessenen Regelungsrahmens für den Finanzsektor, der Nachhaltigkeitsmaßnahmen sowie die Risikobewertung und Risikoüberwachung abdeckt, verhindert haben.

4 Reibungsloser Betrieb der Marktinfrastrukturen und des Zahlungsverkehrs

Das Eurosystem spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung, beim Betrieb und bei der Überwachung der Marktinfrastrukturen und der Regelungen, die für Sicherheit und Effizienz im Zahlungsverkehr sowie bei Wertpapier- und Sicherheitentransaktionen im Euroraum sorgen. Darüber hinaus fördert das Eurosystem die Integration und Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs- und Wertpapiermarktes. Angesichts des digitalen Wandels, neuer regulatorischer Vorgaben und veränderter Nutzeranforderungen hat das Eurosystem die bestehenden Marktinfrastrukturen sowie die damit verbundenen Maßnahmen und Strategien überprüft und überarbeitet. In diesem Zusammenhang werden neue Technologien und digitale Währungen sowie Entwicklungen im Bereich der Krypto-Assets untersucht.

4.1 TARGET-Services

Die TARGET-Services des Eurosystems umfassen die folgenden drei Abwicklungsdienste: a) TARGET2, ein Echtzeit-Bruttozahlungssystem (RTGS-System) für die Abwicklung von Zahlungen in Euro im Zusammenhang mit den geldpolitischen Geschäften des Eurosystems sowie von Interbank- und Kundenzahlungen, b) TARGET2-Securities (T2S), eine einheitliche Plattform für die europaweite Wertpapierabwicklung, und c) TARGET Instant Payment Settlement (TIPS), eine Infrastruktur, die es Zahlungsdienstleistern ermöglicht, ihren Kundinnen und Kunden rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr Überweisungen in Echtzeit anzubieten.

TARGET2 wird von rund 1 000 Banken genutzt, um Transaktionen in Euro – entweder im eigenen Namen oder im Auftrag ihrer Kundinnen und Kunden – zu veranlassen. Insgesamt sind weltweit mehr als 43 000 Banken (einschließlich Zweigstellen und Tochterbanken) über TARGET2 erreichbar. Pro Tag wurden 2021 in TARGET2 im Durchschnitt 373 467 Zahlungen mit einem Gesamtwert von 1,87 Billionen € durchgeführt, was einem Anstieg des täglichen Transaktionsvolumens um 8,25 % gegenüber 2020 entspricht.[75]

2022 wird das Eurosystem TARGET2 durch die neue T2-Plattform ersetzen, die einerseits eine neue RTGS-Komponente und andererseits eine zentrale – und damit effizientere – Liquiditätsmanagement-Komponente umfasst. T2 wird den Nachrichtenstandard ISO 20022 verwenden und die Abwicklung von Zahlungen in unterschiedlichen Währungen ermöglichen.

Das Projekt zur Umsetzung von T2 ging Ende 2021 in die Nutzertestphase; die Inbetriebnahme der Plattform ist für November 2022 vorgesehen. Ein wesentlicher Bestandteil des Umsetzungsprojekts ist die Entwicklung des Zugangsportals zur Finanzmarktinfrastruktur des Eurosystems (ESMIG), das sämtlichen Teilnehmern als zentrale Schnittstelle für den Zugang zu – und damit für die wechselseitige Kommunikation mit – den TARGET-Services des Eurosystems dient. 2021 wurden außerdem die Vorbereitungsarbeiten für die Migration der TARGET-Services auf ESMIG fortgeführt.

Die T2S-Plattform wird von 20 Wertpapier-Zentralverwahrern aus 20 europäischen Finanzmärkten genutzt und ermöglicht die Abwicklung von Wertpapiertransaktionen in Euro und dänischer Krone. Pro Tag wurden 2021 von T2S im Durchschnitt 726 271 Transaktionen mit einem Gesamtwert von 691,10 Mrd € durchgeführt. An der Anbindung neuer Zentralverwahrer an T2S, insbesondere der Euroclear Bank, wird derzeit gearbeitet.

2020 wurde in T2S ein Sanktionsmechanismus eingeführt, der die an T2S teilnehmenden Zentralverwahrer bei der Erfüllung ihrer Pflichten gemäß Zentralverwahrerverordnung unterstützen soll (Stichwort: Abwicklungsdisziplin). Diese neue, komplexe Funktionalität wurde auch im Berichtsjahr im Hinblick auf das für Februar 2022 geplante Inkrafttreten der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung weiterhin getestet.

Europaweite Erreichbarkeit über TIPS

Im Lauf des Jahres 2021 setzte die EZB Schritte zur Sicherstellung der europaweiten Verfügbarkeit von Echtzeitzahlungen über TIPS. Die entsprechenden vom EZB-Rat Mitte 2020 beschlossenen Maßnahmen sehen etwa vor, dass 2 235 Zahlungsdienstleister, die bereits am SEPA-Überweisungssystem für Echtzeitzahlungen (SCT Inst) teilnehmen und über TARGET2 angebunden sind, künftig auch über ein TIPS-Konto erreichbar sein sollen, und zwar entweder als Teilnehmer oder als eine erreichbare Partei. Die Umsetzung dieser Maßnahme soll bis zum Ende des ersten Quartals 2022 erfolgen. Etwa zeitgleich werden alle elf automatisierten Clearinghäuser, die Echtzeitzahlungsdienste anbieten, ihre technischen Konten im Zuge eines dreistufigen Prozesses von TARGET2 auf TIPS migrieren. Da TIPS unterschiedliche Währungen unterstützt, bekundeten auch Zentralbanken außerhalb des Euroraums ihr Interesse daran, TIPS beizutreten. So wird die Sveriges riksbank im Rahmen der TIPS-Infrastruktur ab Mai 2022 elektronische Echtzeitzahlungen in schwedischer Krone abwickeln; spätestens ab November 2025 wird auch die Danmarks Nationalbank diesen Service – in dänischer Krone – anbieten. Anknüpfend an die Beschlüsse der Sveriges riksbank und der Danmarks Nationalbank zur Teilnahme an TIPS und Nutzung der Mehrwährungsfunktionalität des Dienstes meldete die Norges Bank ebenfalls Interesse an, TIPS beizutreten und Zahlungen in norwegischer Krone abzuwickeln.

2020 wurde mit Sondierungsarbeiten im Hinblick auf die potenzielle Umsetzung einer währungsübergreifenden Funktionalität für TIPS begonnen. Die EZB und die Sveriges riksbank kündigten im Juni 2021 an, dass beide Institutionen weiterhin prüfen werden, wie währungsübergreifende Echtzeitzahlungen in Euro bzw. schwedischer Krone über TIPS abgewickelt werden könnten.

Zusätzlich zu den drei Abwicklungsdiensten ist derzeit ein weiteres TARGET-Service in Entwicklung, das Eurosystem Collateral Management System (ECMS). Mit ECMS soll ein einheitliches Sicherheitenmanagement-System geschaffen werden, das die Verwaltung von Vermögenswerten, die als Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Eurosystems hinterlegt werden, für alle Euro-Länder ermöglicht. Die Inbetriebnahme von ECMS soll im November 2023 erfolgen, nachdem 2021 die Entwicklungsphase abgeschlossen und mit Abnahmetests durch das Eurosystem sowie Vorbereitungsarbeiten für die Anwendertests begonnen wurde. Priorität wurde 2021 auch der Bereitstellung der notwendigen Dokumentation für alle ECMS-Teilnehmer im Hinblick auf interne Systemanpassungen eingeräumt. Um einen gemeinsamen Wissensstand sicherzustellen und eine gezielte Vorbereitung zu erleichtern, wurden seitens des Eurosystems regelmäßig Workshops für Zentralverwahrer und Triparty Agents angeboten sowie laufend Informationen zum Projektfortschritt auf der EZB-Website veröffentlicht.

Kasten 6
Maßnahmen zur Behebung von Betriebsstörungen der TARGET-Services

Im Dezember 2020 beauftragte die EZB die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte mit der Durchführung einer unabhängigen Prüfung von fünf größeren (nicht die Cybersicherheit betreffenden) Betriebsstörungen, die 2020 bei den TARGET-Services in den Bereichen Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung verzeichnet wurden. Ziel der Prüfung war es, die grundlegenden Ursachen der Vorfälle zu identifizieren, allgemeinere Rückschlüsse zu ziehen und Empfehlungen für die folgenden sechs Schlüsselbereiche zu erarbeiten: a) Change- und Release-Management, b) Business-Continuity-Management, c) Failover- und Recovery-Tests, d) Kommunikationsprotokolle, e) Governance sowie f) Betrieb von Rechenzentren und IT-Systemen.

Der von Deloitte verfasste unabhängige Prüfbericht wurde am 28. Juli 2021 von der EZB veröffentlicht. Neben einer detaillierten Beschreibung der Vorfälle wurden in dem Bericht die daraus resultierenden Konsequenzen für die an die TARGET-Services angebundenen Teilnehmer dargelegt und die zugrunde liegenden Ursachen aufgezeigt. Auf Basis einer gründlichen Untersuchung der im Zuge der Störfälle befolgten Abläufe zeigte Deloitte zudem bestehende Schwachstellen auf und gab Empfehlungen zu deren Behebung ab.

In einer diesbezüglichen Stellungnahme nahm das Eurosystem die allgemeinen Schlussfolgerungen und Empfehlungen seitens Deloitte zur Kenntnis und verpflichtete sich, diese entschlossen umzusetzen.

In der zweiten Jahreshälfte 2021 erstellte das Eurosystem einen Aktionsplan, um die von Deloitte abgegebenen Empfehlungen in den aufgezeigten Problemfeldern aufzugreifen. Mit dem Aktionsplan wurde auch jenen Empfehlungen Rechnung getragen, die seitens der Überwachungsfunktion des Eurosystems und des Ausschusses für interne Revision in Bezug auf die Vorfälle aus dem Jahr 2020 ausgesprochen wurden. Das Eurosystem ist bemüht, Empfehlungen zu spezifischen TARGET-Services so umzusetzen, dass daraus ein gesamtheitlicher Nutzen über alle TARGET-Services hinweg entsteht – auch für die konsolidierte T2-T2S-Plattform, deren Inbetriebnahme für November 2022 vorgesehen ist.

Im Lauf des Jahres 2021 wurden bereits Maßnahmen zur Umsetzung einiger Empfehlungen vereinbart bzw. ergriffen; der Großteil der übrigen Maßnahmen soll 2022 zur Anwendung kommen. Um auch den Bedürfnissen der Marktteilnehmer Rechnung zu tragen, waren Letztere in die Erarbeitung gewisser Maßnahmen eingebunden. Zu diesem Zweck wurden entsprechende Sitzungen mit der Beratungsgruppe zu Marktinfrastrukturen für den Zahlungsverkehr (AMI-Pay), der Beratungsgruppe zu Marktinfrastrukturen für Wertpapiere und Sicherheiten (AMI-SeCo) und jener Lenkungsgruppe, die die Interessen der an T2S teilnehmenden Zentralverwahrer vertritt (CSG), organisiert. Diese Gruppen werden außerdem regelmäßig über den Fortschritt des Aktionsplans bis zu dessen vollständiger Umsetzung informiert.

Am 17. Dezember 2021 veröffentlichte die EZB eine Zusammenfassung des Aktionsplans, in der u. a. die jeweiligen Fristen für die Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen ausgewiesen sind.

4.2 Das Überwachungsmandat des Eurosystems und seine Rolle als emittierende Zentralbank

In Bezug auf Finanzmarktinfrastrukturen und Zahlungen im Euroraum definiert das Eurosystem entsprechende Überwachungsziele, indem es einschlägige Verordnungen, Standards, Leitlinien und Empfehlungen verabschiedet, deren Umsetzung überprüft und im Bedarfsfall Änderungen veranlasst. Als die den Euro ausgebende Zentralbank ist das Eurosystem außerdem in die kooperative Überwachung von Finanzmarktinfrastrukturen, die einen bedeutenden Teil ihrer Geschäfte in Euro abwickeln, sowie in das damit verbundene Krisenmanagement eingebunden.

Einen besonderen Schwerpunkt bildete 2021 die Prüfung der vom Eurosystem betriebenen TARGET2- und T2S-Infrastrukturen anhand der vom Eurosystem definierten Überwachungsstandards hinsichtlich Cyberresilienz (Cyber resilience oversight expectations). Ziel der Prüfung ist es, die Widerstandskraft beider Systeme gegenüber Cyberattacken weiter zu stärken. Zudem trug das Eurosystem über das Euro Cyber Resilience Board weiterhin zur Verbesserung der Cyberresilienz von Finanzmarktinfrastrukturen bei, indem es die praktische Umsetzung der Cyber Information and Intelligence Sharing Initiative (CIISI-EU) sowie die Einführung und Umsetzung des TIBER-EU-Rahmenwerks vorantrieb.

Im Rahmen der Überwachung von TARGET2 und T2S setzte das Eurosystem weitere Schritte, um die Umsetzung von Empfehlungen aus vorangegangen Prüfungen zu gewährleisten. Im Mittelpunkt standen hier insbesondere jene Faktoren, aufgrund derer es im Lauf des Jahres 2020 zu größeren Betriebsstörungen gekommen war. Um die Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Sinne eines reibungslosen T2S-Betriebs zu optimieren, trug das Eurosystem außerdem zur Arbeit an der Vereinbarung zur kooperativen Überwachung von T2S bei.

Der allgemeine Rahmen für die Überwachung systemrelevanter Zahlungsverkehrssysteme (SIPSs) wurde im Berichtsjahr aktualisiert: Nach Durchführung eines öffentlichen Konsultationsverfahrens schloss das Eurosystem seine Überprüfung der SIPS-Verordnung ab und veröffentlichte im April 2021 eine überarbeitete Fassung der Verordnung. Nachdem das Mastercard Clearing Management System als systemrelevant eingestuft worden war, leitete das Eurosystem ferner eine umfassende Prüfung von Mastercard ein, um dessen Konformität mit der SIPS-Verordnung zu beurteilen. Nicht zuletzt beaufsichtigte das Eurosystem die Inbetriebnahme eines Bruttoabwicklungsmodells für STEP2-T und beteiligte sich (unter Federführung der Federal Reserve) an der kooperativen Überwachung der Migration des CLS-Abwicklungssystems auf eine neue Plattform.

Überwachung von elektronischen Zahlungsinstrumenten, ‑verfahren und ‑mechanismen: PISA-Rahmen finalisiert

Im Zusammenhang mit seiner laufenden Überwachungstätigkeit im Hinblick auf Zahlungsinstrumente und Zahlungssysteme veröffentlichte das Eurosystem seinen siebten Bericht über Kartenbetrug. Am 15. November 2021 genehmigte der EZB-Rat die endgültige Fassung des Überwachungsrahmens des Eurosystems für elektronische Zahlungsinstrumente, ‑verfahren und ‑mechanismen (PISA-Rahmen). Der PISA-Rahmen dient dem Eurosystem zur Überwachung von Marktteilnehmern, die die Nutzung von Zahlungskarten, Lastschriften, Überweisungen, E-Geld-Transaktionen und digitalen Zahlungstoken ermöglichen bzw. unterstützen. Er soll den harmonisierten Überwachungsansatz und die harmonisierten Überwachungsstandards für Zahlungsverkehrsinstrumente und die damit verbundenen Überwachungsrahmen für Karten, Lastschriften und Überweisungen sowie die alten Sicherheitsziele für E-Geld ersetzen. Neben den herkömmlichen Zahlungsverfahren regelt das PISA-Rahmenwerk auch Verfahren für digitale Zahlungstoken sowie Zahlungsmechanismen, die Endnutzer bei der Durchführung von Werttransfers – etwa über elektronische Geldbörsen – unterstützen.

In seiner Rolle als emittierende Zentralbank wirkte das Eurosystem außerdem in gemäß Europäischer Marktinfrastrukturverordnung (EMIR) eingerichteten Aufsichtskollegien für zentrale Gegenparteien mit. In diesem Zusammenhang beurteilte das Eurosystem diverse Vorschläge zur Ausweitung der von zentralen Gegenparteien in der EU angebotenen Dienstleistungen sowie zu wesentlichen Änderungen ihrer Risikomanagementverfahren. Zudem beteiligte sich das Eurosystem an den von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) durchgeführten Überwachungstätigkeiten im Hinblick auf zentrale Gegenparteien aus Drittstaaten, die in der EU als systemrelevant gelten („Tier-2-CCPs“). Im Einklang mit Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe c der EMIR wurde hierbei auch überprüft, ob manche der von solchen Gegenparteien erbrachten Clearingdienstleistungen von so großer Systemrelevanz sind, dass zentrale Gegenparteien für die Erbringung solcher Clearingdienstleistungen für in der EU ansässige Clearingmitglieder und Handelsplätze nicht zugelassen werden sollten. Am 17. Dezember 2021 veröffentlichte die ESMA eine Erklärung[76], in der sie zu dem Schluss kam, dass die Kosten und Risiken, die mit der Entziehung der EMIR-Anerkennung von im Vereinigten Königreich ansässigen Tier-2-CCPs verbunden sind, gegenüber den Vorteilen für die EU aktuell überwiegen. In ihrer Erklärung schlug sie ferner eine Reihe von Maßnahmen zur Behebung der festgestellten Risiken und Schwachstellen vor.

Infolge der Verabschiedung der EU-Verordnung über einen Rahmen für die Sanierung und Abwicklung zentraler Gegenparteien trug das Eurosystem zur Ausarbeitung der entsprechenden regulatorischen Standards und Leitlinien der ESMA bei. Darüber hinaus war das Eurosystem in den Aufbau und die laufende Arbeit von grenzüberschreitenden Krisenmanagementgruppen eingebunden. Letztere werden für im Euroraum wie auch in Drittstaaten ansässige zentrale Gegenparteien mit dem Ziel eingesetzt, im Fall einer möglichen Abwicklung einer zentralen Gegenpartei entsprechend vorbereitet zu sein. Kernelement der Vorbereitungsarbeiten ist die Bewertung der Angemessenheit der finanziellen Mittel, die seitens der betroffenen zentralen Gegenpartei für die Deckung der Abwicklungsziele zur Verfügung stehen. Angesichts der erheblichen Liquiditätsrisiken, die sich aus einer unzureichenden Deckung ergeben würden, wird dieser Prüfung aus Sicht einer emittierenden Zentralbank ein hoher Stellenwert eingeräumt.

Im Jahr 2021 richteten internationale Normierungsgremien ihren Fokus weiterhin auf die Erkenntnisse aus der pandemiebedingten Stressphase für Finanzmarktinfrastrukturen. Als Folgemaßnahme zu der vom Finanzstabilitätsrat durchgeführten Untersuchung der Marktturbulenzen im März trug die EZB zur Arbeit diverser Gremien bei (darunter die Joint Working Group on Margin der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO), der Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen sowie der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht). Mit Blick auf über zentrale Gegenparteien abgewickelte Derivatgeschäfte in der EU führte die EZB eigene Analysen durch, um die Hauptgründe für erhöhte Einschusszahlungen während der Pandemie und die von zentralen Gegenparteien ergriffenen Maßnahmen zur Verringerung der Prozyklizität zu untersuchen.

Im Bereich der Wertpapierabwicklung war das Eurosystem in seiner Funktion als die den Euro emittierende Zentralbank an der laufenden Überprüfung und Bewertung von Zentralverwahrern mit Sitz in der EU gemäß Zentralverwahrerverordnung beteiligt. Das Eurosystem ist die einzige Behörde, die direkt in die Beurteilung sämtlicher im Euroraum (sowie gewisser außerhalb des Euroraums) ansässiger Zentralverwahrer involviert ist. In dieser Rolle trägt es maßgeblich zu einer sicheren und einheitlichen Vorgehensweise in diesem Bereich und damit auch zu ausgewogenen Wettbewerbsbedingungen für alle Zentralverwahrer bei. Nicht zuletzt war das Eurosystem 2021 in die Überprüfung der Zentralverwahrerverordnung eingebunden und die EZB veröffentlichte ihre Stellungnahme zu einer Pilotregelung für auf der Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen. Diese Pilotregelung ist eine der drei Komponenten des von der Europäischen Kommission vorgelegten Pakets zur Digitalisierung des Finanzsektors, das darauf abzielt, den Zugang zu innovativen Finanzprodukten bei gleichzeitiger Gewährleistung von Verbraucherschutz und Finanzstabilität zu erleichtern.

4.3 Innovation und Integration prägen Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr

Um das Innovationspotenzial der Digitalisierung auszuschöpfen und den zunehmenden Herausforderungen im Hinblick auf die Unabhängigkeit Europas am Zahlungsverkehrsmarkt zu begegnen, hat das Eurosystem eine umfassende Strategie für den Massenzahlungsverkehr erarbeitet.

Eines der Kernziele dieser Strategie besteht darin, die Entwicklung einer europaweiten Lösung für Massenzahlungen am Point of Interaction (POI), d. h. an physischen Verkaufsstellen sowie im mobilen und elektronischen Handel, zu fördern. Das Eurosystem begrüßt Initiativen zur Einführung neuer Zahlungslösungen, die den Zielsetzungen des Eurosystems entsprechen. Es steht in ständigem Dialog mit all jenen, die an bereits bestehenden oder möglichen neuen Zahlungslösungen beteiligt sind.

Eurosystem unterstützt flächendeckende Nutzung von Echtzeitzahlungen

Ein weiteres zentrales Vorhaben ist es, Echtzeitzahlungen für alle Privatpersonen und Unternehmen in Europa zur Verfügung zu stellen und als neuen Standard im Zahlungsverkehr zu etablieren. Ende 2021 wurden von 60 % der Zahlungsdienstleister, die SEPA-Überweisungen anbieten, auch SEPA-Echtzeitüberweisungen unterstützt; 10,4 % aller getätigten Überweisungen waren Echtzeitzahlungen. Damit Letztere verstärkt genutzt werden, dürften jedoch weitere Schritte erforderlich sein. Daher wurden 2021 Maßnahmen zur Gewährleistung der europaweiten Reichweite von Echtzeitzahlungen operativ umgesetzt (siehe Kapitel 4 Abschnitt 1). Zudem wird derzeit an einer Lösung für Echtzeitzahlungen an POIs mittels eines neu entwickelten QR-Code-Standards gearbeitet. Dieser soll künftig auch weitere Kommunikationstechnologien einschließen.

Um grenzüberschreitende Zahlungen über den Euroraum und die EU hinaus zu verbessern, ist das Eurosystem ferner in die Arbeiten der G 20 eingebunden und befasst sich mit der Abwicklung von währungsübergreifenden Echtzeitzahlungen über die TARGET-Services (siehe Kapitel 4 Abschnitt 1).

Darüber hinaus arbeitet das Eurosystem im Rahmen seiner Strategie für den Massenzahlungsverkehr an Verfahren zur elektronischen Identitätsfeststellung (eID) sowie Signatur (eSignature) mit dem Ziel, solche Lösungen für Zahlungsdienste zu etablieren. Um Erreichbarkeit und einheitliche Zugangsbedingungen zu gewährleisten, erhalten einige Zahlungsdienstleister außerhalb des Bankensektors als Kunden einer nationalen Zentralbank des Eurosystems Zugang zu gewissen SEPA-Zahlungsverkehrssystemen.

Parallel zu den im Zuge der Strategie für den Massenzahlungsverkehr verfolgten Zielen fördert die EZB die Entwicklung innovativer Zahlungsdienste mittels des sogenannten Open Banking. Dieses Konzept bietet Drittanbietern die Möglichkeit, dank offener Programmierschnittstellen (APIs) banknahe Dienste anzubieten. In diesem Zusammenhang hat sich das Euro Retail Payments Board (ERPB), ein hochrangiges von der EZB geleitetes Gremium zur Förderung eines integrierten, innovativen und kompetitiven Marktes für Euro-Massenzahlungen in der EU, für eine Standardisierung von APIs ausgesprochen. Des Weiteren setzte sich das Gremium für eine für die Banken- und Nicht-Banken-Seite gleichermaßen vorteilhafte Vereinbarung über ein breiteres Dienstleistungsspektrum ein. Auf Anfrage des ERPB begann der Europäische Zahlungsverkehrsrat 2021 mit der Entwicklung einer einheitlichen SEPA-Anwendungsschnittstelle. In diesem Schnittstellensystem sollen Basis-Services entsprechend den rechtlichen und regulatorischen Erfordernissen der überarbeiteten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) definiert werden; zudem könnte das System Mehrwert- bzw. Premium-Services umfassen, die im Sinne der Weiterentwicklung der Richtlinie im Kontext von Open Banking erbracht werden.

Um die Integration der europäischen Finanzmärkte weiter voranzutreiben, setzte die EZB-Beratungsgruppe zu Marktinfrastrukturen für Wertpapiere und Sicherheiten (AMI-SeCo) weitere Schritte zur Harmonisierung des Nachhandels. Positive Entwicklungen wurden 2021 an den europäischen Märkten auf dem Gebiet der Sicherheitenverwaltung verzeichnet, und zwar im Hinblick auf die Erarbeitung und Umsetzung einheitlicher Standards im Bereich des Sicherheitenmanagements in Europa (SCoRE-Standards). Besondere Fortschritte erzielte die AMI-SeCo außerdem in Bezug auf Kapitalmaßnahmen; hier konnten mit den Marktteilnehmern weitere Adaptierungen relevanter Standards vereinbart werden. Ferner unterzog das Eurosystem die SCoRE-Standards mithilfe des hierfür vereinbarten Überwachungsrahmens einer genauen Prüfung, die eine breite Palette an Märkten sowie Marktteilnehmern abdeckte.

Um mögliche Effizienzsteigerungen bei europäischen Emissionsverfahren für Schuldtitel auszuloten, rief die EZB eine eigene Kontaktgruppe – die Debt Issuance Market Contact Group (DIMCG) – ins Leben. In ihrem im Jahr 2021 veröffentlichten Bericht befasste sich die Gruppe mit den Kernfragen rund um die Begebung von EU-Schuldtiteln und kam zu dem Schluss, dass die Emissionsprozesse mit gewissen Risiken, Reibungsverlusten sowie unangemessenen Kosten verbunden sind. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die DIMCG eine Reihe von Bereichen identifiziert, deren weitere Harmonisierung zu einer Effizienzsteigerung des Gesamtprozesses führen würde (etwa Know-Your-Customer-Prinzip, Zuordnungen anhand der Internationalen Wertpapierkennnummer (ISIN), Identifizierung von Investoren).

Nicht zuletzt lieferte die AMI-SeCo Input zu Fragen des Wertpapiernachhandels, der in den Aktionsplan der Europäischen Kommission zur Schaffung einer Kapitalmarktunion einfloss. Konkret legte sie Vorschläge zur Quellensteuer sowie zur Überarbeitung der Zentralverwahrer-Verordnung vor.

Kasten 7
Untersuchungsphase: Wie könnte ein digitaler Euro aussehen?

Im Juli 2021 beschloss der EZB-Rat, den Startschuss für die Untersuchungsphase eines Projekts zum digitalen Euro zu geben.[77] Der Beschluss gründet sich auf eine Reihe von Entwicklungen, die die Ausgabe eines digitalen Euro erforderlich machen könnten. So wird etwa zunehmend online eingekauft; gleichzeitig verliert Bargeld als Zahlungsmittel an Bedeutung. Mit einem digitalen Euro würde sichergestellt werden, dass die breite Öffentlichkeit weiterhin Zugang zu einem sicheren und allgemein akzeptierten Zahlungsmittel hat – auch in einer digitalen Wirtschaft. Es würde sich dabei um vom Eurosystem ausgegebenes elektronisches Geld handeln, das allen Bürgerinnen und Bürgern risikofrei zur Verfügung steht und für Alltagszahlungen genutzt werden kann. Ein digitaler Euro würde das Bargeld ergänzen, aber nicht ersetzen. Im Zuge der Untersuchungsphase des Projekts möchte sich das Eurosystem auf die eventuelle Einführung eines digitalen Euro vorbereiten, auch wenn die Entscheidung, ob ein solcher Schritt tatsächlich gesetzt wird, erst zu einem späteren Zeitpunkt fallen wird.

Während der Untersuchungsphase wird das Eurosystem den Fokus darauf legen, wie ein digitaler Euro funktional ausgestaltet sein könnte. Einerseits muss er natürlich den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer gerecht werden; andererseits soll er dazu beitragen, dass rechtswidrige Aktivitäten verhindert und etwaige nachteilige Auswirkungen auf die Finanzstabilität und die Geldpolitik vermieden werden können. Im Rahmen der zweijährigen Untersuchungsphase sollen auch Schlüsselfragen zu Design und Vertrieb beleuchtet werden. Geprüft werden dabei jene Anwendungsfälle, für die ein digitaler Euro geeignet sein sollte, um seinen Zweck zu erfüllen. Neben konzeptioneller Arbeit und der Erstellung von Prototypen werden zudem mögliche Merkmale und Funktionalitäten und die damit verbundenen Entscheidungen hinsichtlich Design unter die Lupe genommen. Im Rahmen der Sondierungsarbeiten sollen außerdem potenzielle Auswirkungen auf den Markt bewertet und ein neues Geschäftsmodell auf Grundlage eines digitalen Euro für beaufsichtigte Finanzintermediäre definiert werden. Schließlich wird das Eurosystem auch rechtlichen Fragen rund um die eventuelle Einführung eines digitalen Euro nachgehen und technische Lösungen prüfen, mit denen alle Herausforderungen in diesem Zusammenhang bestmöglich bewältigt werden können.

Das Eurosystem steht im Verlauf der gesamten Untersuchungsphase in einem aktiven Austausch mit Interessenträgern. Auf Nutzerseite sucht die EZB im Rahmen von themenbezogenen Umfragen und Fokusgruppen den Dialog mit der Öffentlichkeit und dem Handel, um so deren Bedürfnisse und Präferenzen zu ermitteln. Auf Marktseite wird die Digital Euro Market Advisory Group erheben, welchen Mehrwert ein digitaler Euro den vielen Beteiligten im Zahlungsverkehr des Euroraums bieten könnte.[78] Über den Projektfortschritt wird außerdem das Euro Retail Payments Board regelmäßig informiert. Zusätzlich dazu wird die EZB auch von außen technische Expertise im Hinblick auf die Ausgestaltungsmöglichkeiten eines digitalen Euro einholen.[79] In diesem Zusammenhang prüft die EZB gemeinsam mit der Europäischen Kommission diverse politische, rechtliche und technische Umsetzungsfragen.[80] Ein regelmäßiger Meinungsaustausch findet zudem mit dem Europäische Parlament sowie mit den Finanzministerinnen und Finanzministern der Euro-Länder statt.[81] Auf internationaler Ebene bringt sich die EZB in die Arbeitsgruppe der G7-Finanzministerien und ‑Zentralbanken[82] ein und ist darüber hinaus Teil einer internationalen, aus sieben Zentralbanken bestehenden Gruppe,[83] die in Kooperation mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) verschiedenen Fragen rund um allgemein verfügbares digitales Zentralbankgeld nachgeht.[84]

5 Maßnahmen zur Unterstützung der Marktfunktionsfähigkeit und für andere Institutionen erbrachte Finanzdienstleistungen

Die EZB bot den Geschäftspartnern im Euroraum weiterhin Geschäfte in US-Dollar an und sorgte somit für eine Absicherung der marktbasierten Refinanzierung. Die im Jahr 2020 eingerichteten oder aktivierten Euro-Liquiditätslinien mit anderen Zentralbanken wurden beibehalten; neue Linien wurden nicht eingerichtet.

Die EZB intervenierte nicht am Devisenmarkt, was auch aus den auf der EZB-Website veröffentlichten Quartalsdaten zu den Devisenmarktinterventionen der EZB hervorgeht.

Die Finanzindustrie konnte die Umstellung vom Euro Overnight Index Average (EONIA) auf den neuen Referenzzinssatz der EZB – Euro Short-Term Rate (€STR) – am 3. Januar 2022 erfolgreich umsetzen. Die Verbesserung robuster Marktpraktiken hinsichtlich Pricing, u. a. durch die breitere Nutzung des €STR, wird weiter vorangetrieben.

Die EZB war auch 2021 für die Verwaltung verschiedener Finanzgeschäfte im Auftrag der EU zuständig und nahm im Rahmen der Dienstleistungen des Eurosystems im Bereich der Währungsreservenverwaltung weiterhin eine koordinierende Rolle wahr.

5.1 Entwicklung der Marktoperationen

Liquiditätslinien in Euro und Fremdwährungen

Liquiditätslinien unterstützen die EZB bei der Erreichung ihres Preisstabilitätsziels sowie bei der Vermeidung von Euro-Liquiditätsengpässen und Spillover-Effekten

Liquiditätslinien gehören zu den geldpolitischen Instrumenten der EZB, die es ihr ermöglichen, Liquiditätsengpässen in Euro außerhalb des Euroraums sowie jenen in Fremdwährung innerhalb des Euroraums zu begegnen. Sie unterstützen die reibungslose Transmission der Geldpolitik, indem sie einer möglichen Verschlechterung von Finanzierungsmöglichkeiten, hervorgerufen durch eine Verknappung von Fremdwährungsfinanzierungen für Banken im Euroraum, entgegenwirken. Des Weiteren wird mit Liquiditätslinien verhindert, dass bei ansteigenden Liquiditätsengpässen in Euro jähe Verkäufe von in Euro denominierten Vermögenswerten erfolgen, die wiederum Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen im Euroraum hätten.[85]

Indem die EZB ausländischen Zentralbanken Euro-Liquidität zur Verfügung stellt, beugt sie Übertragungseffekten vor, die von der ausländischen Nachfrage nach Euro-Finanzierungen ausgehen und im Euroraum zu einer übermäßigen Verschärfung der finanziellen Bedingungen beitragen könnten. Im Jahr 2020 eingerichtete oder aktivierte Euro-Liquiditätslinien wurden 2021 beibehalten; neue Liquiditätslinien wurden nicht eingerichtet. Die Eurosystem Repo Facility (EUREP) stand weiterhin einer Vielzahl von Zentralbanken außerhalb des Euroraums offen. Am 4. Februar 2021 beschloss die EZB, temporäre Euro-Liquiditätslinien mit Zentralbanken außerhalb des Euroraums bis März 2022 zu verlängern. In Tabelle 5.1 sind die per 31. Dezember 2021 operativen Euro-Liquiditätslinien aufgelistet, über die die EZB ausländischen Zentralbanken Liquidität in Euro zur Verfügung stellen kann.

Die Bereitstellung von Fremdwährung an Geschäftspartner im Euroraum nimmt Druck von den globalen Refinanzierungsmärkten. Sie trägt dazu bei, die Auswirkungen solcher Belastungen auf das Kreditangebot für private Haushalte und Unternehmen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Euroraums abzufedern. In Abstimmung mit der Federal Reserve, der Bank of Canada, der Bank of England, der Bank of Japan und der Schweizerischen Nationalbank stellte die EZB im Berichtsjahr Liquidität in US-Dollar zur Verfügung. Die zwei angebotenen Laufzeiten betrugen sieben Tage bzw. 84 Tage. Mit der Normalisierung der Marktbedingungen wurden die Geschäfte mit einer Laufzeit von 84 Tagen per 1. Juli 2021 ausgesetzt. Die Geschäfte mit siebentägiger Laufzeit wurden als Absicherung für die privaten Finanzierungsmärkte beibehalten.

Tabelle 5.1

Überblick: bestehende Liquiditätslinien

Quelle: EZB-Website.
Anmerkung: Die Tabelle enthält keine im Rahmen von EUREP mit Zentralbanken außerhalb des Euroraums eingerichteten Repo-Linien, bei denen die EZB ihre Geschäftspartner nicht offenlegt.

Beitrag der EZB zur Reform der Referenzzinssätze

Die EZB trägt weiterhin in zweierlei Hinsicht zur Reform der Referenzzinssätze im Euroraum bei: Einerseits sorgt sie mit dem €STR (Euro Short-Term Rate) für einen robusten und zuverlässigen Referenzzinssatz, andererseits diente sie als Katalysator für Marktinitiativen, indem sie für die vom Privatsektor eingerichtete Arbeitsgruppe zu risikofreien Zinssätzen bis zum Ende des ursprünglichen Mandats der Gruppe im Mai 2021 deren Sekretariat stellte.

Übergang von EONIA zu €STR erfolgreich abgeschlossen

Mit seiner letztmaligen Veröffentlichung am 3. Januar 2022 wurde der EONIA nach mehreren Jahren der Vorbereitung endgültig erfolgreich durch den €STR abgelöst. Eine Reihe wesentlicher Meilensteine dieses erfolgreichen Übergangsprozesses fanden im Berichtsjahr statt. Im Oktober 2021 stellten die wichtigsten Clearinghäuser am Derivatemarkt (das ist der Markt, der den EONIA mit Abstand am stärksten nutzte) in einer konzertierten Aktion alle ausstehenden EONIA-Positionen auf €STR um und anschließend das Clearing von EONIA-Produkten ein. Damit konnte einerseits eine zunehmende Koppelung von Liquidität am Derivatemarkt an den €STR erreicht werden, andererseits wurden potenzielle Probleme mit auf den EONIA referenzierenden Derivatekontrakten, die nach dem 3. Januar 2022 ausgelaufen sind bzw. noch auslaufen werden, vermieden. Darüber hinaus bestimmte die Europäische Kommission den €STR im Oktober 2021 als den gesetzlichen Ersatzzinssatz für den EONIA in Kontrakten, die keine praktikablen Ersatzbestimmungen aufweisen.[86] Dies bot EONIA-Nutzern zusätzliche Sicherheit und verringerte die Rechtsrisiken im Vorfeld der Einstellung des Referenzzinssatzes.

Der €STR zeichnet sich durch Robustheit und Repräsentativität aus, was auch durch die zweite jährliche Überprüfung der €STR-Methodik durch die EZB bestätigt wurde. Aus diesem Grund wird den Marktteilnehmern empfohlen, den Zinssatz im Einklang mit den Leitlinien des Finanzstabilitätsrats sowohl für Cash-Produkte als auch für Derivate zu verwenden. Um eine breitere Nutzung des €STR zu fördern und zu unterstützen (auch in Ersatzbestimmungen für an den EURIBOR gekoppelte Kontrakte), veröffentlicht die EZB seit April 2021 durchschnittliche vergangenheitsbezogene €STR-Zinssätze mit Aufzinsung sowie einen Index auf Basis des €STR mit Aufzinsung (siehe Kasten 8).

Umsetzung von EURIBOR-Ausfalllösungen bleibt Priorität

Im Mai 2021 veröffentlichte die Arbeitsgruppe zu risikofreien Zinssätzen für das Euro-Währungsgebiet Empfehlungen zu Ersatzbestimmungen in EURIBOR-Verträgen und leistete damit einen Beitrag zu Ausfalllösungen für eine mögliche Einstellung des EURIBOR. Nach Erreichung dieses wichtigen Zwischenziels übernahm die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) von der EZB die Sekretariatsfunktion für die Arbeitsgruppe und die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Gruppe wurden aktualisiert. Zu den prioritären Aufgaben zählen nunmehr die Umsetzung der Empfehlungen für EURIBOR-Ersatzlösungen und die Abfederung von Auswirkungen auf Endnutzer im Euroraum, die sich aus dem Wegfall des LIBOR (London Interbank Offered Rate) mit 3. Januar 2022 ergeben könnten.[87] Den Marktteilnehmern wird nahegelegt, die Beratungen der Arbeitsgruppe zu verfolgen sowie deren Empfehlungen und Analysen zur Kenntnis zu nehmen und in ihre Ausfallplanung miteinzubeziehen.

ESZB bekräftigt Entschlossenheit zur Einhaltung des aktualisierten Verhaltenskodex für den Devisenhandel

ESZB bindet sich durch neue Erklärungen an den überarbeiteten Verhaltenskodex für den Devisenhandel

Der Verhaltenskodex für den Devisenhandel (FX Global Code) ist eine Aufstellung einschlägiger Handlungsprinzipien und ‑praktiken, die 2017 als Reaktion auf einige Fälle von Fehlverhalten am Markt, die US-Dollar-Strafzahlungen in Milliardenhöhe nach sich gezogen hatten, eingeführt wurden. Der Kodex war eine zielgerichtete und wichtige Maßnahme, um dem mangelnden Vertrauen in den Devisenhandel entgegenzuwirken. Das Global Foreign Exchange Committee hat die Prinzipien nun in einigen Schlüsselbereichen überarbeitet und aktualisiert, um den neuesten Marktentwicklungen Rechnung zu tragen und sicherzustellen, dass der Verhaltenskodex weiterhin relevant bleibt. Ein Hauptgrund für die Aktualisierung war die Notwendigkeit erhöhter Offenlegungs- und Transparenzanforderungen im Devisenhandel auf einem zunehmend komplexen Markt. Der aktualisierte Verhaltenskodex wurde am 15. Juli 2021 veröffentlicht. Die EZB und ihre Foreign Exchange Contact Group waren eng in den Überarbeitungsprozess eingebunden. Eine Reihe ihrer Mitglieder waren Teil der Arbeitsgruppen des Global Foreign Exchange Committee und trugen so wesentlich zur Aktualisierung des Verhaltenskodex bei. Nun geht es darum, dass alle Devisenmarktteilnehmer den aktualisierten Verhaltenskodex prüfen, die Auswirkungen der überarbeiteten Grundsätze auf ihre eigene Tätigkeit identifizieren und ihr Handeln entsprechend anpassen. Die Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken, d. h. die EZB und die nationalen Zentralbanken aller EU-Mitgliedstaaten, führten eine interne Überprüfung ihrer Tätigkeit in diesem Bereich durch. Anschließend wurden am 15. Februar 2022 die aktualisierten Bindungserklärungen veröffentlicht.[88]

Berichterstattung über Devisenmarktinterventionen

Keine Interventionen der EZB am Devisenmarkt

Die EZB intervenierte 2021 nicht am Devisenmarkt. Seit Einführung des Euro gab es bisher zwei Devisenmarktinterventionen durch die EZB, und zwar in den Jahren 2000 und 2011. Die Daten zu Devisenmarktinterventionen werden vierteljährlich mit einer zeitlichen Verzögerung von einem Quartal auf der Website der EZB und im Statistical Data Warehouse veröffentlicht. Die in den vierteljährlichen Tabellen publizierten Informationen werden außerdem im EZB-Jahresbericht zusammengefasst (siehe Tabelle 5.2). Wenn keine Devisenmarktinterventionen während des vierteljährlichen Betrachtungszeitraums erfolgt sind, wird auch dies in der Tabelle explizit festgehalten.

Tabelle 5.2

Devisenmarktinterventionen der EZB

Quelle: EZB.

Der Berichtsrahmen umfasst neben den Devisenmarktinterventionen, die die EZB unilateral oder in Abstimmung mit anderen Behörden getätigt hat, auch jene an den verpflichtenden Interventionspunkten („at the margin“) im Rahmen des Wechselkursmechanismus (WKM II).

5.2 Verwaltung von Anleihe- und Darlehensgeschäften der EU

Die EZB ist für die Verwaltung jener Anleihe- und Darlehensgeschäfte zuständig, die von der EU im Rahmen der Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands (MTFA)[89], des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM)[90], des Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE)[91] und des Programms „Next Generation EU“ (NGEU)[92] abgeschlossen wurden.

Die EZB wickelt Zahlungen im Zusammenhang mit diversen Kreditprogrammen der EU ab

Im Berichtsjahr wickelte die EZB Zinszahlungen im Zusammenhang mit MTFA-Krediten ab. Zum 31. Dezember 2021 beliefen sich die gesamten Außenstände im Rahmen der MTFA auf 200 Mio €. Außerdem wickelte die EZB 2021 diverse Zahlungen und Zinszahlungen im Zusammenhang mit EFSM-Krediten ab. Die Außenstände im Rahmen des EFSM betrugen zum 31. Dezember 2021 insgesamt 46,8 Mrd €. Die EZB wickelte 2021 ferner Auszahlungen von SURE-Darlehen an einige Mitgliedstaaten und damit verbundene Zinszahlungen ab. Die Außenstände im Rahmen dieser Fazilität betrugen zum 31. Dezember 2021 insgesamt 89,6 Mrd €. Auch die Auszahlungen von NGEU-Darlehen und ‑Zuschüssen an diverse Mitgliedstaaten wickelte die EZB im Berichtsjahr ab.

Die EZB ist ebenso für die Verwaltung von Zahlungen im Zusammenhang mit Geschäften im Rahmen der Europäischen Finanzstabilitätsfazilität (EFSF)[93] und des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)[94] zuständig. Im Berichtsjahr wickelte sie mehrere Zins- und Gebührenzahlungen im Zusammenhang mit zwei EFSF-Krediten ab.

Die EZB ist auch dafür zuständig, sämtliche Zahlungen im Zusammenhang mit der Kreditrahmenvereinbarung für Griechenland abzuwickeln.[95] Zum 31. Dezember 2021 beliefen sich die gesamten Außenstände im Rahmen dieser Vereinbarung auf 50,1 Mrd €.

5.3 Dienstleistungen des Eurosystems im Bereich der Währungsreservenverwaltung

Eine Reihe von nationalen Zentralbanken im Eurosystem erbringt ERMS-Finanzdienstleistungen

Seit 2005 können Kunden des Eurosystems ihre auf Euro lautenden Währungsreserven vom Eurosystem verwalten lassen, wofür auch 2021 ein breites Spektrum an Finanzdienstleistungen im Rahmen der Eurosystem Reserve Management Services (ERMS) zur Verfügung stand. Einige nationale Zentralbanken des Eurosystems bieten für außerhalb des Euroraums ansässige Zentralbanken, Währungs- und Regierungsbehörden sowie internationale Organisationen ERMS-Finanzdienstleistungen zu harmonisierten Geschäftsbedingungen gemäß marktüblichen Standards an. Die EZB erfüllt allgemeine Koordinierungsaufgaben, überwacht den reibungslosen Betrieb der ERMS-Dienstleistungen, fördert Maßnahmen zur Verbesserung des ERMS-Rahmens und berichtet an den EZB-Rat.

Die Anzahl der gemeldeten ERMS-Kundenkonten lag Ende 2021 bei 265 gegenüber 260 im Jahr davor. Der vom Eurosystem im Rahmen der ERMS verwaltete aggregierte Vermögensbestand (darunter Barvermögen und Wertpapierbestände) erhöhte sich im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr in etwa um 18 %.

Der rechtliche Rahmen der ERMS wurde 2021 überarbeitet, um für mehr Klarheit zu sorgen; u. a. gab es Updates im Sinne stärkerer Anreize für eine transparente Berichterstattung und mehr Informationsaustausch innerhalb des Eurosystems im Zusammenhang mit der Bereitstellung von ERMS-Dienstleistungen.

6 Hohe Bargeldnachfrage bei weiterhin niedrigem Fälschungsaufkommen

Die EZB und die nationalen Zentralbanken (NZBen) des Euroraums sind für die Bereitstellung von Euro-Banknoten in ausreichender Menge und passender Stückelung verantwortlich. Sie gewährleisten so die Verfügbarkeit von Euro-Bargeld und das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung. Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie sind zweierlei Auswirkungen auf das Zahlungsverhalten europäischer Bürgerinnen und Bürger zu beobachten. Zum einen wurde die Bedeutung von Bargeld als Wertaufbewahrungsmittel deutlich; zum anderen wurde ein gewisser Rückgang der Nachfrage nach Bargeld für Zahlungstransaktionen sichtbar. Trotz dieser Entwicklung stieg der mengenmäßige Euro-Banknotenumlauf 2021 weiterhin an, während die Anzahl der aus dem Verkehr gezogenen Fälschungen auf historisch niedrigem Niveau blieb. Da viele Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor bevorzugt mit Bargeld zahlen, ist das Eurosystem bestrebt, auch künftig einen angemessenen Zugang zu Bargeld und dessen Akzeptanz als Zahlungsmittel zu gewährleisten. Dies ist auch in der Bargeldstrategie des Eurosystems festgehalten.

Nachdem die Einführung der Europa-Banknotenserie im Jahr 2019 erfolgreich abgeschlossen wurde, hat das Eurosystem bereits mit den Vorbereitungen für die Neugestaltung künftiger Euro-Banknoten begonnen.

6.1 Umlauf von Euro-Banknoten

Der Euro-Banknotenumlauf erhöhte sich mengen- und wertmäßig, wobei der Anteil der 50-€-Banknote am höchsten war

Im Jahr 2021 erhöhte sich der Euro-Banknotenumlauf mengen- und wertmäßig um 6,5 % bzw. 7,7 %. Zum Jahresende waren 28,2 Milliarden Euro-Banknoten mit einem Gesamtwert von 1,54 Billionen € im Umlauf (siehe Abbildung 6.1). Wertmäßig hatte die 50-€-Banknote mit 44,3 % den höchsten Anteil am Banknotenumlauf – so viel wie die 100-€-, 200-€- und 500-€-Banknoten zusammen (siehe Abbildung 6.2).

Abbildung 6.1

Mengen- und wertmäßiger Euro-Banknotenumlauf

(linke Skala: in Mrd €; rechte Skala: Milliarden Stück)

Quelle: EZB.

Abbildung 6.2

Wertmäßiger Euro-Banknotenumlauf nach Stückelung

(in Mrd €)

Quelle: EZB.

Die 2021 verzeichnete Entwicklung bei den im Umlauf befindlichen Stückelungen wurde weiterhin von der anhaltenden Covid-19-Pandemie sowie von den unterschiedlichen Zwecken, zu denen Bargeld gehalten wird, bestimmt. Mit einer Jahreszuwachsrate von 33,6 % bzw. 9,0 % war die Nachfrage nach 200-€- und 100-€-Banknoten, die auch als Wertaufbewahrungsmittel dienen, weiterhin hoch. Der wertmäßige jährliche Zuwachs der im Umlauf befindlichen 50-€-Scheine belief sich auf 7,5 %, während sich der Wert aller in Umlauf befindlichen 5-€-, 10-€- und 20-€-Banknoten 2021 in Summe um 3,0 % erhöhte.

Die EZB und die nationalen Zentralbanken gewährleisten weiterhin die hohe Qualität der im Umlauf befindlichen Euro-Banknoten

Im Berichtsjahr prüften die NZBen des Eurosystems 23,5 Milliarden Banknoten im Wert von 759,3 Mrd € auf Echtheit und Umlauffähigkeit – ein Volumen, das mengenmäßig fast an den Gesamtumlauf heranreicht. Von den überprüften Banknoten wurden 2,9 Milliarden für nicht umlauffähig befunden und durch neue ersetzt, um die hohe Banknotenqualität im Bargeldkreislauf zu erhalten.

Mehr Euro-Münzen im Umlauf

Ende 2021 befanden sich 141,2 Milliarden Euro-Münzen mit einem Gesamtwert von 31,2 Mrd € im Umlauf. Damit war der Münzumlauf wertmäßig um 2,7 % höher als Ende 2020.

6.2 Euro-Banknoten weiterhin alltagstauglich

Angesichts der Bedeutung von Bargeld für die europäische Gesellschaft, setzt die EZB alles daran, die Zweckmäßigkeit, einfache Handhabung und Fälschungssicherheit der Euro-Banknoten zu gewährleisten.

Im Zuge der laufenden Bemühungen, diese Standards aufrechtzuerhalten, ist die regelmäßige Erfassung von externem Feedback von zentraler Bedeutung, um die Weiterentwicklung der Euro-Banknoten und Sicherheitsmerkmale zu fördern. Daher wurde im Berichtsjahr eine Umfrage unter Bargeldakteuren gestartet, um deren Meinung bezüglich aktuellem Design, Echtheitsprüfung und Bearbeitung von Euro-Banknoten zu erheben.

Zu den Befragten zählten Personen ab 16 Jahren aus allen 19 Ländern des Euroraums, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßig mit Bargeld zu tun haben. Insgesamt wurden mehr als 22 000 Interviews durchgeführt.

Hohe Zufriedenheit mit aktueller Gestaltung und Stückelung der Euro-Banknoten

Die Umfrage ergab eine sehr hohe Zufriedenheit unter den Bargeldakteuren, was das aktuelle Design und die derzeitige Stückelung von Euro-Banknoten anbelangt. Die einzelnen Banknoten voneinander zu unterscheiden, bereitet nur selten Schwierigkeiten.

Banknoten werden häufig auf ihre Echtheit überprüft (von sechs von zehn Bargeldakteuren) und beinahe durchweg von jenen Befragten, die erst kürzlich dahingehend geschult wurden. Unter den Bargeldakteuren, die Echtheitsprüfungen vornehmen, ist der Einsatz von Maschinen bzw. Geräten (mit 56 %) weit verbreitet. Werden Banknoten manuell geprüft, so erfolgt für gewöhnlich eine rasche Kontrolle eines (23 %) oder mehrerer (39 %) Sicherheitsmerkmale.

Rasch und mühelos – das ist Bargeldakteuren bei der Banknotenprüfung wichtig

Ausschlaggebend für die Entscheidung, welches Sicherheitsmerkmal kontrolliert wird, ist, wie rasch es überprüft werden kann. Wichtig ist auch, wie einfach die Prüfung des Sicherheitsmerkmals ist. Diese Angaben gelten unabhängig von Sicherheitsmerkmal und Banknotenstückelung.

6.3 Fälschungsaufkommen bei Euro-Banknoten auf historischem Tiefstand

Die EZB rät der Bevölkerung auch in Zukunft zur Wachsamkeit bei der Entgegennahme von Banknoten und empfiehlt: FÜHLEN-SEHEN-KIPPEN

Der rückläufige Trend bei den Euro-Banknotenfälschungen setzte sich auch im Jahr 2021 fort. Gemessen an der Anzahl der im Umlauf befindlichen echten Euro-Banknoten lag der Anteil der Fälschungen erneut auf historisch niedrigem Niveau (siehe Abbildung 6.3). Insgesamt wurden 347 000 gefälschte Euro-Banknoten aus dem Verkehr gezogen, was einem jährlichen Fälschungsanteil von lediglich 12 Scheinen je Million gleichkam. Die Qualität der Fälschungen ist nach wie vor gering. Gefälschte Banknoten lassen sich daher sehr rasch und einfach anhand des Prinzips FÜHLEN-SEHEN-KIPPEN identifizieren.

Abbildung 6.3

Anzahl der pro Jahr identifizierten Euro-Banknotenfälschungen je Million im Umlauf befindlicher echter Euro-Banknoten

(Anzahl je Million)

Quelle: EZB.

Startschuss für die Entwicklung neuer Euro-Banknoten

Bargeld bleibt wichtiges Zahlungsmittel

Die EZB geht davon aus, dass Euro-Bargeld bis zum Jahr 2030 und darüber hinaus weiterhin stark genutzt werden wird. Aus diesem Grund und um Geldfälschern immer einen Schritt voraus zu sein, gilt es, die Einführung weiter verbesserter und innovativer Banknoten entsprechend vorzubereiten. Nur so kann das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Euro-Bargeld dank sicherer und einfacher Handhabung gewährleistet werden. Angesichts des langen und komplexen Entwicklungsprozesses für künftige Banknoten wurde bereits mit ersten Vorbereitungen begonnen (Forschungs- und Konzeptionsarbeiten, regelmäßiger Meinungsaustausch mit Interessengruppen und der breiten Öffentlichkeit sowie Testproduktion mit neuen Sicherheitsmerkmalen).

Die künftigen Banknoten sollen außerdem ein neues Design tragen. Im Zuge des Neugestaltungsprozesses wird die EZB mehrmals die Meinung der europäischen Bürgerinnen und Bürger einholen; die endgültige Entscheidung über das Design der neuen Euro-Banknoten ist für 2024 geplant.

7 Statistiken

Die EZB konzipiert, erhebt, erstellt und veröffentlicht mit Unterstützung der nationalen Zentralbanken (NZBen) eine breite Palette von Statistiken und Daten, die eine wichtige Basis für die Geldpolitik der EZB sowie für die Erfüllung finanzstabilitätsbezogener und verschiedener anderer Aufgaben des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) darstellen. Diese Statistiken werden auch von öffentlichen Stellen, internationalen Organisationen, Finanzmarktteilnehmern, den Medien und der Bevölkerung genutzt und tragen dazu bei, die Tätigkeit der EZB noch transparenter zu machen.

Der Fokus dieses Kapitels liegt auf neuen Statistiken des Euro-Währungsgebiets. So wurden 2021 experimentelle Indikatoren zur Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen sowie Preisindizes für selbstgenutztes Wohneigentum entwickelt. Im Mittelpunkt zweier Kästen stehen zudem die jüngste Veröffentlichung der durchschnittlichen €STR-Zinssätze mit Aufzinsung sowie eines entsprechenden Index und die Förderung der globalen Standardisierung von Daten.

7.1 Neue und verbesserte Euroraum-Statistiken

Laufende Optimierung der Makrostatistiken, um deren Funktionalität zu wahren

Im April 2021 verabschiedete der EZB-Rat eine neue Leitlinie im Bereich der vierteljährlichen Finanzierungsrechnungen.[96] Darin definiert die EZB neue Datenanforderungen sowie einen Zeitrahmen für die Umsetzung geänderter Berichtspflichten für vierteljährliche Finanzierungsrechnungen. Letztere sollen auf Basis neuer Aufschlüsselungen, die wirtschaftlichen Entwicklungen und Nutzeranforderungen Rechnung tragen, gemeldet werden.

Neue Leitlinie der EZB sieht Bereitstellung neuer Daten zur vierteljährlichen Finanzierungsrechnung vor

Die neue Leitlinie sieht detaillierte (nach Teilsektoren aufgeschlüsselte) Meldungen seitens des Sektors der sonstigen Finanzinstitute vor; diese dienen der Verbesserung der statistischen Datengrundlage für die Überwachung des Nichtbankensektors im Zuge geldpolitischer und finanzstabilitätsbezogener Analysen. Mit der Leitlinie wird zudem eine neue Aufschlüsselung nach Finanzinstrumenten bzw. funktionalen Kategorien der Zahlungsbilanz eingeführt, um grenzüberschreitende Transaktionen mit ausländischen Direktinvestitionsunternehmen ermitteln zu können. Ebenso finden sich darin neue Aufgliederungen nach Instrumenten für Ansprüche aus Pensionseinrichtungen und Lebensversicherungen. Diese neuen Statistiken werden den Nutzern ab der zweiten Jahreshälfte 2022 sukzessive zur Verfügung gestellt.

Neue Verordnung bringt umfassendere Datenerhebung im Sinne einer robusteren Analyse von Geldmengen- und Kreditentwicklungen

Im Anschluss an eine Überprüfung der statistischen Berichtspflichten monetärer Finanzinstitute in Bezug auf deren Bilanzpositionen, einschließlich eines Anfang 2020 durchgeführten öffentlichen Konsultationsverfahrens, veröffentlichte die EZB eine neue Verordnung.[97] Letztere zielt darauf ab, die Meldung von für die Analyse der Geldmengen- und Kreditentwicklung dringend benötigten Daten rechtlich zu verankern. Ferner sieht die Verordnung Änderungen einiger bestehender Anforderungen, Definitionen und Ausnahmeregelungen vor, soweit dadurch eine bessere Einbindung in andere statistische Datensätze unterstützt wird.

Laufende Verbesserung von Eurosystem-Statistiken soll Meldeaufwand der Banken verringern

Infolge eines branchenweiten Konsultationsverfahrens genehmigte der EZB-Rat im Dezember 2021 die Einleitung der Konzeptionsphase des Projekts zur Entwicklung eines integrierten Meldewesens (IReF).[98] Ziel des IReF ist es, die statistischen Meldungen der Banken im Euroraum zu konsolidieren und durch den stärkeren Einsatz digitaler Technik und aktueller Produktionsorganisation deren Meldeaufwand zu verringern. Das Projekt wird in enger Zusammenarbeit mit anderen europäischen Behörden entwickelt; auf lange Sicht soll damit eine weitere Standardisierung und Harmonisierung statistischer, aufsichtsrechtlicher und abwicklungsspezifischer Meldedaten erzielt werden. Der neue Melderahmen soll 2027 in Kraft treten.

7.2 Experimentelle Indikatoren sollen Klimaschutzmaßnahmen unterstützen

Da sich der Klimawandel zunehmend auf die Wirtschaft und das Finanzsystem auswirkt, verständigte sich der EZB-Rat im Juli 2021 auf einen umfassenden Maßnahmenplan[99]. Mit diesem Plan sollen Klimaschutzaspekte stärker in den geldpolitischen Handlungsrahmen des EZB-Rats einbezogen werden.

Auswirkungen des Klimawandels auf Wirtschaft und Finanzwelt – Analyse erfordert Daten und Indikatoren

Zur Verbesserung einschlägiger Analysen sind granulare Daten und international vergleichbare Indikatoren erforderlich. So soll mit dem Maßnahmenplan eine Reihe neuer experimenteller Indikatoren zu klimabezogenen Risiken und nachhaltigen Finanzinstrumenten von Finanzinstituten entwickelt werden, die etwa Aufschluss über deren Ausgabe von grünen Anleihen oder deren CO2-Fußabdruck geben. Danach sollen diese Indikatoren schrittweise im Hinblick auf Datenverfügbarkeit und ‑harmonisierung weiterentwickelt werden.

In diesem Zusammenhang hat sich der ESZB-Ausschuss für Statistik[100] dazu verpflichtet, Best Practices im methodologischen Bereich auszuarbeiten sowie experimentelle Indikatoren zu physischen Risiken, denen Finanzinstitute klimabedingt ausgesetzt sind, zur Kohlenstoffbilanz von Portfolios und zu nachhaltigen Finanzprodukten zu erstellen. Die Daten, auf die sich die Indikatoren stützen werden, sollen neben bestehenden ESZB-Datensätzen sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Quellen kommen. Eine erste Reihe solcher Indikatoren soll bis Ende 2022 veröffentlicht werden.

Herausforderungen in der Datenlage ergeben sich auch aus dem Umstand, dass der Markt aktuell aus einer Vielzahl an Produkten besteht, die nicht vollständig harmonisiert sind. Ausgehend von nicht harmonisierten Daten verschiedener Anbieter folgt die EZB einem stufenweisen Ansatz. Die daraus resultierenden Schritte werden durch laufende EU-Maßnahmen und ‑Initiativen im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Taxonomien, Offenlegungspflichten und Berichtsanforderungen unterstützt (z. B. EU-Standard für grüne Anleihen).

7.3 Preisindizes für selbstgenutztes Wohneigentum

Berücksichtigung von Eigenheimkosten im HVPI dürfte die Inflationsmessung verbessern

Nach Überprüfung seiner geldpolitischen Strategie kündigte der EZB-Rat an, dass der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI-Gesamtinflationsrate) der geeignete Indikator für die Quantifizierung des Preisstabilitätsziels für den Euroraum bleibt und weiterhin als Preisindex für die Messung von Inflation im Euroraum im geldpolitischen Kontext verwendet wird. Nach Auffassung des EZB-Rats kann Preisstabilität am besten gewährleistet werden, indem auf mittlere Sicht eine HVPI-Inflationsrate von 2 % im Euroraum angestrebt wird. Dieses Ziel ist symmetrisch, d. h. eine zu niedrige Inflation ist ebenso unerwünscht wie eine zu hohe Inflation. Darüber hinaus wurde deutlich, dass Wohnkosten eine wichtige Rolle im Sinne einer möglichst umfassenden Darstellung der in einer Volkswirtschaft konsumierten Güter und Dienstleistungen spielen.[101] Da es für die EZB wichtig ist, dass der dem HVPI zugrunde liegende Warenkorb das Konsumverhalten privater Haushalte im Euro-Währungsgebiet angemessen widerspiegelt, hat der EZB-Rat die verstärkte Berücksichtigung der Wohnkosten im HVPI für das Eurogebiet vorgeschlagen.

Im Hinblick auf Wohnimmobilien gibt es im Wesentlichen zwei Optionen: Kaufen oder Mieten. Während Mietkosten seit jeher im HVPI enthalten sind, werden die Ausgaben im Zusammenhang mit selbstgenutztem Wohneigentum derzeit nicht berücksichtigt. Der EZB-Rat hat sich daher für die Aufnahme dieser Kosten in den HVPI ausgesprochen. Dies bringt jedoch diverse technische und konzeptionelle Herausforderungen mit sich; außerdem gilt es, die Rolle der einzelnen EU-Institutionen im Rahmen dieses Prozesses zu definieren.

HVPI-Erweiterung ist methodologisch und technisch fordernd

Eine Herausforderung besteht etwa darin, dass Wohnimmobilien eine Doppelfunktion erfüllen: Der Erwerb eines Eigenheims könnte auf den ersten Blick als Investition in einen Vermögenswert betrachtet werden. Allerdings können mit dem Erwerb unterschiedliche Absichten verbunden sein. So kann der Kauf ausschließlich zu Anlagezwecken erfolgen (Vermietung) oder primär zu Konsumzwecken (Eigennutzung). Da bei Eigennutzung im Zeitverlauf ebenfalls eine Wertsteigerung des Objekts stattfindet, ist das Wohneigentum sowohl Anlage als auch Konsumgut. Gemäß rechtlicher Grundlage sollte sich der HVPI auf die Konsum-, nicht aber auf die Investitionskomponente stützen. Eine genaue Abgrenzung der beiden Komponenten gestaltet sich aus technischer Sicht jedoch schwierig, wie die erheblichen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern bei der Handhabung dieser Problematik zeigen.

Eine weitere Herausforderung birgt die Methode, die zur Preisbemessung bei selbstgenutztem Wohneigentum verwendet wird. Die von der EZB unterstützte Messmethode basiert auf dem sogenannten Nettoerwerbsansatz. Nur dieser Ansatz fügt sich in den konzeptuellen Rahmen des HVPI als Messgröße für die Kaufkraft ein, da damit selbstgenutztes Wohneigentum wie jedes andere langlebige Gut behandelt wird. Wird etwa ein Neuwagen erworben, so fließt dessen Preis zum Kaufzeitpunkt in den HVPI ein, auch wenn der Wagen über die nächsten Jahre hinweg genutzt werden wird. Der Nettoerwerbsansatz findet bereits in den von Eurostat veröffentlichten vierteljährlichen Preisindizes für selbstgenutztes Wohneigentum Anwendung. Diese Preisindizes beruhen ausschließlich auf Transaktionen mit dem Sektor der privaten Haushalte, d. h. auf demselben Grundsatz, der auch für den HVPI gilt. Der Verkauf von Wohnimmobilien zwischen privaten Haushalten ist nicht enthalten, weswegen hauptsächlich neue Häuser und Wohnungen in die Preisindizes für selbstgenutztes Wohneigentum einfließen. Diese befinden sich häufig in den Randzonen von Städten und damit in Lagen, in denen sich Preise unter Umständen anders entwickeln als jene des gesamten Wohnimmobiliensektors. Daneben bilden die Preisindizes auch transaktionsbedingte Aufwendungen (z. B. Notariatsgebühren) sowie mit Wohneigentum verbundene Kosten (z. B. Versicherungsbeiträge, Instandhaltungs- und Reparaturkosten) ab. Mit der Fokussierung auf den Erwerb von Neubauten wird insgesamt eine relativ geringe Anzahl an Transaktionen pro Monat berücksichtigt. Dies könnte die Berechnung eines monatlichen Preisindex, insbesondere für kleinere Länder, erschweren. Hinzu kommt, dass die Preisindizes für selbstgenutztes Wohneigentum vierteljährlich mit einer Verzögerung von einem Quartal vorgelegt werden, während der HVPI am Ende jedes Berichtsmonats veröffentlicht wird. Somit entsprechen sie in ihrer jetzigen Form nicht den Anforderungen, die für eine Einbindung in den HVPI notwendig sind.

Im Zuge seiner Strategieüberprüfung hat sich der EZB-Rat mit all diesen technischen Fragen und möglichen Lösungsansätzen befasst und sich schließlich für einen Maßnahmenplan zur Erweiterung des HVPI um selbstgenutztes Wohneigentum auf Grundlage des Nettoerwerbsansatzes[102] ausgesprochen.

EZB-Fahrplan: nächste Schritte in der Entwicklung von Preisindizes für selbstgenutztes Wohneigentum und deren Integration in den HVPI

Der Fahrplan der EZB sieht in einem ersten Schritt die Erstellung eines analytischen Index für interne Zwecke vor, der den HVPI mit den Preisindizes für selbstgenutztes Wohneigentum kombiniert. In diesem Zusammenhang wurde auch Eurostat um die Veröffentlichung eines experimentellen vierteljährlichen HVPI einschließlich Eigenheimkosten bis zum Jahr 2023 ersucht. Um auf dieser Basis einen offiziellen vierteljährlichen Index – voraussichtlich im Jahr 2026 – bereitstellen zu können, werden parallel dazu die notwendigen rechtlichen Vorbereitungsarbeiten aufgenommen. Letztlich zielt der Fahrplan darauf ab, die Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum monatlich und zeitnah in den HVPI aufzunehmen, um so die vollständige Nutzung dieses Index für geldpolitische Zwecke zu ermöglichen.

Darüber hinaus beschloss der EZB-Rat, dass während der Übergangsphase der HVPI in seiner aktuellen Zusammensetzung der Hauptreferenzindex für die Geldpolitik bleiben wird.[103] Nichtsdestotrotz werden der eigenständige vierteljährliche Index für selbstgenutztes Wohneigentum und – sobald verfügbar – die vierteljährlichen Indizes, die den HVPI um Eigenheimkosten erweitern, eine wichtige Rolle als ergänzende Faktoren bei geldpolitischen Entscheidungen spielen.

Kasten 8
Erstmalige Veröffentlichung durchschnittlicher €STR-Zinssätze mit Aufzinsung und eines zugehörigen Index

Seit 15. April 2021 veröffentlicht die EZB täglich durchschnittliche €STR-Zinssätze mit Aufzinsung für unterschiedliche Laufzeiten sowie einen Index auf Basis des €STR mit Aufzinsung. Die aufgezinsten Zinssätze sind für die Verwendung als Referenzsätze in Finanzkontrakten und als Ausfalllösungen für andere Referenzsätze geeignet. Sie stellen eine robuste Alternative zu sonstigen verfügbaren Benchmarks vieler Kontrakte dar, für die die Verwendung eines Referenzsatzes mit Aufzinsung angemessen ist.

Die Zinssätze werden ausschließlich anhand von historischen Werten des €STR (Euro Short-Term Rate) ermittelt, einem Tagesgeld-Referenzzinssatz, der seit Oktober 2019 von der EZB veröffentlicht und administriert wird. Die durchschnittlichen €STR-Zinssätze mit Aufzinsung werden für standardisierte Laufzeiten (1 Woche, 1 Monat, 3 Monate, 6 Monate und 12 Monate) unter Verwendung der Werte des über die jeweilige Laufzeit festgesetzten €STR berechnet. Für davon abweichende Laufzeiten kann die entsprechende durchschnittliche Verzinsung des €STR mit Hilfe des zugehörigen Index berechnet werden. Die genauen Regelungen zur Ermittlung der Zinssätze und des Index wurden unter Berücksichtigung der Ergebnisse eines öffentlichen Konsultationsverfahrens festgelegt und sind weitgehend mit den vergleichbaren von anderen Zentralbanken veröffentlichten Zinssätzen abgestimmt.[104]

Da sich die aufgezinsten Zinssätze und der entsprechende Index ausschließlich auf realisierte Werte des €STR stützen, weisen sie auch dessen Robustheit auf, die wiederum auf die Markttiefe und Liquidität des Euro-Tagesgeldmarktes zurückzuführen ist. Dadurch dass die Berechnung und die Veröffentlichung – ebenso wie beim €STR – durch die EZB erfolgen, ist ferner gewährleistet, dass die Zinssätze und der Index von einer zuverlässigen und vertrauenswürdigen Quelle zur Verfügung gestellt werden. Die Leitlinie der EZB zum €STR wurde geändert, um dieser neuen Aufgabe der EZB explizit Rechnung zu tragen und den Rahmen zur Regelung des €STR auszuweiten, sodass dieser, wo erforderlich, auch die Ermittlung und Veröffentlichung der durchschnittlichen Zinssätze mit Aufzinsung und des entsprechenden Index einschließt.[105]

Die durchschnittlichen €STR-Zinssätze und der €STR-basierte Index mit Aufzinsung werden an jedem TARGET2-Geschäftstag um 9:15 Uhr MEZ über die Market-Information-Dissemination-Plattform (MID-Plattform) und das Statistical Data Warehouse (SDW) der EZB veröffentlicht. Zusätzlich zu den Tageswerten der fünf Zinssätze und des Index führt die EZB Beginn und Ende der jeweiligen standardisierten Laufzeit an, um die Nachvollziehbarkeit der Berechnungen zu gewährleisten.

Kasten 9
Förderung der globalen Standardisierung von Daten

Standardisierung spielt bei der statistischen Berichterstattung und der Erstellung präziser und vergleichbarer offizieller Statistiken eine wesentliche Rolle. So ist die Verwendung international anerkannter Datenstandards für das Vertrauen in offizielle Statistiken und für deren Transparenz von zentraler Bedeutung; mittels Standardkennungen kann zudem der Konnex zwischen verschiedenen Datensätzen hergestellt und eine einheitliche Taxonomie über verschiedene Bereiche hinweg gewährleistet werden.

Aus diesem Grund beteiligt sich die EZB maßgeblich an weltweiten Standardisierungsbemühungen, von der Schaffung neuer Standards angefangen bis hin zur Weiterentwicklung bereits bestehender Maßstäbe. Hierbei ist sie insbesondere in die Arbeit des ISO Technical Committee 68 eingebunden, das für die Entwicklung weltweiter Standards für die Finanzdienstleistungsbranche zuständig ist. Zudem trugen EZB-Belegschaftsmitglieder in den vergangenen Jahren zur Tätigkeit zahlreicher Beratungs- und Arbeitsgruppen bei und waren so an der Erstellung bzw. Überarbeitung diverser internationaler und für das statistische Meldewesen unerlässlicher Standards beteiligt.

Gemeinsam mit einer Reihe nationaler Zentralbanken nimmt die EZB außerdem eine zentrale Rolle bei der laufenden Steuerung bestehender Standards ein, insbesondere im Rahmen ihrer aktiven Beteiligung im Ausschuss für Regulierungsaufsicht (ROC) sowie in dessen Unterausschüssen. Der auf internationaler Ebene tätige ROC ist für die Aufsicht über verschiedene Bereiche zuständig, darunter:

    • die Rechtsträgerkennung (Legal Entity Identifier – LEI);
    • die eindeutige Transaktionskennung (Unique Transactions Identifier – UTI);
    • die eindeutige Produkterkennung (Unique Product Identifier – UPI); und
    • wesentliche Datenelemente (Critical Data Elements – CDE).

Mit dem LEI, der sich als Standardinstrument bei der EZB und anderen nationalen und internationalen Behörden etabliert hat, lassen sich juristische Personen eindeutig identifizieren.[106] Als wesentliche Informationsquelle im Hinblick auf Rechtsträger dient der LEI der Weiterentwicklung anderer Datenerhebungen und als eine der Datengrundlagen für diverse innerhalb des ESZB durchgeführte Analysen. Jedoch beschränkt sich sein Nutzen nicht nur auf statistische Zwecke bzw. die Verwendung durch öffentliche Stellen; es gibt vielfältige Anwendungsfälle im finanziellen wie auch im nichtfinanziellen Sektor.

Wie bei anderen Standards ist eine breite länderübergreifende Anwendung auch bei den oben angeführten Kennungen und Datenelementen entscheidend, um deren Vorteile voll ausschöpfen, Kosten senken und eine weltweite Harmonisierung erzielen zu können.

Die EZB befasst sich außerdem intensiv mit der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der im Finanzsektor und von internationalen Institutionen verwendeten Nachrichtenstandards. So unterstützt sie insbesondere die internationale Initiative für gemeinsame Standards für den Austausch statistischer Daten und Metadaten (Statistical Data and Metadata Exchange – SDMX). Sie führt den Vorsitz in der technischen Arbeitsgruppe zum SDMX-Informationsmodell und war aktiv an der Entwicklung einer neuen Version des Informationsmodells – SDMX 3.0 – beteiligt, die 2021 auf der SDMX Global Conference offiziell freigegeben wurde.[107] Eine der zentralen Verbesserungen dieser Version ist die Unterstützung des Mikrodatenaustauschs einschließlich mehrerer Messgrößen und Attribute.

Darüber hinaus ist die EZB über unterschiedliche Gremien in das Registrierungsmanagement und die Evaluierung der ISO-Norm 20022 eingebunden. Dieser internationale Standard dient der Definition von Nachrichten für die Kommunikation und den Datenaustausch zwischen Finanzinstituten und erleichtert damit u. a. Prozesse im Zahlungsverkehr, Wertpapierhandel und in der Wertpapierabwicklung.[108] Neben der Unterstützung des Finanzsektors durch die Bereitstellung einer gemeinsamen Methodik zur Definition neuer Nachrichtenstandards wird mit der ISO-Norm 20022 auch ein gemeinsames Datendepot, das sogenannte Data Dictionary, zur Verfügung gestellt. Dort werden gemeinsame Nachrichtenkomponenten gespeichert und zur weiteren Nutzung zur Verfügung gestellt.

Die EZB ist entschlossen, die Einführung internationaler Datenstandards weiter voranzutreiben, um die Transparenz an den Finanzmärkten weiter zu erhöhen und systemische Risiken einzudämmen.

8 Die Forschungstätigkeit der EZB

Die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie prägten auch 2021 die Forschungsaktivitäten der EZB. Als sehr hilfreich für die Beurteilung der Lage der privaten Haushalte erwies sich in diesem Zusammenhang die neue Umfrage zu den Verbrauchererwartungen (Consumer Expectations Survey – CES). Die etablierten Forschungsnetzwerke setzten ihre Arbeit fort, und ein neuer Forschungscluster zum Klimawandel wurde eingerichtet. Parallel dazu erzielte das PRISMA-Netzwerk bei seiner Analyse des Preissetzungsverhaltens auf Basis von Mikrodaten erhebliche Fortschritte. Der Austausch mit dem universitären Bereich belebte sich im Jahr 2021 wieder, wenngleich Konferenzaktivitäten trotz einiger Veranstaltungen in virtuellem Format pandemiebedingt weiterhin eingeschränkt blieben.

8.1 Neuer Forschungscluster zum Thema Klimawandel

Verstärkte Forschung zum Klimawandel legt Schwerpunkt auf die Implikationen für die Umsetzung der Geldpolitik und die Finanzmärkte

Im Jahr 2021 intensivierte die EZB ihre Forschung zum Klimawandel im Einklang mit ihrem expliziten Anliegen, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Geldpolitik besser zu ergründen und einen verstärkten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Hierbei trägt sie – mit Blick auf Erfüllung ihres Mandats – den Risiken und Auswirkungen des Klimawandels und der damit verbundenen Maßnahmen Rechnung. So wurde in der zweiten Jahreshälfte 2021 ein ESZB-Forschungscluster zum Thema Klimawandel ins Leben gerufen. Ziel dieses neuen Clusters ist es, die Forschungsarbeit der EZB und unterschiedlicher nationaler Zentralbanken in der EU durch monatliche Webinare, Informations- und Erfahrungsaustausch sowie einen jährlichen Workshop besser abzustimmen. Im Rahmen des jährlichen Workshops für alle ESZB-Forschungscluster organisierte der neue Cluster eine Session zum Thema Klimawandel mit. Die Forschungsarbeit des Clusters richtete sich zunächst allgemein auf die Ökonomie des Klimawandels; künftig wird der Fokus allerdings auf Themen mit einem engeren Bezug zur Geldpolitik liegen.[109]

Ein Forschungsschwerpunkt der EZB liegt auf den Implikationen des Klimawandels für die Umsetzung der Geldpolitik. So wurden in einer Studie beispielsweise die Umweltauswirkungen des EZB-Programms zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP) untersucht.[110] Dabei wurde festgestellt, dass das CSPP-Portfolio der EZB mehr Unternehmensanleihen kohlenstoffintensiver Sektoren enthält als dem Anteil dieser Sektoren an der Gesamtwirtschaft (gemessen am Kapitaleinkommen) entspricht. Während das Portfolio der EZB weitgehend die sektorale Struktur der Anleihemärkte widerspiegelt, dürften sich kohlenstoffintensive Sektoren im Bereich der Versorgungsunternehmen und im verarbeitenden Gewerbe stärker auf Anleihefinanzierungen stützen als CO2-arme Sektoren (siehe Abbildung 8.1). Die Studie trägt zur laufenden Diskussion darüber bei, ob die EZB vom Prinzip der Marktneutralität abgehen sollte. Diesem Prinzip folgend hat die Zusammensetzung der Vermögenswerte im CSPP-Portfolio der EZB bislang den Anleihemarkt widergespiegelt. Nun wird diskutiert, ob sich die Portfoliostruktur stärker an der Realwirtschaft orientieren sollte, um Ankäufe in umweltfreundlicheren Sektoren zu forcieren.

Ein weiterer Forschungsbereich befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen Finanzmärkten und Klimawandel. Eine Studie hat gezeigt, dass es in der EU weniger patentierte Innovationen im Bereich CO2-armer Technologien gibt als in ausgewählten Vergleichsländern, wobei sich die Lage in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten sehr heterogen präsentiert.[111] Dieses ungleiche Bild in der EU lässt sich zu einem großen Teil durch Investitionen in Forschung und Entwicklung und Frühphasenfinanzierung („Early Stage“) erklären. Diese Ergebnisse zeigen die Herausforderungen, denen sich die EU bei der Förderung der Entwicklung klimaschonender Technologien gegenübersieht, da die Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung bislang hinter den Empfehlungen der Lissabon-Strategie zurückbleiben. Die oben genannte Studie spricht sich für fiskal- und geldpolitische Maßnahmen aus, die Wagniskapitalmärkte und Investitionen in grüne Forschung und Entwicklung im Technologiebereich unterstützen.

Abbildung 8.1

Anteile unterschiedlicher Wirtschaftssektoren an CSPP-Ankäufen der EZB

(Anteile der Sektoren am Gesamtvolumen)

Quelle: M. Papoutsi, M. Piazzesi und M. Schneider, How unconventional is green monetary policy?, Working Paper Series der EZB, erscheint in Kürze.
Anmerkung: Die Abbildung zeigt die Anteile der einzelnen Wirtschaftssektoren an der Gesamtwirtschaft und am Anleihemarkt zusammen mit den sektoralen Anteilen der CSPP-fähigen Anleihen und den sektoralen Anteilen der von der EZB im Rahmen des CSPP erworbenen Anleihen. Die Anteile an der Gesamtwirtschaft werden als Kapitalerträge je Sektor gemessen, d. h. Wertschöpfung abzüglich Arbeitskosten. Die Anteile am Anleihemarkt beziehen sich auf die insgesamt im Umlauf befindlichen Anleihen. Die CSPP-fähigen Anteile bilden die Anleihen ab, welche die Kriterien für die Aufnahme in das CSPP erfüllen. Die Summe aller Anteile ergibt jeweils 1.

8.2 Andere Forschungsnetzwerke

Forschungsgruppe für Geldpolitik, makroprudenzielle Regulierung und Finanzstabilität bringt Arbeit zum Abschluss

Die Arbeit der Forschungsgruppe für Geldpolitik, makroprudenzielle Regulierung und Finanzstabilität wurde 2021 abgeschlossen. Die hier geleistete Forschungsarbeit hat nicht nur zahlreiche Analyseergebnisse hervorgebracht; aus der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Geldpolitik und makroprudenzieller Regulierung ergeben sich auch politische Implikationen. So analysierte die Arbeitsgruppe die Zielkonflikte zwischen der Unterstützung der Kreditvergabe an die Wirtschaft und den Risiken für die Finanzstabilität. Makroprudenzielle Maßnahmen, die systemische Risiken begrenzen, bieten zum Beispiel Schutz gegen schwere Finanzkrisen, können sich aber auch negativ auswirken, wenn sie in Phasen wirtschaftlicher Expansion die Kreditverfügbarkeit für produktive Wirtschaftsaktivitäten einschränken. Ferner sind geldpolitische Instrumente für die Förderung der Intermediationsfunktion der Banken zwar von entscheidender Bedeutung, können aber auch unbeabsichtigte Folgen haben, wenn sie Letztere dazu veranlassen, größere Risiken einzugehen.

Eine korrekte Kalibrierung der Instrumente zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors sollte diesen Zielkonflikten Rechnung tragen, da die Finanzkraft des Bankensystems die Transmission der Geldpolitik beeinflusst.

PRISMA untersucht Inflationsunterschiede zwischen Privathaushalten in unterschiedlichen Einkommensgruppen

Das Forschungsnetzwerk PRISMA (Price-setting Microdata Analysis Network) untersucht anhand von Mikrodaten das Preissetzungsverhalten auf Firmenebene und im Einzelhandel. Im Jahr 2021 analysierte das Netzwerk die heterogene Wirkung der Inflation auf unterschiedliche private Haushalte, die sich aus regionalen Faktoren und den individuellen Warenkörben dieser Haushalte ergibt.

Eine der diesbezüglichen Studien untersuchte die Bedeutung dieser Heterogenität für Haushalte in unterschiedlichen Einkommensgruppen. Dabei wurden ausgeprägte Unterschiede in den für einzelne Haushalte relevanten Inflationsraten festgestellt, die vor allem auf die individuelle Produktauswahl innerhalb von Produktkategorien zurückzuführen sind. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre waren private Haushalte mit niedrigem Einkommen dadurch einer etwas höheren Inflation ausgesetzt. Allerdings sind die Unterschiede gering und variieren von Land zu Land und im Zeitverlauf. Eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass die von Haushalten mit hohem Einkommen erlebte Inflation stärker von geldpolitischen Impulsen beeinflusst wird.

Household Finance and Consumption Network erhebt Daten für die Umfragewelle 2021

Das Household Finance and Consumption Network begann mit der Datenerhebung für die aktuelle Welle der regelmäßigen Befragung privater Haushalte zu Finanzen und Konsum. Die Forschung auf Grundlage der Umfrageergebnisse hat gezeigt, dass das Programm der EZB zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) im unteren Bereich der Einkommensverteilung zu einer deutlichen Verringerung der Arbeitslosenquote geführt hat. In anderen Forschungsarbeiten wurden die Auswirkungen der Heterogenität der privaten Haushalte auf die Transmission der Geldpolitik, das Schuldenaufkommen durch Wohnbau- und Hypothekarkredite sowie das Kreditverhalten von Wohnungseigentümerinnen und ‑eigentümern untersucht.

Etablierte Forschungsnetzwerke sorgten weiterhin für gute Abstimmung der Forschungstätigkeit im ESZB

Im Rahmen der etablierten Forschungsnetzwerke wurden weiterhin Forschungsaktivitäten innerhalb des ESZB koordiniert und Arbeitsbeziehungen mit dem universitären Bereich gepflegt. So veranstalteten die drei ESZB-Forschungscluster zu den Themen „Geld- und Währungspolitik“, „Internationale Makroökonomie, Fiskalpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Wettbewerbsfähigkeit und WWU-Governance“ sowie „Finanzstabilität, makroprudenzielle Regulierung und mikroprudenzielle Aufsicht“ Workshops zu den dringlichsten Themen in diesen Bereichen, die zum Teil mit der Pandemie zusammenhingen. Einschlägige Untersuchungen zeigten etwa, dass die Freisetzung makroprudenzieller Puffer die Kreditvergabe an private Haushalte unterstützt hat. Ein weiterer Workshop befasste sich mit den mittelfristigen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Umverteilungseffekte im Handel und an den Arbeitsmärkten.

8.3 Konferenzen und Veröffentlichungen

Austausch mit dem akademischen Bereich durch Pandemie weiterhin etwas eingeschränkt

Der Austausch mit dem universitären Bereich war durch die Pandemie nach wie vor etwas eingeschränkt. Obwohl die meisten regelmäßigen Konferenzen und Konsultationen im Rahmen von Online-Veranstaltungen stattfinden konnten, fielen viele von ihnen kleiner aus als in den Vorjahren, darunter das Zentralbankforum, die jährliche Forschungskonferenz und die Geldpolitikkonferenz der EZB. Diskutiert wurden bei diesen Gelegenheiten die längerfristigen Folgen von Covid-19 und die diesbezüglichen Handlungsmöglichkeiten der Politik, aber auch innovative Forschungsarbeiten im Zusammenhang mit der geldpolitischen Transmission und Finanzmarktstrukturen. Abseits dieser Konferenzen wurde bei der EZB im Berichtsjahr das erste CEPR/EBRD/EZB-Symposium zum Thema „Klimawandel, Finanzen und grünes Wachstum“ organisiert, bei dem politische Entscheidungsträgerinnen und ‑träger sowie Fachleute aus den Bereichen Wirtschaft und Klimawissenschaft zusammenkamen. Darüber hinaus fand im Berichtsjahr die elfte Konferenz der EZB zu Prognosetechniken statt, bei der Methoden zur Erstellung von Prognosen in außergewöhnlichen Zeiten erörtert wurden.

Veröffentlichungszahlen unverändert hoch

Im Jahr 2021 veröffentlichten EZB-Expertinnen und ‑Experten 126 Beiträge in der Working-Paper-Reihe der EZB. Darüber hinaus erschienen in der Occasional-Paper-Reihe, der Statistics-Paper-Reihe und der Discussion-Paper-Reihe der EZB stärker politisch bzw. methodologisch ausgerichtete Studien. So wurden im Jahr 2021 in der Occasional-Paper-Reihe einige Studien veröffentlicht, die von den Workstreams der Strategieüberprüfung der EZB erstellt wurden. Neben Forschungsarbeiten, die in wissenschaftliche Journals Eingang fanden, veröffentlichte die EZB auch für ein breiteres Publikum verfasste Beiträge, wie etwa die 14 im Research Bulletin publizierten Artikel.

Kasten 10
Staatliche Unterstützung während der Pandemie – Erkenntnisse aus der neuen Verbraucherumfrage der EZB

Die Covid-19-Pandemie hat sich sehr unterschiedlich auf Konsumentinnen und Konsumenten bzw. Privathaushalte ausgewirkt – abhängig von der jeweiligen persönlichen und wirtschaftlichen Situation.[112] Somit ist klar, dass der Bedarf der privaten Haushalte an Finanzhilfen je nach Land, Wirtschaftssektor, Beschäftigungsart sowie demografischen Merkmalen (z. B. familiäre Situation) bislang stark variiert hat.

Die vielfältigen Auswirkungen der Pandemie machten es sehr schwierig, Hilfen der öffentlichen Hand gezielt und effizient zu verteilen. Die nationalen Regierungen im Euroraum gewährten den privaten Haushalten auf unterschiedliche Weise umfangreiche finanzielle Unterstützung. Dabei reichten die Maßnahmen von traditionellen Sozialleistungen (automatische Stabilisatoren, bestehende Sozialprogramme) bis hin zu temporären pandemiebedingten Einkommenshilfen und nichtfinanziellen Leistungen (z. B. erweiterte Kinderbetreuung). Darüber hinaus unterstützten die Regierungen die privaten Haushalte indirekt über Subventionen für Unternehmen wie Beschäftigungszuschüsse, Kreditgarantien und Moratorien.

Im Jahresverlauf 2021 erwies sich die neue Umfrage der EZB zu den Verbrauchererwartungen (Consumer Expectations Survey – CES) als wertvolle Informationsquelle zur Beobachtung der wirtschaftlichen Auswirkungen dieser staatlichen Eingriffe. Auf Grundlage der monatlich online durchgeführten CES-Befragungen, die auf repräsentativen Stichproben privater Haushalte in den sechs größten Volkswirtschaften des Euroraums basieren (Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Niederlande), konnten international vergleichbare Daten zeitnah zur Verfügung gestellt werden. Nach der Pilotphase im Januar 2020 ging das CES-Projekt im zweiten Halbjahr 2021 in die nächste Entwicklungsphase, in der die Stichprobe und Länderabdeckung durch die Aufnahme von fünf weiteren Euro-Ländern erweitert werden. Diese Phase wird bis 2022 andauern.

Abbildung A

Pandemiebedingte staatliche Unterstützungsleistungen im Jahr 2020

(in % der Befragten, die laut eigenen Angaben im jeweiligen Bereich Unterstützung erhielten)

Quelle: Im Dezember 2020 erhobene CES-Daten.
Anmerkung: Gewichtete Aggregate. Die Befragten wurden gebeten, Folgendes zu beantworten: „Regierungen haben als Reaktion auf den Ausbruch der Covid-19-Pandemie Maßnahmen ergriffen, um private Haushalte, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Unternehmen zu unterstützen. Bitte geben Sie an, ob Ihr Haushalt seit Januar 2020 irgendeine der nachstehenden Unterstützungsleistungen erhalten hat.” Mehrfachnennungen zu den in der Abbildung auf der horizontalen Achse gezeigten direkten und indirekten Unterstützungsleistungen waren möglich.

Mithilfe der CES-Umfrageergebnisse konnte beurteilt werden, wie sich die Unterstützung der öffentlichen Hand auf einzelne Haushalte verteilte, welche Arten von Hilfsleistungen zur Verfügung standen und wie die privaten Haushalte diese staatlichen Eingriffe einschätzten. Die Ergebnisse zeigen die hohe Treffgenauigkeit der staatlichen Maßnahmen, die vor allem jenen Haushalten zugutekamen, die am dringendsten Hilfe benötigten. Wie aus Abbildung A hervorgeht, gaben knapp 30 % der Haushalte im Euroraum an, dass ihnen staatliche Hilfen gewährt wurden, während die übrigen Haushalte anführten, dass sie keine Unterstützungsleistungen erhalten hatten. Befragte aus Haushalten in den beiden untersten Einkommensquintilen gaben weitaus häufiger an, Unterstützung bekommen zu haben.[113] Die wichtigste Hilfsmaßnahme erfolgte in Form von Zahlungen zum Ausgleich von Einkommensausfällen, die rund 6 % der CES-Befragten zugutekamen.

Darüber hinaus wurden die privaten Haushalte im Rahmen des CES gebeten, die von ihnen wahrgenommene Angemessenheit staatlicher Unterstützungsleistungen in Bezug auf ihre eigene finanzielle Situation zu bewerten – unabhängig davon, ob sie Hilfe erhalten hatten oder nicht. Die Ergebnisse deuten auf einen positiven Zusammenhang zwischen dieser Einschätzung und dem Konsum der Haushalte hin, wie beispielsweise in Abbildung B für Urlaubs- und Verbrauchsgüterausgaben dargestellt ist. Tatsächlich zeigen Untersuchungen auf Basis der CES-Daten, dass derartige Wahrnehmungen ein wichtiger Faktor zur Stabilisierung des Konsums sein dürften. Private Haushalte, die angeben, dass sie staatliche Eingriffe für angemessen halten, neigen dazu, höhere Ausgaben zu tätigen, insbesondere für große Posten wie Pauschalreisen und Pkw. Dies ist wohl auf größeren Optimismus hinsichtlich Einkommensaussichten, künftigen Zugang zu Krediten und finanziellen Wohlstand zurückzuführen.[114] Dieses Muster war allerdings auch bei Haushalten zu beobachten, die keine staatliche Unterstützung erhalten hatten. Das deutet darauf hin, dass staatliche Eingriffe weiter reichende Folgen haben können und nicht nur das Verhalten der eigentlichen Zielgruppen beeinflussen.

Abbildung B

Konsum und wahrgenommene Angemessenheit pandemiebedingter staatlicher Unterstützungsleistungen

(x-Achse: durchschnittlich wahrgenommene Angemessenheit von 0 – „sehr schlecht“ bis 10 – „sehr gut“; y-Achse: Grafik a) Anteil der Befragten, die im vergangenen Monat Geld für Urlaub ausgegeben haben, in %; Grafik b) Anteil der Befragten, die im vergangenen Monat Geld für Verbrauchsgüter ausgegeben haben, in %)

Quelle: CES.
Anmerkung: Die Befragten wurden gebeten, Folgendes zu beantworten: „Regierungen leisten finanzielle Unterstützung als Reaktion auf den Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Wie bewerten Sie die Angemessenheit dieser Unterstützungsleistungen in Bezug auf die finanzielle Situation Ihres Haushalts?” Die Antwortmöglichkeiten reichten von 0 (sehr schlecht) bis 10 (sehr gut). Der Gesamtkonsum von Verbrauchsgütern ergibt sich aus der folgenden vierteljährlich gestellten Frage zum Konsum der privaten Haushalte im jeweils vergangenen Monat: “Wie viel hat Ihr Haushalt im <letzten Monat> für Güter und Dienstleistungen in den unten genannten Kategorien jeweils ausgegeben?” Außerdem wird monatlich eine ähnliche Frage gestellt, die sich auf größere Ausgaben in den vergangenen 30 Tagen bezieht (z. B. für Urlaube): „Welche der folgenden Anschaffungen haben Sie in den letzten 30 Tagen getätigt? Mehrfachnennungen möglich.“ Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Oktober 2021.

9 Rechtliche Aktivitäten und Verpflichtungen

Dieses Kapitel setzt sich mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in Sachen EZB auseinander und befasst sich mit Stellungnahmen der EZB und Verstößen gegen die Pflicht zur Konsultation der EZB zu Gesetzesvorhaben in ihrem Zuständigkeitsbereich. Ferner wird auf die von der EZB durchgeführte Überwachung der Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung und des Verbots des bevorrechtigten Zugangs eingegangen.

9.1 Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen EZB

EuGH stärkt die Position von Zentralbankpräsidenten im Rahmen des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union

In seinem Urteil vom 30. November 2021 legte der in Großer Kammer entscheidende EuGH das Protokoll (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union erstmals im Hinblick auf die Position des Präsidenten einer nationalen Zentralbank (NZB) eines Mitgliedstaates aus. Die Vorlage zur Vorabentscheidung erfolgte im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche gegen den ehemaligen Präsidenten der Latvijas Banka (Rechtssache C-3/20). Das Urteil ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Erstens stellte der EuGH klar, dass dem Präsidenten (bzw. der Präsidentin) einer NZB – ähnlich wie Beamten und sonstigen Bediensteten der Union – die Befreiung von der Gerichtsbarkeit für die in amtlicher Eigenschaft als Mitglied eines Organs der EZB vorgenommenen Handlungen zusteht. Er wies erneut darauf hin, dass die Position eines NZB-Präsidenten durch eine funktionale Doppelstellung gekennzeichnet ist, die in einem hybriden Status zum Ausdruck kommt. Eine solche Position umfasst Handlungen im Namen einer nationalen Behörde und als Mitglied des EZB-Rats (und somit im Auftrag eines Organs der EU) (siehe auch Verbundene Rechtssachen C-202/18 und C-238/18, Rimšēvičs und EZB/Lettland). Zweitens ist die Befreiung von der Gerichtsbarkeit nicht auf gerichtliche Verfahren beschränkt, sondern kann auch strafrechtliche Ermittlungen einschließen. Drittens, wenn eine nationale Behörde in irgendeinem Stadium eines Strafverfahrens feststellt, dass die fragliche Handlung vom Präsidenten einer NZB in dessen amtlicher Eigenschaft als Mitglied eines EZB-Organs vorgenommen worden sein könnte, so hat sie die EZB zu konsultieren. Ist die EZB der Auffassung, dass die Handlung tatsächlich in dieser Eigenschaft vorgenommen wurde, so hat die nationale Behörde die EZB um Aufhebung der Befreiung des NZB-Präsidenten von der Gerichtsbarkeit zu ersuchen. Es ist dann allein Sache der EZB, zu beurteilen, ob eine solche Aufhebung der Immunität den Interessen der Union zuwiderläuft. Viertens liegen Betrugs-, Korruptions- und Geldwäschehandlungen in keinem Fall im Bereich der Amtstätigkeit eines Organmitglieds der EZB. Fünftens können Beweise, die während strafrechtlicher Ermittlungen gegen einen Immunität genießenden NZB-Präsidenten erhoben werden, in Strafverfahren gegen denselben NZB-Präsidenten im Hinblick auf andere nicht unter die Befreiung von der Gerichtsbarkeit fallende Handlungen oder gegen andere Personen verwendet werden. Sechstens stehen missbräuchliche strafrechtliche Ermittlungen oder Verfahren wegen Handlungen, die nicht unter diese Befreiung fallen, dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit entgegen.

EuGH gibt EZB recht: EZB-Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls eines Kreditinstituts stellt eine vorbereitende Handlung im Abwicklungsverfahren dar und unterliegt somit keiner gesonderten gerichtlichen Überprüfung

Am 6. Mai 2021 fällte der EuGH im Rechtsmittelverfahren ein Urteil im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer Klage auf Nichtigerklärung eines Beschlusses, dem zufolge ein Kreditinstitut im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt (Verbundene Rechtssachen C-551/19 P und C-552/19 P, ABLV Bank AS u. a./EZB). Die Bewertung, ob ein Kreditinstitut ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt, stellt einen der Schritte des in Artikel 18 dieser Verordnung vorgesehenen Abwicklungsverfahrens dar. Laut Verordnung unterliegt die Festlegung eines Abwicklungskonzepts den folgenden drei kumulativen Voraussetzungen: a) das Kreditinstitut fällt aus oder fällt wahrscheinlich aus; b) es besteht keine Aussicht, dass der Ausfall des Kreditinstituts innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens durch alternative Maßnahmen abgewendet werden kann; und c) eine Abwicklungsmaßnahme ist im öffentlichen Interesse erforderlich. Die erste Voraussetzung kann seitens der EZB oder des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung (SRB) geprüft werden, während die Beurteilung der zweiten und dritten Voraussetzung durch den SRB erfolgt.

Der EuGH bestätigte die Beschlüsse des Gerichts der Europäischen Union in den Rechtssachen T-281/18 und T-283/18, denen zufolge die Klagen auf Nichtigerklärung der Feststellung seitens der EZB, dass ein Kreditinstitut ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt, unzulässig sind. Der Argumentation der EZB folgend stellte der EuGH fest, dass es sich bei den Bewertungen des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls eines Kreditinstituts um vorbereitende Handlungen im Rahmen des Abwicklungsverfahrens handelt. Durch die Bewertungen wird keine verbindliche Rechtswirkung erzeugt, die geeignet wäre, eine qualifizierte Änderung der Rechtsstellung eines Kreditinstituts herbeizuführen. Wie vom EuGH ausgeführt, stellt das Abwicklungsverfahren „ein komplexes Verwaltungsverfahren dar, an dem mehrere Behörden mitwirken und bei dem allein das Endergebnis, das dadurch zustande kommt, dass der SRB seine Befugnisse ausübt, Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung [vor den Gerichten der Europäischen Union] sein kann“. Die von der EZB vorgenommene Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls eines Kreditinstituts unterliegt daher keiner gesonderten gerichtlichen Überprüfung; jedoch könnte die Bewertung der EZB einer Überprüfung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens unterzogen werden, das gegen die vom SRB getroffene, abschließende Entscheidung im Abwicklungsverfahren gemäß Artikel 18 der Verordnung Nr. 806/2014 eingeleitet wird.

9.2 Stellungnahmen der EZB und Verstöße gegen die Konsultationspflicht

Die EZB ist gemäß Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu allen in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Vorschlägen für Rechtsakte der EU und Entwürfen für Gesetzesvorhaben auf nationaler Ebene zu hören. Sämtliche Stellungnahmen der EZB sind über EUR-Lex abrufbar. Sofern sie Vorschläge für Rechtsakte der EU betreffen, werden die Stellungnahmen der EZB auch im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Im Jahr 2021 verabschiedete die EZB acht Stellungnahmen zu Vorschlägen für Rechtsakte der Union sowie 32 Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben auf nationaler Ebene, die in ihren Zuständigkeitsbereich fielen.

Eindeutige und erhebliche Verstöße gegen die Verpflichtung zur Konsultation der EZB

Im Berichtsjahr wurden drei nationales Recht betreffende Fälle verzeichnet, in denen gegen die rechtliche Verpflichtung zur Anhörung der EZB zu Gesetzesvorhaben[115] verstoßen wurde. Der erste Fall betraf eine Änderung des litauischen Arbeitsrechts, der zufolge Entgeltzahlungen und andere beschäftigungsbezogene Zahlungen auf ein von einem Arbeitnehmer spezifiziertes Bankkonto einzuzahlen sind. Analog zu früheren Stellungnahmen, in denen die EZB die Erfüllung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit forderte, stufte die EZB diesen Fall aufgrund potenzieller restriktiver Auswirkungen u. a. auf Zahlungsmittel in Litauen als eindeutig und erheblich ein. Im zweiten Fall ging es um eine Änderung des polnischen Einkommenssteuergesetzes, mit der etwa gewisse Beschränkungen von Barzahlungen für Verbraucher und Unternehmen eingeführt wurden. Im Einklang mit vorangegangenen EZB-Stellungnahmen wurde auch dieser Fall im Hinblick auf seine möglicherweise beschränkende Wirkung u. a. auf Zahlungsmittel in Polen als eindeutig und erheblich erachtet. Der dritte Fall betraf ein spanisches Gesetz über Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Steuerbetrug, das eine Obergrenze von 1 000 € für Barzahlungen von natürlichen, nicht beruflich oder gewerblich handelnden Personen mit steuerlichem Wohnsitz in Spanien an beruflich oder gewerblich handelnde Parteien vorsah. Entsprechend bisherigen EZB-Stellungnahmen wurde dieser Fall aufgrund seines möglichen negativen Einflusses auf den baren Zahlungsverkehr in Spanien als eindeutig und erheblich betrachtet.

Stellungnahmen der EZB zu Vorschlägen für EU-Rechtsakte

Die EZB äußerte sich offiziell zu sieben Gesetzesvorschlägen auf EU-Ebene rund um Innovationen in den Bereichen digitales Finanzwesen, Green Finance und künstliche Intelligenz (KI). Die Stellungnahmen betrafen die Regulierung von Krypto-Assets; Cybersicherheit und digitale betriebliche Systemstabilität im Finanzsektor; eine Pilotregelung für auf der Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen; die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen und grüne Anleihen; sowie die Bereitstellung und Nutzung von KI-Systemen durch Kreditinstitute. In ihren Stellungnahmen brachte die EZB eine Reihe von Feststellungen bezüglich der Auswirkungen dieser Innovationen auf die Geldpolitik, die Marktinfrastrukturen und den Zahlungsverkehr sowie die Aufsicht über Kreditinstitute und die Finanzstabilität vor. In einer weiteren Stellungnahme warnte die EZB außerdem vor einem Vorschlag der EU, der die Verwendung von durch die EZB veröffentlichten Euro-Referenzkursen für Währungsumrechnungsdienstleistungen vorsieht.

Stellungnahmen der EZB zu nationalen Gesetzesvorhaben

Die EZB verabschiedete auch eine Reihe von Stellungnahmen im Zusammenhang mit Währungs- und Zahlungsmittelfragen, darunter die Ausgabe und der Umlauf von Euro-Banknoten und ‑Münzen in Lettland; die Annahmepflicht von Barzahlungen in Dänemark und Polen; der Schutz der Euro-Banknoten und ‑Münzen vor Fälschung in Irland; und Rundungsregeln für Zahlungen in Euro-Cent in der Slowakei.

Weitere von der EZB abgegebene Stellungnahmen zu nationalen Gesetzesvorhaben betrafen die Regulierung und Überwachung der Zahlungs- bzw. Wertpapierabwicklungssysteme in Italien, Lettland, Litauen und Ungarn.

Überdies verabschiedete die EZB zahlreiche Stellungnahmen zu nationalen Gesetzesvorhaben betreffend die NZBen. So äußerte sie sich zu den neuen Aufgaben der Banco de España im Zusammenhang mit der Überwachung der von Kreditinstituten emittierten gedeckten Schuldverschreibungen und der Einhaltung von Anforderungen in Bezug auf den einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) seitens der Nutzer von Zahlungsdienstleistungen; zur Konformität der Statuten der Българска народна банка (der Bulgarischen Nationalbank) mit den Anforderungen in Bezug auf die Zentralbankunabhängigkeit; zu einer grundlegenden Reform der Latvijas Banka zur Aktualisierung ihrer Governance-Struktur und geplanten Eingliederung der Aufsichts- und Abwicklungsfunktionen in die Bank; zur Haftung der Eesti Pank für die estnische Finanzmarktaufsicht (Finantsinspektsioon); zur Notwendigkeit, NZBen gemäß des Verbots der monetären Finanzierung für die Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben zu vergüten (z. B. die neue Aufgabe der Central Bank of Cyprus im Zusammenhang mit der nationalen Verteidigungsbereitschaft, die Aufgaben der Central Bank of Ireland betreffend Münzen und die Aufgaben der Oesterreichischen Nationalbank im Zusammenhang mit dem Fiskalrat); zur Spezifizierung des Mandats der Magyar Nemzeti Bank im Zusammenhang mit nachhaltigem Umweltschutz; zur Unterstützung der ungarischen Behörden dahingehend, die direkte Vergabe von Krediten für Energieeffizienz an Verbraucher nicht an die Magyar Nemzeti Bank zu übertragen; zur Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung der Kreditvergabe durch die Narodowy Bank Polski an den polnischen Bankgarantiefonds; zur Verbesserung der für die Kreditgeschäfte der Narodowy Bank Polski geltenden Rechtssicherheit; zur Einhaltung der im AEUV verankerten Vorgaben seitens der Central Bank of Cyprus im Zusammenhang mit ihren Aufgaben zur Notfall- und Zivilschutzplanung; zur Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung von Beiträgen der Banca d’Italia und der Oesterreichischen Nationalbank im Zusammenhang mit der Teilnahme Italiens und Österreichs an IWF-bezogenen Programmen; zur geplanten Aufgabe der Banka Slovenije, die Einhaltung von Vorgaben zur Restrukturierung von Krediten in Schweizer Franken durch Kreditinstitute zu überwachen; zur Teilnahme der Central Bank of Cyprus an den Überwachungstätigkeiten im Zusammenhang mit dem von der Regierung Zyperns während der Covid-19-Pandemie bereitgestellten Garantierahmen für Kreditinstitute; zu den Auswirkungen der Auflagen im Bereich der Informationsfreiheit auf die Oesterreichische Nationalbank; und zu den Mindestreserveanforderungen der Narodowy Bank Polski.

Die EZB bezog im Berichtsjahr außerdem Stellung zu nationalen die Statistik betreffenden Gesetzesvorhaben, so zu Datensätzen multinationaler Unternehmensgruppen in Deutschland; zur Einführung einer nationalen Identifikationsnummer für Unternehmen und eines Registers für grundlegende Unternehmensdaten in Deutschland; zur Erhebung statistischer Daten zu grenzüberschreitenden Dienstleistungen in Österreich; zur Erfassung statistischer Daten in Lettland; und zur Meldung kreditbezogener Daten in Belgien.

Auch im Bereich der Aufsicht über Kreditinstitute gab die EZB Stellungnahmen zu nationalen Gesetzesvorhaben ab, darunter zu den Auswirkungen der Auflagen im Bereich der Informationsfreiheit in Österreich; zu den Implikationen eines Transparenzrahmens für Verträge im Zusammenhang mit der Verwendung öffentlicher Mittel in Portugal zum Schutz vertraulicher aufsichtsrelevanter Angaben; zu latenten Steueransprüchen griechischer Kreditinstitute; zur Gründung estnischer Kreditinstitute mit einer anfänglichen Kapitalausstattung von 1 bis 5 Mio €; zur Einhaltung von Anforderungen betreffend die Unabhängigkeit der Bankenaufsicht im Rahmen einer staatlichen Prüfung der estnischen Finanzaufsichtsbehörde; zur Genehmigung der Emission gedeckter Schuldverschreibungen durch finnische und spanische Kreditinstitute; zu den für die estnische Finanzaufsichtsbehörde bzw. die EZB geltenden Fristen zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen bei estnischen Kreditinstituten; zur Aufsicht über Auslagerungsvereinbarungen von Kreditinstituten in Deutschland; zur Einführung neuer Gründe für die Einleitung des Prozesses zum Entzug von Bankzulassungen im Fall slowenischer Kreditinstitute; und zur Anerkennung von Close-Out-Nettingvereinbarungen als risikomindernde Faktoren für Kreditinstitute auf Basis lettischer Rechtsvorschriften.

Nicht zuletzt verabschiedete die EZB eine Reihe von Stellungnahmen zu nationalen Gesetzesentwürfen im Bereich der Finanzstabilität, wie etwa zur Teilnahme des Hellenischen Finanzstabilitätsfonds an den Kapitalerhöhungen von griechischen Kreditinstituten für andere Zwecke als eine vorsorgliche Rekapitalisierung oder Abwicklung; zum makroprudenziellen Mandat und Instrumentarium der Latvijas Banka; zur Restrukturierung von Krediten in Schweizer Franken in Slowenien; zur Regulierung von Inkongruenzen bei Kreditlaufzeiten in Ungarn; und zur Durchsetzbarkeit von Close-Out-Nettingvereinbarungen in Lettland.

9.3 Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung und des bevorrechtigten Zugangs

Gemäß Artikel 271 Buchstabe d des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist die EZB mit der Aufgabe betraut, die Einhaltung der in Artikel 123 und 124 des AEUV sowie in den Verordnungen (EG) Nr. 3603/93 und 3604/93 des Rates festgelegten Verbote durch die nationalen Zentralbanken (NZBen) der EU-Mitgliedstaaten zu überwachen. Nach Artikel 123 ist es der EZB und den NZBen untersagt, Regierungsstellen sowie Organen bzw. Einrichtungen der EU Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten einzuräumen oder von solchen Institutionen begebene Schuldtitel am Primärmarkt zu erwerben. Gemäß Artikel 124 sind Maßnahmen, die nicht aus aufsichtsrechtlichen Gründen getroffen werden und die Regierungsstellen sowie Organen bzw. Einrichtungen der EU einen bevorrechtigten Zugang zu Finanzinstituten verschaffen, verboten. Über die Einhaltung dieser Bestimmungen durch die Mitgliedstaaten wacht neben dem EZB-Rat auch die Europäische Kommission.

Die EZB überwacht ferner die durch die Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten am Sekundärmarkt getätigten Käufe von Schuldtiteln der öffentlichen Hand – also Käufe inländischer Staatspapiere sowie Käufe von Schuldtiteln, die von anderen Mitgliedstaaten oder von Organen bzw. Einrichtungen der EU begeben wurden. Laut den Erwägungsgründen der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates darf der Erwerb von Schuldtiteln der öffentlichen Hand am Sekundärmarkt nicht zur Umgehung der Zielsetzung von Artikel 123 des AEUV genutzt werden. Solche Käufe dürfen also nicht zu einer indirekten monetären Finanzierung des öffentlichen Sektors führen.

Verbote gemäß Artikel 123 und 124 des AEUV grundsätzlich eingehalten

Die für 2021 von der EZB durchgeführten Prüfungen bestätigen, dass die Bestimmungen von Artikel 123 und 124 des AEUV im Allgemeinen eingehalten wurden.

Die EZB wird weiterhin die Beteiligung der Magyar Nemzeti Bank an der Budapester Börse überwachen, da die im November 2015 begründete Mehrheitsbeteiligung der ungarischen Zentralbank an der Budapester Börse nach wie vor Anlass zu Bedenken hinsichtlich der monetären Finanzierung geben könnte.

Die irische Zentralbank konnte 2021 den Bestand an Vermögenswerten im Zusammenhang mit der Irish Bank Resolution Corporation (IBRC) durch Veräußerung langfristiger, variabel verzinster Anleihen reduzieren und so dem erforderlichen vollständigen Abbau dieser Vermögenswerte einen Schritt näher kommen. Weitere Veräußerungen dieser Vermögenswerte auf Grundlage eines angemessenen Zeitplans würden die nach wie vor schwerwiegenden Bedenken hinsichtlich der monetären Staatsfinanzierung weiter ausräumen.

Die Finanzierung von Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber dem IWF durch NZBen ist nicht als monetäre Finanzierung anzusehen, sofern daraus Forderungen an das Ausland erwachsen, die alle Merkmale eines Reserveinstruments aufweisen. Allerdings führen Schenkungen, wie sie einige NZBen hoch verschuldeten armen Ländern im Wege eines Schuldenerlasses über den IWF zur Verfügung gestellt haben, nicht zu Forderungen an das Ausland. Derartige finanzielle Beiträge zu IWF-Initiativen vonseiten der NZBen sind daher nicht mit dem Verbot der monetären Finanzierung vereinbar, sodass Korrekturmaßnahmen angezeigt sind.

10 Die EZB im europäischen und internationalen Kontext

Die EZB setzte ihren intensiven Dialog mit europäischen und internationalen Partnern im Jahr 2021 fort. Die Beziehungen der EZB zum Europäischen Parlament spielen eine wesentliche Rolle bei der Erfüllung ihrer Rechenschaftspflicht. Im Rahmen der Strategieüberprüfung und des Projekts zum digitalen Euro arbeitete die EZB im Berichtsjahr – in regelmäßigen Anhörungen und außertourlichen Sitzungen sowie auf Grundlage schriftlicher Korrespondenz – eng mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments (ECON) zusammen. Darüber hinaus pflegte die EZB auch einen konstruktiven Austausch mit den Finanzministerien und Zentralbanken der G 20 und beteiligte sich aktiv an zentralbankrelevanten Diskussionen beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Der Schwerpunkt lag dabei auf politischen Maßnahmen zur Förderung einer weltweiten Erholung von der Covid-19-Pandemie. Darüber hinaus brachte die EZB bei gemeinsamen Positionierungen innerhalb der EU bzw. des Euroraums in internationalen Foren ihre Expertise und Perspektive ein. In einem für die Unterstützung der Weltwirtschaft bedeutenden Schritt beschloss der IWF im Berichtsjahr eine neue allgemeine Zuteilung von Sonderziehungsrechten. Das Eurosystem konnte hier seinen Beitrag leisten, indem es sicherstellte, dass der freiwillige Markt für den Austausch von Sonderziehungsrechten gut funktionierte.

10.1 Die Rechenschaftspflicht der EZB

Unabhängigkeit muss mit einem entsprechenden Maß an Rechenschaftspflicht einhergehen

Die Unabhängigkeit, die der EZB im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eingeräumt wird, ermöglicht es ihr, ihr Preisstabilitätsmandat frei von politischer Einflussnahme zu erfüllen. Dieser Unabhängigkeit steht notwendigerweise auch ein entsprechendes Maß an Rechenschaftspflicht gegenüber. Laut AEUV hat die EZB ihre Handlungen primär gegenüber dem Europäischen Parlament als der gewählten Vertretung der EU-Bevölkerung zu verantworten. Ihre Rechenschaftspflicht gegenüber dem Europäischen Parlament wirksam zu erfüllen, war und ist für die EZB nach wie vor unerlässlich. Der Austausch mit dem Europäischen Parlament ermöglicht es der EZB, ihre Maßnahmen gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern der EU-Bevölkerung zu erläutern und deren Bedenken Rechnung zu tragen. In der gelebten Praxis geht die EZB bei der Erfüllung ihrer Rechenschaftspflicht mittlerweile weit über die in Artikel 284 Absatz 3 des AEUV festgesetzten Anforderungen hinaus. Ergänzend unterliegt die EZB auch der Überprüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.

Austausch mit dem Europäischen Parlament

Neben den vier regelmäßigen Anhörungen vor dem ECON nahm die Präsidentin der EZB im Februar 2021 auch an der Plenardebatte des Europäischen Parlaments zum EZB-Jahresbericht 2019 teil. Im April 2021 folgte im ECON die Präsentation des EZB-Jahresberichts 2020 durch den EZB-Vizepräsidenten. Das Feedback der EZB zu den Anregungen des Europäischen Parlaments in seiner Entschließung zum EZB-Jahresbericht 2019 wurde auf der Website der EZB veröffentlicht. Darüber hinaus beantwortete die EZB im Jahr 2021 46 schriftliche Anfragen von Mitgliedern des Europäischen Parlaments.

Auch abseits des tourlichen Austauschs arbeitete die EZB im Rahmen der Strategieüberprüfung und des Projekts zum digitalen Euro eng mit dem ECON zusammen (siehe Kasten 11). So nahm eine Delegation von ECON-Mitgliedern im Februar 2021 am jährlichen Besuch bei der EZB teil, der dieses Mal virtuell stattfand. Im Mai organisierte die EZB im Zusammenhang mit der Strategieüberprüfung einen weiteren virtuellen Besuch im Rahmen ihrer Initiative „Die EZB hört zu“ sowie einen Termin zum digitalen Euro mit der Präsidentin der EZB und den Direktoriumsmitgliedern Philip Lane und Fabio Panetta. Nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Strategieüberprüfung am 8. Juli organisierte die EZB außerdem eine Sitzung mit dem ECON, um die neue geldpolitische Strategie zu erläutern und Fragen der ECON-Mitglieder zu beantworten.

Den jüngsten Ergebnissen der Eurobarometer-Umfrage zufolge genießt der Euro die Zustimmung von 79 % der Menschen im Euro-Währungsgebiet, und 47 % haben tendenziell Vertrauen in die EZB.[116] Damit haben sich beide Indikatoren gegenüber dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau verbessert (Herbst 2019) – eine positivere Entwicklung als in früheren Krisenphasen. Die höheren Vertrauenswerte deuten darauf hin, dass die Bürgerinnen und Bürger die Arbeit der EZB bei der Bewältigung der Pandemiekrise und die Verbesserung ihrer Kommunikation mit der Bevölkerung anerkennen. Die EZB wird ihre Bemühungen fortsetzen, ihre Entscheidungen in einem konstruktiven Dialog mit dem Europäischen Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern zu erläutern sowie deren Bedenken umfassend Gehör zu schenken.

10.2 Internationale Beziehungen

G 20

EZB lieferte konstruktive Beiträge zu G-20-Initiativen rund um Covid-19-Krisenbewältigung, Klimaschutz und Finanzsektorfragen

Die Finanzministerien und Zentralbanken der G 20 bekräftigten mehrfach ihre Entschlossenheit, alle verfügbaren Instrumente zur Bekämpfung der Covid-19-Krise so lange wie erforderlich einzusetzen. Längerfristig ist aus Sicht der G 20 eine zielgerichtetere Unterstützung erforderlich, die auf eine inklusive, digitale, grüne und nachhaltige Erholung abzielt. In diesem Zusammenhang wird ein mehrjähriger, freiwilliger Stufenplan für ein nachhaltiges Finanzwesen unterstützt. Auch andere Finanzmarktthemen beschäftigten die G 20 im Berichtsjahr: So wurden digitale Zentralbankwährungen und globale Stablecoins diskutiert sowie die Umsetzung des Fahrplans zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs in Angriff genommen. Die G 20 wiesen ferner auf die Notwendigkeit hin, die Widerstandsfähigkeit von Finanzintermediären außerhalb des Bankensektors (einschließlich Geldmarktfonds) zu stärken und verabschiedeten die entsprechenden Arbeitsprogramme des Finanzstabilitätsrats. Darüber hinaus stimmten die G 20 dem wegweisenden Plan der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Reform der internationalen Besteuerung zu. Nicht zuletzt unterstützten die G 20 mit ihrer Initiative zur vorübergehenden Aussetzung des Schuldendiensts (DSSI) und ihrem gemeinsamen Rahmen für Umschuldungen und Schuldenerlässe im Berichtsjahr vulnerable Länder.

IWF und internationale Finanzarchitektur

Neue IWF-Initiativen zur Unterstützung seiner Mitglieder im Umgang mit den Folgen der Pandemie

Der IWF spielte weiterhin eine zentrale Rolle in der Pandemiebekämpfung durch die internationale Staatengemeinschaft und unterstützte ab März 2020 fast die Hälfte seiner Mitglieder, insbesondere einkommensschwache Länder, mit Krediten. Trotz der Vergabe zahlreicher Kredite war die Mittelausstattung des IWF nach wie vor angemessen; dies wird weiterhin kontinuierlich überwacht. Im Sommer 2021 teilte der IWF allen Mitgliedstaaten Sonderziehungsrechte (SZR) in noch nie da gewesener Höhe zu – eine Finanzspritze für die Weltwirtschaft von historischem Ausmaß (siehe Kasten 12). Bei der IWF-Jahrestagung 2021 wurde zudem eine breite Einigung dahingehend erzielt, dass es Mitgliedern mit starken außenwirtschaftlichen Positionen möglich sein soll, freiwillig SZR an Länder mit niedrigen bzw. mittleren Einkommen weiterzugeben, die anfällig für wirtschaftliche Schocks sind. Hierfür soll zeitnah eine vom IWF verwaltete Resilienz- und Nachhaltigkeitsstiftung (RST) eingerichtet werden. Damit die ESZB-Zentralbanken SZR an die Stiftung verleihen können, muss der Währungsreservecharakter dieser SZR gewährleistet sein. Dadurch sind ausreichend Liquidität und ein geringes Kreditrisiko für Zentralbankforderungen garantiert.

Angesichts der Auswirkungen der Pandemie auf die Schuldensituation vieler Länder setzte der IWF seine Arbeit in diesem Bereich fort. Eine Arbeitsgruppe des ESZB-Ausschusses für internationale Beziehungen veröffentlichte 2021 einen Bericht über die Rolle des IWF bei der Restrukturierung von Staatsschulden, der eine Reihe von Empfehlungen enthält. Diese leisteten einen wertvollen Beitrag im Zuge der Überprüfung der IWF-Schuldenpolitik, insbesondere der Kreditvergabe bei bereits aufgelaufenen Zahlungsrückständen.

Mit zunehmender Erholung von der Krise wird die Bedeutung der Überwachung durch den IWF zunehmen – insbesondere, wenn Länder Rat dabei benötigen, wie ein ökologischer, inklusiver und digitaler Aufschwung gelingen kann. In diesem Zusammenhang schloss der IWF im Mai 2021 die eingehende Überprüfung seiner Überwachungstätigkeit sowie die Evaluierung des Programms zur Bewertung des Finanzsektors (FSAP) ab. Außerdem entwickelte er im Berichtsjahr eine Strategie zur Bewältigung klimapolitischer Herausforderungen. Im Jahr 2022 wird der IWF seine Überprüfung der 2012 beschlossenen einheitlichen institutionellen Sichtweise zur Kapitalverkehrsliberalisierung und Lenkung von Kapitalströmen abschließen. Diese erlaubt unter bestimmten Umständen den Einsatz von Kapitallenkungsmaßnahmen.

Kasten 11
Projekt „Digitaler Euro“ – EU-weite Abstimmung auf politischer Ebene

Die erfolgreiche Einführung eines digitalen Euro erfordert gut abgestimmte Vorbereitungen vonseiten der europäischen Behörden und Institutionen. Diese haben sich nach Maßgabe ihres jeweiligen Mandats unabhängig einzubringen. Das Europäische Parlament und andere EU-Institutionen begrüßen die Arbeit des Eurosystems an einem digitalen Euro.[117] Die EZB hat von Anfang an einen intensiven Austausch mit politischen Entscheidungsträgerinnen und ‑trägern auf EU-Ebene gepflegt; dieser hat sich seit Beginn der Untersuchungsphase des Projekts weiter vertieft.[118] Der regelmäßige Austausch zu wichtigen Gestaltungsfragen und politisch relevanten Aspekten rund um den digitalen Euro wird auch im weiteren Verlauf sicherstellen, dass die Ansichten des Europäischen Parlaments und anderer politischer Kräfte in Europa in die Diskussionen des Eurosystems einfließen.[119] Sollten Änderungen am Rechtsrahmen der EU erforderlich sein, so werden diese auf Vorschlag der Europäischen Kommission auf Ebene der EU-Gesetzgebung beschlossen werden.

Die Sondierungsphase mit der Europäischen Kommission ist noch nicht abgeschlossen. Seit Januar 2021 prüfen die Dienstleistungsbereiche bei der EZB und der Europäischen Kommission gemeinsam vielfältige politische, rechtliche und technische Umsetzungsfragen, die sich aus der möglichen Einführung eines digitalen Euro ergeben. Dabei sind auch die jeweiligen in den EU-Verträgen verankerten Mandate und die Unabhängigkeit der involvierten Stellen zu berücksichtigen.[120] Die gemeinsame Arbeitsgruppe hat sich als wertvolles Forum für den Meinungsaustausch und die Abstimmung von Fragen zum digitalen Euro erwiesen.

Über das gesamte Berichtsjahr hinweg tauschte sich die EZB mit dem Europäischen Parlament zum digitalen Euro aus: Im April und November erläuterte Direktoriumsmitglied Fabio Panetta die Arbeit der EZB zu diesem Projekt vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON).[121] Zusätzliche Möglichkeiten für die Mitglieder des Europäischen Parlaments, Fragen zum Projekt „Digitaler Euro“ zu stellen, ergaben sich bei den regelmäßigen Anhörungen der EZB-Präsidentin, der Plenardebatte zur Entschließung des Europäischen Parlaments zum EZB-Jahresbericht 2020 sowie beim virtuellen Besuch einer ECON-Delegation bei der EZB. Darüber hinaus kommunizierte die EZB-Präsidentin die Ansichten der EZB zu einem digitalen Euro im Zuge der Beantwortung mehrerer schriftlicher Anfragen von Mitgliedern des Europäischen Parlaments.[122]

Nicht zuletzt wurde die Option eines digitalen Euro auch von den Finanzministerinnen und ‑ministern des Euroraums mehrfach erörtert. Nach ersten Bestandsaufnahmen im April und Juli 2021 verständigte man sich innerhalb der Euro-Gruppe darauf, regelmäßig Diskussionen zu den Auswirkungen eines digitalen Euro anzusetzen.[123] Das erste dieser Gespräche im Rahmen eines technischen Seminars mit den Mitgliedstaaten fand im November 2021 statt, wobei der Schwerpunkt auf den politischen Zielen und der Nutzung des digitalen Euro im globalen Kontext lag.[124]

Kasten 12
Zuteilung von Sonderziehungsrechten aus Sicht des Eurosystems

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat 2021 eine besonders hohe Zuteilung von Sonderziehungsrechten (SZR)[125] beschlossen. So wurden am 23. August SZR im Gegenwert von rund 650 Mrd USD zugeteilt, um dem langfristigen weltweiten Bedarf an Währungsreserven zu entsprechen, die globale Liquidität zu verbessern und Ländern dabei zu helfen, die Pandemiekrise besser zu bewältigen. Damit hat sich der Gesamtbestand an SZR in etwa verdreifacht. Alle IWF-Mitgliedstaaten, einschließlich aller EU-Länder, erhielten entsprechend ihrer IWF-Quoten anteilig SZR. Da die EZB kein Mitglied des IWF ist, wurden ihr keine SZR zugeteilt. Als zugelassene Inhaberin von SZR kann sie allerdings SZR-Transaktionen durchführen.

IWF-Mitglieder können SZR als Teil ihrer Währungsreserven halten oder in außerhalb des IWF-Systems nutzbare Zahlungsmittel umwandeln. Ein solcher Umtausch erfolgt vor allem am SZR-Markt, also über jene IWF-Mitgliedstaaten, die sich bereit erklärt haben, SZR zu kaufen bzw. zu verkaufen, und die diesbezügliche freiwillige Handelsvereinbarungen (VTAs) unterzeichnet haben. Der IWF vermittelt dabei zwischen den Ankaufs- und den Verkaufsparteien. Ein gut funktionierender SZR-Markt unterstützt das Ziel, das mit der neuen Zuteilung verfolgt wird. Vor der Zuteilung im August stimmten die Zentralbanken des Eurosystems daher einer Überarbeitung ihrer VTAs zu. Einerseits galt es, die gesamte Absorptionskapazität am SZR-Markt proportional zu erhöhen, andererseits, eine stärkere operationale Harmonisierung innerhalb des Eurosystems zu erreichen. Ein reibungsloses Funktionieren von VTAs wäre auch für die Effektivität der Resilienz- und Nachhaltigkeitsstiftung, die der IWF möglichst bald unter seiner Verwaltung einrichten möchte, von entscheidender Bedeutung.

Ende 2021 gab es aufrechte VTAs mit 35 IWF-Mitgliedern (unter anderem mit 17 Ländern des Euroraums; kürzlich haben Litauen und Estland neue VTAs unterzeichnet) sowie mit einer zugelassenen Inhaberin (EZB). Auf dieser Grundlage stehen insgesamt eine Ankaufskapazität[126] von 240 Mrd SZR und eine Verkaufskapazität von 123 Mrd SZR zur Verfügung. Im Zuge der weltweiten Bemühungen, mit liquiditätsfördernden Maßnahmen die Erholung nach der Pandemie zu unterstützen, nimmt das Eurosystem somit eine wichtige Vermittlungsposition ein.

11 Gute Unternehmensführung und mehr soziale und ökologische Nachhaltigkeit bei der EZB

Im Jahr 2021 verpflichtete sich die EZB zu einer umfassenderen Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, die für interne und externe Interessengruppen von Bedeutung sind. Daher wurde damit begonnen, den bestehenden Rahmen für die Umweltberichterstattung um Governance-Themen sowie gesellschaftliche und personelle Aspekte zu erweitern. Dabei gilt es auch, die Anforderungen der Richtlinie zur Angabe nichtfinanzieller Informationen zu berücksichtigen.[127] Dieses Kapitel gibt einen Überblick über den Standpunkt der EZB zu den relevanten Themen, die im Rahmen einer Wesentlichkeitsbeurteilung ermittelt wurden. Diese Beurteilung trug entscheidend zur Definition der künftigen Berichtsinhalte bei und fließt auch in die bevorstehende Überarbeitung der Geschäftsstrategie der EZB ein, wodurch Nachhaltigkeit noch stärker in die Unternehmensführung integriert werden soll.

11.1 Nachhaltigkeitsmanagement und verbundene Auswirkungen und Risiken

Im Jahr 2021 identifizierte die EZB im Rahmen einer Wesentlichkeitsbeurteilung die für sie wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen. Koordiniert wurde dieser Prozess von einer internen Arbeitsgruppe, die sich aus Mitgliedern zentraler Bereiche der gesamten Organisation zusammensetzte. Der erste Schritt in diesem Prozess bestand in einer Auswahl von Nachhaltigkeitsthemen auf Basis einschlägiger Richtlinien, Standards und Benchmarks sowie auf Grundlage einer Analyse der spezifischen Situation der EZB und Erwartungen der relevanten Interessengruppen. Der zweite Teil der Beurteilung ging mit einer aktiven Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Stellen innerhalb und außerhalb der EZB einher, etwa mit Vertreterinnen und Vertretern nationaler Zentralbanken, europäischer Institutionen und einiger wichtiger externer Dienstleister der EZB.

Erste Wesentlichkeitsbeurteilung 2021 zeigt, welche Themen der EZB in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance wichtig sind

Die Relevanz (Wesentlichkeit) der Themen wurde aus interner und externer Perspektive bewertet. So wurde ermittelt, wie Nachhaltigkeitsaspekte die Organisation beeinflussen und wie sich das Handeln der EZB auf die Gesellschaft und die Umwelt auswirkt. Anschließend wurden die als wesentlich identifizierten Themen dem Direktorium der EZB vorgestellt und auf dieser Grundlage die zentralen Berichtsthemen für den Jahresbericht erarbeitet (siehe Schaubild 11.1).

Schaubild 11.1

Die wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen für die EZB

Quelle: EZB.

Die EZB befasst sich auch im Rahmen der Steuerung operationeller Risiken mit Nachhaltigkeitsrisiken. Wie im Jahresabschluss im Kapitel zum Risikomanagement näher ausgeführt wird, ist das Management operationeller Risiken integraler Bestandteil der Governance-Struktur der EZB.[128] So hat die EZB Managementprozesse eingerichtet, die einen effektiven Umgang mit allen operationellen Risiken erleichtern, einschließlich aller Risiken und Chancen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (environmental, social, governance – ESG).

In der Praxis werden ESG-Risiken und ‑Chancen unter anderem im Rahmen der jährlichen Aktualisierung des Risiko- und Risikotragfähigkeitsprofils berücksichtigt. Sie fließen in die Beobachtung relevanter Umwelttrends ein, welche wiederum als Input für Gespräche mit der Geschäftsleitung dient. Sie werden auch bei der Identifizierung, Beurteilung, Meldung und Überwachung von – sowie im Umgang mit – operationellen Risiken, Vorfällen und Kontrollen in den einzelnen Geschäftsbereichen berücksichtigt, entweder im Rahmen jährlicher Überprüfungen oder anlassbezogen im Rahmen der laufenden Steuerung.

11.2 Ethisches Verhalten und Integrität weiter stärken

Stärkere Sensibilisierung der Belegschaft für Ethikfragen

Die EZB entwickelte weitere Initiativen für neu aufgenommene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Ethics Awareness Week, Open Ethics Days) sowie spezielle Schulungen, um die Belegschaft effektiver und nachhaltiger mit den geltenden Ethikregeln vertraut zu machen. So sind etwa alle Neueintritte dazu angehalten, einen E-Learning-Kurs zum Thema „Being ethical“ zu absolvieren. Initiativen wie diese stärken die Verbindlichkeit des Ethikrahmens, der die Grundlage für das Bekenntnis der EZB zur Förderung von Integrität, guter Unternehmensführung und höchsten ethischen Standards bildet. Die EZB-Belegschaftsmitglieder wissen um den bestehenden Ethikrahmen und stützen sich auch darauf: Die Stabsstelle Compliance und Governance, die dafür zuständig ist, die Einhaltung der Ethik- und Governance-Regeln bei der EZB zu überwachen, reagierte 2021 auf mehr als 2 000 Anfragen zu einer Vielzahl von Themen, die zu gleichen Teilen aus dem Zentralbank- und dem Bankenaufsichtsbereich eingebracht wurden. Fast 60 % der Anfragen betrafen private Finanztransaktionen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gefolgt von Anfragen zu externen Tätigkeiten und Beschränkungen nach Beendigung des Dienstverhältnisses (siehe Abbildung 11.1). Die mithilfe eines externen Wirtschaftsprüfungsunternehmens durchgeführten Compliance-Prüfungen bestätigten die generelle Einhaltung der Vorschriften zu privaten Finanztransaktionen durch die Mitglieder der Belegschaft und der hochrangigen EZB-Gremien.

Abbildung 11.1

Übersicht zu Anfragen aus der EZB-Belegschaft im Jahr 2021

(Anzahl der Anfragen)

Quelle: EZB.

2021 war das erste volle Betriebsjahr des Whistleblowing-Tools, mit dem seit Oktober 2020 mutmaßliche Verstöße gegen Dienstpflichten online gemeldet werden können. Über dieses Tool (aber auch über andere Kanäle) wurden im Berichtsjahr anonym oder namentlich zuordenbar Meldungen erstattet, die eine Reihe von Themen – von Herabwürdigungen am Arbeitsplatz bis zu Betrug und Veruntreuung – betrafen. Alle Meldungen werden einer vorläufigen Prüfung unterzogen, auf deren Grundlage gegebenenfalls weitere Maßnahmen ergriffen werden. Für hochrangige Funktionsträger der EZB war der Ethikausschuss der EZB bei der Umsetzung des einheitlichen Verhaltenskodex weiterhin beratend tätig; ferner überprüfte der Ausschuss die Erklärungen betreffend Interessenkonflikte vonseiten der Mitglieder des Direktoriums, des EZB-Rats und des Aufsichtsgremiums vor deren Veröffentlichung auf der EZB-Website. Die Zahl der vom Ethikausschuss abgegebenen Stellungnahmen nahm im Jahr 2021 zu; sie betrafen vorwiegend Handlungen, die Bedienstete als Privatpersonen gesetzt hatten, sowie Aktivitäten nach Beendigung des Dienstverhältnisses.[129]

Überarbeitete Ethikleitlinien bringen weitere Verbesserung und Harmonisierung für die Ethikregelwerke der NZBen des Eurosystems und der NCAs

Auf Ebene des Eurosystems und des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) verabschiedete der EZB-Rat im Anschluss an eine tourliche Überprüfung neue Ethikleitlinien[130], die verbesserte Integritätsstandards für alle nationalen Zentralbanken (NZBen) des Euroraums und die nationalen zuständigen Behörden (NCAs) festlegen. Um Interessenkonflikten effektiver begegnen zu können, wurden die Regelungen rund um Dienstan- und ‑austritt sowie zu privaten Finanztransaktionen in den Leitlinien ausgebaut. Die NZBen des Eurosystems und die NCAs müssen die neuen Anforderungen innerhalb von 18 Monaten umsetzen.

Die Überprüfung der Ethikleitlinien wurde von der Arbeitsgruppe der Ethik- und Compliance-Beauftragten durchgeführt, einem Forum, das 2021 neu aufgesetzt und umbenannt wurde (Ethics and Compliance Conference). Der EZB-Rat war der Auffassung, dass diese Neuaufstellung der Tatsache, dass es sich bei dieser Gruppe um eine ständige Einrichtung handelt, ihrer Reichweite im gesamten Eurosystem bzw. SSM sowie der allgemein zunehmenden Bedeutung von Ethik- und Compliance-Themen gerechter wird.

Auf internationaler Ebene war es der EZB eine große Ehre, die 13. Jahrestagung des Ethiknetzwerks multilateraler Organisationen (ENMO) zu organisieren. Die von der EZB-Präsidentin eröffnete Veranstaltung gab hochrangigen Ethikbeauftragten aus mehr als 40 multinationalen zwischenstaatlichen Institutionen die Gelegenheit, gemeinsam Best Practices, aktuelle Ethikthemen und Herausforderungen zu erörtern.

11.3 Mehr Transparenz und verstärkter Dialog mit der Öffentlichkeit

„Wir sind ständig bemüht, unsere Maßnahmen den Menschen im Euroraum gegenüber besser verständlich zu machen, schließlich sind sie im Alltag davon betroffen“, EZB-Präsidentin Christine Lagarde, 2021.

Im Jahr 2021 ergriff die EZB, insbesondere durch ihre Neuerungen in der geldpolitischen Kommunikation, umfassende Schritte, um der breiten Öffentlichkeit ihre Arbeit besser vermitteln zu können (siehe Kasten 3). Die Herausforderungen der Pandemie begriff die EZB auch als Chance, neue Kanäle für die Kommunikation mit unterschiedlichen Zielgruppen zu erschließen. Die EZB kam weiterhin ihrer Verpflichtung nach, Dokumente zugänglich zu machen – ein wesentliches Element der Transparenz und Rechenschaftspflicht. Auch dem Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern wurde erneut viel Aufmerksamkeit gewidmet, um ein besseres Verständnis der Aufgaben und Entscheidungsgrundlagen der EZB zu fördern.

Austausch in Zeiten der Pandemie: mehr Online-Kommunikation mit der Öffentlichkeit

Um ihre Online-Präsenz zu verbessern und größere Zielgruppen klarer anzusprechen, nahm die EZB im Jahr 2021 eine umfassende Neugestaltung ihrer Websites vor. Sowohl die EZB-Website als auch die Website zur Bankenaufsicht haben nun ein neues modernes Design mit verbesserter Navigation, auch für mobile Endgeräte. Das neue Design folgt modernen digitalen Gestaltungsgrundsätzen und setzt vorrangig auf aussagekräftige visuelle Darstellungen, verbesserte Lesbarkeit und eine ansprechende Präsentation der Arbeit der EZB und der EZB-Bankenaufsicht. Große Teile der Websites, insbesondere die Einstiegsseiten zu verschiedenen Themen, sind in den 24 Amtssprachen der EU abrufbar. Mit der Einführung des neuen Designs haben sich die Zugriffszahlen stark erhöht und auf den Hub Pages sogar mehr als verdoppelt.

Mit ihrem Blog und Podcast bot die EZB weiterhin attraktive und moderne Kommunikationsformate an, mit denen sie erfolgreich vielfältige Themen vermittelt. So gewährt sie aus der Perspektive der politischen Entscheidungsebene Einblicke in zentrale Themen wie die jüngsten Beschlüsse der EZB, den digitalen Euro oder die Rolle der Zentralbanken bei der Bewältigung des Klimawandels. Die Zahl der Menschen, die den EZB-Podcast hören, nahm zu, wobei insbesondere jüngere Hörerinnen und Hörer gewonnen werden konnten. Die Podcast-Folgen deckten im Berichtsjahr eine Vielzahl von Themen ab, darunter die Inflation, die Verwendung von Metaphern aus dem Tierreich im Zentralbankdiskurs, Frauen in Führungspositionen und die Chancengleichheit von Frauen und Männern. Das Gespräch zwischen EZB-Präsidentin Christine Lagarde, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Finanzministerin Janet Yellen zur Unterstützung der Position von Frauen, zu einer inklusiven wirtschaftlichen Erholung nach dem Schock der Covid-19-Pandemie und zur transatlantischen Zusammenarbeit wurde zum Beispiel 22 909 Mal aufgerufen.

Inmitten der Pandemie stellen die Social-Media-Outlets der EZB einen weiteren Kanal für den direkten Kontakt und Austausch mit der Öffentlichkeit dar. Im Jahr 2021 stieg die Zahl jener, die der EZB auf Social Media folgen, um insgesamt 15 %. Mit der im April 2021 auf Twitter veranstalteten Frage-und-Antwort-Session mit EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel wurden neue Rekordwerte erreicht: ihre getwitterten Antworten wurden bis zu zwei Millionen Mal aufgerufen. Das Format machte es möglich, die Fragen der Bürgerinnen und Bürger zu vielfältigen Themen zu beantworten, von Negativzinsen bis zu Ratschlägen für Frauen, die sich für eine Laufbahn bei der EZB interessieren.

Um den Dialog mit der Bevölkerung trotz der Besuchseinschränkungen während der Pandemie weiter zu verbessern, baute das EZB-Besucherzentrum sein virtuelles Angebot aus, damit alle Interessierten mehr über die Politik der EZB erfahren können. So wurde der Zugang zu Online-Vorträgen für die breite Öffentlichkeit erweitert und durch neue Kommunikationsmaßnahmen ergänzt, z. B. durch virtuelle Präsentationen des Besucherzentrums und vorab aufgezeichnete Vorträge.

Virtuelle Veranstaltung des Besucherzentrums

Transparenz und Dialog pflegen

Die EZB kam ihrer Verpflichtung zur Transparenz nach und erschloss neue Wege, um mit den Menschen in der EU in Kontakt zu treten

Die Rahmenbedingungen der EZB für den öffentlichen Zugang zu Dokumenten stellen einen wichtigen Teil ihres Bekenntnisses zu Transparenz dar. Sie sollen die Transparenz und die demokratische Legitimität der EZB verbessern, indem sie der breiten Öffentlichkeit umfassenden Zugang zu EZB-Dokumenten ermöglichen. Gleichzeitig muss ein angemessener Schutz der Unabhängigkeit und Funktionsweise der EZB gewährleistet sein. Die Veröffentlichung von Dokumenten über die gesetzliche Verpflichtung der EZB hinaus – von historischem Material, das älter ist als die EZB selbst, bis hin zu Dokumenten von Interesse für die breite Öffentlichkeit – wurde weiterhin aktiv gefördert und umgesetzt. Auch Anträgen auf Einsichtnahme durch Bürgerinnen und Bürger wurde verstärkt nachgekommen, um das Bekenntnis der EZB zu Transparenz zu vertiefen und mit Leben zu erfüllen. Aus Sicht der Europäischen Ombudsstelle gab es in Bezug auf die Abwicklung von Anträgen auf öffentliche Einsichtnahme keinen Grund für Beanstandungen.

Seit September 2021 bietet die EZB auf ihrer Website unter dem Motto „Sie haben Fragen?“ einen neuen Bereich für öffentliche Anfragen. Diese neue Initiative verbessert den Dialog der EZB mit den Bürgerinnen und Bürgern, da sie der Öffentlichkeit den Kontakt zur EZB erleichtert und Informationen zu häufig gestellten Fragen direkt und proaktiv bereitgestellt werden. Mit 25 189 Anfragen bearbeiteten Anfragen im Jahr 2021 wurde den Bürgerinnen und Bürgern auf diesem Weg die Gelegenheit gegeben, sich Gehör zu verschaffen und ihre Bedenken und Erwartungen zu äußern. Das für öffentliche Anfragen zuständige Team der EZB ist bemüht, das Mandat sowie die Aufgaben und Entscheidungen der EZB in klarer Sprache zu erläutern.

„Sie haben Fragen?“

Die von der EZB in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen veranstaltete Seminarreihe wurde 2021 mit drei Veranstaltungen fortgesetzt. Unter den Teilnehmenden fanden sich Vertreterinnen und Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen aus ganz Europa, die sich bei dieser Gelegenheit mit EZB-Expertinnen und ‑Experten zu verschiedenen Themen austauschen konnten. So wurde nicht nur die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Euroraum diskutiert, sondern auch die Strategie der EZB im Bereich des Massenzahlungsverkehrs sowie das Ergebnis der Strategieüberprüfung der EZB beleuchtet.

11.4 Resilienz, Empowerment und Diversität in der Belegschaft fördern

Die Menschen, die bei der EZB arbeiten, sind der Schlüssel unseres Erfolgs. Deshalb sind wir bestrebt, vielfältige Talente für die Arbeit für Europa zu gewinnen und aufzubauen. Um dies zu erreichen, haben wir Strategien und Rahmenwerke etabliert, die auf die aktive Einbindung und das Empowerment aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzielen und deren Arbeitszufriedenheit, Resilienz und Wohlbefinden in allen Phasen des Berufslebens sicherstellen. Diese Strategien müssen immer wieder an Veränderungen in der Außenwelt angepasst werden. Sie gehen Hand in Hand mit unseren Bemühungen um ein inklusives Arbeitsumfeld, das es allen ermöglicht, Höchstleistungen zu erbringen und die EZB bei der Erfüllung ihres Mandats unterstützt.

Wohlbefinden und Weiterentwicklung

Psychische Gesundheit, Verbundenheitsgefühl und Work-Life-Balance im Fokus

2021 arbeiteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EZB infolge der Pandemie größtenteils von zu Hause aus. Daher zielten die meisten unserer Aktivitäten auf körperliche und psychische Gesundheit, die Stärkung der Verbundenheit mit dem jeweiligen Team und die Arbeitsbedingungen ab.

Im Berichtsjahr wurden in der Belegschaft drei Umfragen mit einer durchschnittlichen Beteiligung von 60 % durchgeführt, um in Erfahrung zu bringen, ob die Unterstützungsmaßnahmen der EZB greifen. Umfrageschwerpunkte waren psychische Gesundheit und das Zugehörigkeits- und Verbundenheitsgefühl in Bezug auf das jeweilige Team. Aus der Umfrage vom Februar 2021 ging hervor, dass die Stimmung der Beschäftigten im Hinblick auf ihr Wohlbefinden und ihre Work-Life-Balance einen Tiefstand erreicht hatte. Die beiden folgenden Umfragen (von Juni und November) fielen dank Maßnahmen der EZB und der allgemeinen Veränderung der Pandemielage positiver aus.

Um den von der Belegschaft geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen, startete die EZB eine Reihe von Initiativen. So weitete das „Virtual Centre for Well-being“ sein Angebot an Beratungsgesprächen und Schulungen aus und hielt zweimal pro Woche Webinare zu Gesundheitsthemen und Fragen des Wohlbefindens ab. Abgerundet wurde das Angebot durch fünf intern produzierte Podcasts zu aktuellen Themen in diesem Bereich. Die Zufriedenheit der Belegschaft mit den Entscheidungen der EZB in Bezug auf ihre Gesundheit und Sicherheit wurde in allen drei Umfragen mit rund 80 % bewertet.

Covid-19-Impfangebot

Über das Deutsche Rote Kreuz organisierte die EZB in ihren Räumlichkeiten ein kostenloses Impfangebot für Belegschaftsmitglieder, deren Familien und für freie Mitarbeiter, die vor Ort wichtige Tätigkeiten wahrnahmen. Insgesamt wurden über den Sommer rund 2 000 Menschen vollständig gegen Covid-19 geimpft, und im Dezember 2021 fanden weitere 400 Impfungen statt (einschließlich Booster-Impfungen). In einer internen Umfrage mit einer Antwortquote von 65 % gaben 91 % der Befragten an, vollständig geimpft zu sein.

Neue Maßnahmen zur Integration neuer Belegschaftsmitglieder

Im Jahr 2021 traten rund 850 Personen ihre neue Stelle bei der EZB an. Überall auf der Welt waren am Arbeitsmarkt die Jüngeren und Berufs(wieder)einsteigerinnen und ‑einsteiger überproportional von der Pandemie betroffen. Die Befragungen innerhalb der Belegschaft zeigten, dass diese Gruppe am stärksten mit der Arbeitssituation im Homeoffice zu kämpfen hat. Um hier Abhilfe zu schaffen, überarbeitete die EZB ihr Onboarding-Programm und entwickelte Maßnahmen, die darauf abzielen, das Wohlbefinden dieser Personengruppe zu sichern.

Auch Führungskräfte wurden geschult, um die Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice besser unterstützen zu können, und es wurden spezielle Follow-up-Meetings mit neuen Belegschaftsmitgliedern organisiert. Darüber hinaus startete die EZB gemeinsam mit anderen Institutionen des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) ein interaktives Onlinespiel für neue Kolleginnen und Kollegen. Sinn und Zweck des Spiels ist es, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ganz Europa miteinander bekannt zu machen und rund 2 000 Menschen aus 30 Institutionen zu vernetzen.

Lern- und Weiterbildungsinitiativen neu denken

Seit Ausbruch der Pandemie hat die EZB ihre früher hauptsächlich als Präsenzveranstaltung konzipierten Lern- und Weiterbildungsinitiativen vollständig auf online umgestellt. Dank dieses Ansatzes konnten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EZB im Jahr 2021 im Rahmen von insgesamt 1 421 Online-Veranstaltungen zu ganz unterschiedlichen fachlichen Themen, aber auch im Bereich Sozialkompetenz weiterbilden. Um die erfolgreiche Wahrnehmung von Führungsaufgaben im Homeoffice bzw. in einem hybriden Arbeitsumfeld zu erleichtern, wurde ein entsprechendes Fortbildungsprogramm ins Leben gerufen. Außerdem konnten die Führungskräfte in Einzel- oder Gruppen-Coachings Rat einholen.

2021 war das zweite Jahr der Umsetzung des neuen Karrierekonzepts der EZB, sodass sich die Gelegenheit zu einer ersten umfassenden Evaluierung ergab. Diese bestätigte die positiven Auswirkungen des neuen Konzepts. Unsere Entscheidung, intern bereits vorhandene Talente bevorzugt zu berücksichtigen, ließ die Beförderungsquote ansteigen und die Rate derjenigen, die auf gleicher Ebene eine neue Stelle in einer anderen Abteilung antraten, einen historischen Höchststand erreichen. Die umfassende Evaluierung hat zudem dazu beigetragen, weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der Effizienz des Konzepts aufzuzeigen.

Diversität und Inklusion

In ihrer Gender-Strategie für 2020-2026 hat sich die EZB ehrgeizige Zielvorgaben zur Gleichstellung von Männern und Frauen gesteckt. Begleitet werden die Zielvorgaben von unterstützenden Maßnahmen im Zusammenhang mit Recruiting, Aufstiegschancen, Arbeitskultur, Rechenschaftspflicht, Führungskräfteentwicklung sowie flexiblen Arbeitsmodellen. Darüber hinaus legte die EZB 2021 ein neues Mentoring-Programm auf und führte allgemeine Orientierungshilfen für Führungskräfte ein, die diese bei der Zuweisung karriereentscheidender Aufgaben unterstützen sollen. Um Familien generell sowie eine ausgewogenere Verteilung familiärer Pflichten zu unterstützen, wurde ferner die Anzahl der Tage an Sonderurlaub im Zusammenhang mit Geburt oder Adoption verdoppelt.

Förderung eines inklusiven Arbeitsumfelds

Auch abseits der Gender-Strategie arbeitete die EZB gemeinsam mit sechs Diversitätsnetzwerken an der Förderung eines inklusiven Arbeitsumfelds, indem sie Bewusstseinsbildung und die Inklusion verschiedener Gruppen vorantrieb. Dies unterstützte z. B. Kolleginnen und Kollegen mit Behinderungen oder mit kulturell diversem Hintergrund bzw. der LGBT+-Community. Im Jahr 2021 startete die EZB ein Programm für Führungskräfte sowie mehrere E-Learning-Module für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um die inklusive Arbeits- und Verhaltenskultur bei der EZB weiter mit Leben zu füllen. Diese Initiativen setzten sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit Diversität und Inklusion auseinander. Schwerpunkte waren z. B. unterschiedliche Aspekte der Diversität, unbewusste Vorurteile und Würde am Arbeitsplatz.

Veröffentlichung einer Statistik zu den in der EZB vertretenen Nationalitäten

Die EZB ist eine bedeutende europäische Institution; bei ihr arbeiten Menschen aus allen 27 EU-Ländern.[131] Um die personelle Vielfalt in diesem ganz wesentlichen Bereich transparenter zu machen, wurde beschlossen, von nun an jährlich aktualisierte Zahlen zur Staatsangehörigkeit[132] aller Belegschaftsmitglieder sowie aller Führungskräfte zu veröffentlichen (siehe Tabelle 11.1).

Tabelle 11.1

Anteile verschiedener Nationalitäten in der EZB-Belegschaft

Quelle: EZB.
Anmerkung: Aus Tabelle 11.1 geht hervor, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. Führungskräfte der EZB die betreffende Staatsbürgerschaft besitzen. Im Falle einer mehrfachen Staatsangehörigkeit wird jede separat erfasst. „Belegschaft insgesamt“ bezieht sich auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschließlich Führungskräfte, die zum 31. Dezember 2021 unbefristete bzw. befristete Verträge (mit und ohne Entfristungsoption) hatten. Die Spalte „Führungskräfte“ umfasst Personal mit Gehaltsband I bis M. Rundungsbedingt kann die Summe mehr als 100 % betragen.

Neuer Kanal zur Konfliktlösung

Neu: interne Mediationsstelle

Im Berichtsjahr beschloss die EZB ferner, mit einer internen Mediationsstelle eine Art Ombudsstelle einzurichten. Diese Stelle wird unabhängig sein. Durch die angebotene Mediation können Streitparteien arbeitsbezogene Konflikte unter Wahrung strengster Vertraulichkeit und Unparteilichkeit leichter lösen. Die Mediation kann von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jederzeit freiwillig und ohne Formerfordernisse in Anspruch genommen werden. Sie ist ein zusätzliches Angebot zu den bestehenden formellen und informellen Kanälen für die Konfliktbewältigung.

11.5 Klimaschutz und Umweltverträglichkeit

Klimaschutz ist eine der Kernprioritäten der EZB und wird dies auch in den kommenden Jahren bleiben. Daher hat die EZB im Rahmen ihres Mandats und ihrer Zuständigkeitsbereiche konkrete Schritte unternommen, um ihre Arbeit in diesem Bereich zu intensivieren. In diesem Abschnitt geben wir einen Überblick über die wichtigsten bisher erzielten Erfolge und die künftig geplanten Projekte. Zunächst werden die Arbeiten zu den wichtigsten strategischen Themenfeldern des Kompetenzzentrums Klimawandel dargelegt (siehe Kasten 13). Außerdem wird der Beitrag der EZB zur politischen Debatte auf europäischer und internationaler Ebene beleuchtet. Zu guter Letzt werden die laufenden Bemühungen in anderen Geschäftsbereichen der EZB präsentiert.

Fortschritte bei klimawandelbezogenen Arbeiten der EZB

Klimarisiken in den Bereichen Finanzstabilität, Bankenaufsicht und Aufsichtsrahmen Rechnung tragen

Im Bereich der Finanzstabilität und der Aufsichtspolitik konzentriert sich die EZB darauf, wie Klimarisiken im Aufsichtsrahmen abgebildet und potenziell integriert werden können, sowie auf die Ausarbeitung eines Rahmens für die Risikoüberwachung, der auch Klimarisiko-Kennzahlen und Exposures im Finanzsystem berücksichtigt. In diesem Zusammenhang sollen auch zukunftsgerichtete Analysen zu den Auswirkungen von Klimarisiken auf Finanzintermediäre ausgebaut werden (z. B. durch spezielle Klimastresstests). In diesem Themenbereich werden auch die Auswirkungen von gegensteuernden Maßnahmen auf Finanzinstitute und ‑märkte untersucht. So soll herausgefunden werden, wie diese den ökologischen Wandel bestmöglich unterstützen und die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Klimawandels eindämmen können. Die regelmäßige Beobachtung und Bewertung der Klimarisiken für Finanzinstitute und Unternehmen fließt auch in den Financial Stability Review[133] der EZB und gemeinsame Berichte von EZB und ESRB ein.[134] Im September 2021 veröffentlichte die EZB Informationen zur Methodik und zu den Ergebnissen des gesamtwirtschaftlichen Klimastresstests.[135] Dieser umfassende Stresstest wird 2022 in den Klimastresstest für den Bankensektor einfließen, den die EZB-Bankenaufsicht durchführen wird, um in Erfahrung zu bringen, inwieweit die Banken imstande sind, Klimarisiken zu bewerten.[136] Im Bereich der Bankenaufsicht veröffentlichte die EZB im November 2020 einen Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken. Mit Verweis auf den Leitfaden forderte sie die Banken 2021 auf, Selbsteinschätzungen durchzuführen und Maßnahmenpläne auszuarbeiten. 2022 wird die EZB-Bankenaufsicht eine vollständige aufsichtliche Überprüfung des Risikomanagements und der Offenlegungspraxis der Banken durchführen.

Integration von Klimarisiken in makroökonomische Modelle und geldpolitische Überlegungen

Im Rahmen der makroökonomischen Analyse und der Geldpolitik beurteilt die EZB die gesamtwirtschaftlichen Risiken, die sich aus Klimawandel und ‑maßnahmen ergeben. Sie prüft auch deren Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftlichen Projektionen der EZB und des Eurosystems und auf Risikobewertungen, u. a. für die Transmission geldpolitischer Impulse.[137] Dabei beobachten die Expertinnen und Experten der EZB genau die makroökonomischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Emissionshandelssystem der EU[138] und analysieren die gesamtwirtschaftlichen und strukturellen Auswirkungen der auf nationaler und europäischer Ebene ergriffenen Ökologisierungsmaßnahmen. Im Einklang mit dem ausgearbeiteten Maßnahmenplan (siehe Kasten 2) zielt dieser Themenbereich darauf ab, Klimarisiken in den makroökonomischen Standardmodellen der EZB abzubilden. Gleichzeitig sollen neue Modelle zur Untersuchung spezifischer klimabezogener Fragen mit Relevanz für die makroökonomische Entwicklung und die Geldpolitik entwickelt werden. Außerdem wird derzeit untersucht, wie die Auswirkungen des Klimawandels auf die geldpolitische Transmission besser analysiert werden könnten. Die Entwicklung von Konzepten für die Berücksichtigung des Klimawandels bei den geldpolitischen Geschäften der EZB ist ebenfalls Gegenstand dieses Workstreams, einschließlich der Bewertung potenzieller Verzerrungen bei der marktorientierten Zuteilung in einem ineffizienten Markt sowie der Vor- und Nachteile alternativer Zuteilungen.

Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten im geldpolitischen Handlungsrahmen

Die EZB arbeitet derzeit an der Umsetzung des vereinbarten Maßnahmenplans zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten im geldpolitischen Handlungsrahmen. Dies betrifft vor allem die Finanzmarktgeschäfte und das Risikomanagement des Eurosystems (siehe Kasten 2). In diesem Zusammenhang werden die aus den geldpolitischen Exposures erwachsenden finanziellen Risiken für das Eurosystem analysiert, u. a. im Rahmen eines Klimastresstests für die Bilanz des Eurosystems. Im Berichtsjahr konzentrierte sich dieser Bereich auf die Ausarbeitung des Maßnahmenplans, der später vom EZB-Rat verabschiedet wurde. Zwischenzeitlich wurde mit der Vorbereitung der konkreten Umsetzung des vereinbarten Fahrplans für die Maßnahmen begonnen. Darüber hinaus beschloss die EZB, bestimmte Anleihen, deren Kuponzahlungen an das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen gekoppelt sind, als Sicherheiten und auch im Rahmen ihrer Wertpapierankaufprogramme zuzulassen.[139] Für nicht zu geldpolitischen Zwecken gehaltene Euro-Portfolios kündigte das Eurosystem gemeinsame Grundsätze für ökologisch nachhaltige und verantwortungsbewusste Investitionen an. Ferner wurde eine eurosystemweite Ausschreibung zur Auswahl geeigneter Datendienstleistungsunternehmen angestoßen. Mit der Veröffentlichung klimabezogener Informationen zu diesen Portfolios und zum EZB-Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP) soll im ersten Quartal 2023 begonnen werden.

Beiträge der EZB zu EU-Klimainitiativen

Auf EU- und internationaler Ebene leistet die EZB politische und die Finanzmarktregulierung betreffende Beiträge zu EU-Initiativen, wie dem europäischen Green Deal, den EU-Rechtsvorschriften für ein nachhaltiges Finanzwesen sowie zu Initiativen in internationalen Foren. So trug die EZB 2021 zur politischen Agenda der EU bei, indem sie Stellungnahmen zu den Gesetzesvorschlägen für eine Richtlinie hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen[140] bzw. für eine Verordnung über europäische grüne Anleihen veröffentlichte.[141] Als Mitglied der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen lieferte die EZB Input zur Entwicklung des Rahmens für die EU-weite Klassifizierung grüner Vermögenswerte („Taxonomie“) und zur Verbesserung der Anwendbarkeit dieser EU-Taxonomie im Bankensektor. Darüber hinaus leistete die EZB im Rahmen der zuständigen Arbeitsgruppe der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) Beiträge zur Entwicklung der EU-Berichtstandards zu Nachhaltigkeitsthemen. Außerdem unterstützte die EZB nachdrücklich die Neuausrichtung der Agenda für ein nachhaltiges Finanzwesen in internationalen Foren (insbesondere den G 7, G 20 und in der neu aufgestellten Arbeitsgruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen der G 20). Ferner betonte die EZB die Notwendigkeit glaubwürdiger und international konsistenter regulatorischer Rahmenwerke für ein nachhaltiges Finanzwesen und unterstützte daher die Einrichtung eines bei der IFRS-Stiftung angesiedelten Standardisierungsgremiums (International Sustainability Standards Board).

Entwicklung klimabezogener Indikatoren

Die Arbeit mit Klimadaten zielt darauf ab, klimabezogene Indikatoren zur Verfügung zu stellen, z. B. zu physischen Risiken, zur CO2-Bilanz und zu nachhaltigen Finanzinstrumenten, wie im Maßnahmenplan zum Klimaschutz dargelegt. Die Arbeiten zur Entwicklung solcher Indikatoren sind im Gange und erfordern eine enge Zusammenarbeit innerhalb des ESZB sowie mit anderen europäischen und internationalen Organisationen. Die EZB arbeitet auch an verschiedenen Möglichkeiten zur Bewertung und zum Austausch der von ihr verwendeten Klimadaten (die derzeit hauptsächlich von externen Datenanbietern bezogen werden), um eine sinnvolle Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Endnutzerinnen und ‑nutzern zu gewährleisten. Dieser Workstream beobachtet auch externe Entwicklungen im Bereich Klimadaten in europäischen und internationalen Foren.

EZB verpflichtet sich zu Klimaschutzmaßnahmen

Neben den oben beschriebenen strategischen Themenfeldern erarbeitet die EZB unter der Federführung des Kompetenzzentrums Klimawandel Leitthemen, die für die EZB selbst aber auch für das Eurosystem sowie europäische und internationale Foren relevant sind. Anlässlich der UN-Klimakonferenz COP26 im Jahr 2021 verpflichtete sich die EZB öffentlich zu Maßnahmen gegen den Klimawandel, um in ihrem Zuständigkeitsbereich zu einer entschlossenen Umsetzung des Pariser Übereinkommens und zu einer Abmilderung der Folgen des Klimawandels beizutragen.

EZB engagiert sich in internationalen Foren für Klimafragen

Im Berichtsjahr war die EZB aktiv an der Arbeit des Network of Central Banks and Supervisors for Greening the Financial System (NGFS) beteiligt.[142] Sie lieferte wichtigen Input zu allen fünf Workstreams des Netzwerks (mikroprudenzielle Themen und Aufsicht, makrofinanzielle Themen, Förderung von Green Finance, Schließen von Datenlücken sowie Forschung) sowie zur NGFS-Arbeitsgruppe für rechtliche Fragen. Darüber hinaus brachte sich die EZB in der hochrangig besetzten Arbeitsgruppe zu klimabezogenen Finanzrisiken des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht[143] ein. Hier wird derzeit daran gearbeitet, mehr Klarheit in Bezug auf die drei Säulen des Baseler Rahmenwerks zu schaffen bzw. möglichen Änderungsbedarf auszuloten.[144] Auf internationaler Ebene beteiligte sich die EZB aktiv an den Workstreams des Finanzstabilitätsrats zu Klimathemen (aufsichtliche und regulatorische Kooperation; Klimarisiken; Bewertung von Schwachstellen im Finanzsystem) sowie am Irving Fisher Committee on Central Bank Statistics (der unter der Federführung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich tätig ist) und an einer Initiative der G 20, die die weltweite Harmonisierung und Verfügbarkeit klimabezogener Daten unterstützt (Data Gaps Initiative). Auf europäischer Ebene leistete die EZB einen Beitrag zum Sustainable Finance Network der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und zu den EBA-Untergruppen zu Transparenz und Berichterstattung.

Forschung der EZB zum Klimawandel und andere aktuelle Initiativen

Auch eine steigende Anzahl von Forschungsprojekten der EZB ist dem Klimawandel gewidmet. In der Working-Paper-Reihe der EZB wurden 2021 einige Forschungsarbeiten zu diesem Thema veröffentlicht.[145]

In Zusammenarbeit mit anderen nationalen Zentralbanken des Euroraums und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) befasste sich die EZB weiter mit den möglichen Auswirkungen von Umweltrisiken auf Finanzmarktinfrastrukturen. Der Schwerpunkt lag dabei zunächst auf den zentralen Gegenparteien. Auch bei der von der Deutschen Bundesbank, der Federal Reserve Bank of Chicago und der EZB gemeinsam zum dritten Mal organisierten jährlichen Konferenz zum Risikomanagement zentraler Gegenparteien waren Klimarisiken an den Finanzmärkten ein wichtiges Querschnittsthema.

Die EZB führt derzeit eine Lebenszyklusanalyse zu Barzahlungen im Euroraum durch, um sich ein Bild von den potenziellen Umweltauswirkungen der zweiten Euro-Banknotenserie zu machen. Die Umweltverträglichkeit der Euro-Banknotenproduktion soll auf Grundlage gezielter Maßnahmen und Forschungsaktivitäten optimiert werden. So hat sich die EZB zum Beispiel dazu verpflichtet, den Anteil der nachhaltig erzeugten Baumwolle im Papier für die Euro-Geldscheine auf 100 % zu erhöhen („Sustainable Cotton Programme“). Die jährliche Umweltprüfung der EZB ergab im Bereich der Banknotenproduktion Verbesserungspotenzial beim Abfallaufkommen.

Mehr Nachhaltigkeit innerhalb der EZB

Die EZB will auch ihre eigene betriebliche Nachhaltigkeit verbessern und die damit verbundenen Berichtsprozesse weiter ausbauen. Dies beinhaltet auch die Weiterentwicklung des Umweltmanagementsystems der EZB und die Überwachung ihres CO2-Fußabdrucks. Weitere Informationen hierzu finden sich im letzten Abschnitt dieses Kapitels.

Kasten 13
Das neue Kompetenzzentrum Klimawandel – Organisation und Governance

Im Zuge des Ausbaus ihrer Klimainitiativen hat die EZB im Jahr 2021 das Kompetenzzentrum Klimawandel eingerichtet. Dieses soll dazu beitragen, die Koordinierung und strategische Planung der Klimaschutzaktivitäten der EZB gezielter zu strukturieren. Angesichts der Bedeutung von Klimathemen im allgemeinen politischen Diskurs haben wir die Notwendigkeit erkannt, diesem Thema eigene Ressourcen zu widmen und die Governance in diesem Bereich zu verbessern. So wird sichergestellt, dass die EZB auch hier einen wesentlichen Beitrag leistet – sowohl innerhalb Europas als auch auf internationaler Ebene. Das Kompetenzzentrum soll darüber hinaus für mehr Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen der EZB und den nationalen Zentralbanken des Eurosystems sorgen.

Übergeordnetes Ziel des Kompetenzzentrums Klimawandel ist es, die Klimastrategie der EZB zu gestalten und zu steuern, Prioritäten zu definieren und die Klimaagenda der EZB weiterzuentwickeln. Es kann dabei auf den reichen Wissens- und Erfahrungsschatz in den unterschiedlichen Geschäftsbereichen der EZB zurückgreifen und gleichzeitig eine kohärente und koordinierte Vorgehensweise für die gesamte EZB sicherstellen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden dem Kompetenzzentrum Klimawandel vier Hauptaufgaben übertragen:

  • Unterstützung aller Geschäftsbereiche und wesentlichen Beteiligten innerhalb der EZB bei der Umsetzung der Klimastrategie;
  • Koordinierung externer und interner Aktivitäten zu Klimafragen, Abstimmung der Kommunikation und Aufzeigen von Synergien;
  • Verbesserung des Informationsaustauschs und der Kommunikation, um das Bewusstsein für die Arbeit der EZB für den Klimaschutz sowohl intern als auch in der Öffentlichkeit zu erhöhen;
  • Vernetzung der Geschäftsbereiche untereinander sowie mit externen Interessengruppen zur Förderung der Zusammenarbeit im Bereich Klimaschutz.

Das Kompetenzzentrum wurde als eigene Organisationseinheit innerhalb des Beraterstabs des Direktoriums angesiedelt und ist somit direkt der Präsidentin der EZB unterstellt. Seine Arbeit konzentriert sich auf sechs strategische Themenbereiche, die Teil der laufenden klimarelevanten Aktivitäten innerhalb der EZB sind: Finanzstabilität und Aufsichtspolitik, makroökonomische Analyse und Geldpolitik, Finanzmarktgeschäfte und Risikomanagement, EU- und internationale Politik und Finanzmarktregulierung sowie Daten und betriebliche Nachhaltigkeit. Darüber hinaus vernetzt und verteilt das Kompetenzzentrum Informationen zu anderen bereichsübergreifenden Klimaprojekten in den folgenden Bereichen: Forschung, Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr, Recht und Banknoten.

Schaubild A gibt einen Überblick über die Struktur und Organisation der sechs Themenbereiche des Kompetenzzentrums Klimawandel.

Schaubild A

Kompetenzzentrum Klimawandel – Organisation und Governance

1) Einige Initiativen zur Aufsichtspolitik erfordern Input und Entscheidungen vonseiten des Aufsichtsgremiums.

Verringerung des CO2-Fußabdrucks der EZB

Die EZB möchte ihren Beitrag leisten und die Umweltauswirkungen ihrer Betriebstätigkeit verringern. Deshalb hat sie sich verpflichtet, ihre Ziele zur Reduktion der von ihr verursachten CO2-Emissionen an das Ziel des Übereinkommens von Paris zu koppeln. Dieses besteht darin, den weltweiten Anstieg der Temperatur auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Orientiert man sich an wissenschaftlich fundierten Zielwerten, so erfordert dies eine Verringerung der betrieblichen CO2-Emissionen der EZB um 46 % bis zum Jahr 2030 gegenüber 2019.[146] In der Umwelterklärung 2022 der EZB werden ambitionierte Ziele und Maßnahmen für 2022-2024 veröffentlicht.

Verringerung des CO2-Fußabdrucks der EZB

Zur Steuerung ihrer Umweltauswirkungen führte die EZB im Jahr 2007 eine Umweltpolitik und 2010 ein Umweltmanagementsystem gemäß dem EU-Öko-Audit EMAS und der ISO-Norm 14001 ein. Dieser systematische Ansatz trug dazu bei, den von der EZB verzeichneten CO2-Ausstoß zwischen 2008 und 2019 um 37 % zu verringern, obwohl die Zahl der Arbeitsplätze in dieser Zeit deutlich zunahm. Im Jahr 2020 fiel der Rückgang sogar noch stärker aus, was in erster Linie auf die eingeschränkte Reisetätigkeit infolge der Covid-19-Pandemie zurückzuführen war.

Das Umweltmanagementsystem wird vom Green-ECB-Team implementiert; dieses wird vom Environmental Coordinator und vom Environmental Officer geleitetet, die über den Chief Services Officer regelmäßig an das Direktorium berichten. Die Abstimmung mit den Geschäftsbereichen wird durch eine Gruppe von rund 60 Environmental Representatives und die Arbeit des Green-ECB-Teams im Workstream betriebliche Nachhaltigkeit des Kompetenzzentrums Klimawandel unterstützt.

In ihrer Umwelterklärung gibt die EZB alljährlich Auskunft über ihre Fortschritte und Ziele in diesem Bereich.[147] Die Umwelterklärung enthält im Einklang mit EMAS und Greenhouse Gas Protocol u. a. Informationen zu Umweltauswirkungen. Infolge der jüngsten Bewertung ihres CO2-Fußabdrucks wird die EZB ab 2022 über weitere indirekte Auswirkungen entlang ihrer Wertschöpfungskette Rechenschaft ablegen, z. B. zu gekauften Waren und Dienstleistungen, IT-Anlagen, Gebäudebauelementen, Emissionen durch Telearbeit, vorgelagerter Energiegewinnung und Reisetätigkeit im Zusammenhang mit Konferenzen. Die Berichterstattung zu diesen zusätzlichen Elementen wird eine noch engere Zusammenarbeit mit Dienstleistungsunternehmen auf Grundlage der EZB-Leitlinie für nachhaltige Beschaffung nach sich ziehen.

Trotz Pandemie wurden im Jahr 2021 verschiedene ökologische Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt. So führte die EZB beispielsweise eine Leitlinie für nachhaltige Veranstaltungen ein und beschränkte die Anzahl der jährlichen Präsenz-Meetings für relevante Sitzungsgruppen auf 50 % der geplanten Treffen, um aus Reisetätigkeit entstehende Emissionen auch nach der Pandemie weiter zu begrenzen. Wie in den zwei Jahren zuvor glich die EZB über dem Zielwert liegende Emissionen des Vorjahrs aus, die sich trotz gezielter Maßnahmen nicht vermeiden ließen, indem sie im Rahmen der Gold-Standard-Initiative zertifizierte CO2-reduzierende Projekte unterstützte.

Im Einklang mit dem gemeinsamen Ansatz des Eurosystems baute die EZB ihre nachhaltige und verantwortungsvolle Anlagestrategie (sustainable and responsible investment – SRI) für nicht geldpolitische Anlageportfolios weiter aus.[148]

Der Pensionsfonds der EZB, der von zwei externen Vermögensverwaltungsgesellschaften passiv verwaltet wird, verfolgt eine SRI-Anlagestrategie auf Basis von beschränkten Ausschlüssen und Richtlinien zur Stimmrechtsausübung, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards berücksichtigen. Die Stimmrechtsausübung wird auf die beiden externen Vermögensverwaltungsgesellschaften übertragen, die ihre eigenen Grundsätze unabhängig anwenden, wenn sie zu Kapitalmaßnahmen für die Beteiligungsbestände des EZB-Pensionsfonds abstimmen lassen. So wurden 2020 alle herkömmlichen Benchmark-Aktienindizes, die der Pensionsfonds nachbildet, durch entsprechende kohlenstoffarme Indizes ersetzt, wodurch der CO2-Abdruck des Aktienportfolios um mehr als 60 % verringert wurde. Anfang 2022 ersetzte die EZB zudem den für ihren Unternehmensanleihefonds bisher maßgeblichen konventionellen Referenzindex durch einen an die Pariser Ziele gekoppelten Benchmark, und setzte damit sehr frühzeitig um, was derzeit in der EU im Bereich regulatorischer ökologischer Benchmarks als Best Practice gilt. Dieser Benchmark bewirkte eine anfängliche Verringerung der mit Unternehmensanleihen in Zusammenhang stehenden CO2-Emissionen um 50 %; in den kommenden Jahren wird eine weitere stetige Verringerung um mindestens 7 % pro Jahr folgen. Die EZB prüft weiterhin, inwieweit die Verwendung kohlenstoffarmer Indizes auf festverzinsliche Anlageklassen innerhalb ihres Pensionsfonds ausgeweitet werden kann, um ihren CO2-Fußabdruck weiter zu verringern. Governance- und Management-Entscheidungen zu Pensionsfragen bei der EZB werden vom Direktorium genehmigt, das vom Anlageausschuss (ICO) in Pensionsfonds-Zusammensetzung beraten wird.

Im Rahmen ihres Eigenmittelportfolios verfolgt die EZB eine thematische SRI-Strategie, die eine Erhöhung des Anteils grüner Wertpapiere zum Ziel hat. Im Jahr 2021 stieg dieser Anteil auf 7,6 %, einerseits über bilaterale Käufe grüner Wertpapiere, andererseits über die Anlage in den auf Euro lautenden Green-Bond-Fonds für Zentralbanken (EUR BISIP G2), der im Januar 2021 von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich aufgelegt wurde.[149] Per Ende September 2021 hatte der EUR BISIP G2 in grüne Anleihen investiert, deren Erlöse zur Finanzierung von Projekten in den folgenden Hauptkategorien verwendet werden: 30 % für grüne Transportlösungen, 21 % für Wasser- und Abwasser-Management und 20 % für erneuerbare Energien.

In CO2-Äquivalenten ausgedrückt ergibt sich daraus die folgende ökologische Bilanz: Dank der Fondsanteile der EZB kann der jährliche CO2-Ausstoß von 49 401 Pkw eingespart werden, und es entstehen erneuerbare Energien im energetischen Gegenwert von 23 392 Häusern.

12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben Einblick in ihre Arbeit

Die vorangegangenen Kapitel dieses Jahresberichts legen die wichtigsten Aktivitäten und Errungenschaften der EZB in ihren Zuständigkeitsbereichen im Jahr 2021 ausführlich und faktenbasiert dar. Ermöglicht wurden diese Errungenschaften oftmals durch die Zusammenarbeit von Kolleginnen und Kollegen verschiedener Abteilungen und Institutionen – innerhalb und außerhalb des Eurosystems und des ESZB. Deshalb haben an dieser Stelle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Wort, damit sie uns von dieser Zusammenarbeit berichten und uns verraten, wie sie ganz konkret zu den Erfolgen der EZB beitragen.

Ursel Baumann, Stellvertretende Abteilungsleiterin, Generaldirektion Geldpolitik

Die geldpolitische Strategie der EZB wurde in den Jahren 2020 und 2021 überprüft. Während dieser Zeit arbeitete ich für das zuständige Projektbüro, das die damit verbundenen Aktivitäten koordinierte und gestaltete. Ich war dort Teil eines kleinen, aber leistungsstarken Teams, dessen Mitglieder vielfältiges Wissen mitbrachten (z. B. in den Bereichen Wirtschaft, Ausarbeitung von Dokumenten, Koordinierung, Projektmanagement, IT und Kommunikation).

Die Strategieüberprüfung war ein gewaltiges Projekt des Eurosystems, bei dem über 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EZB und der nationalen Zentralbanken des Euroraums zusammenarbeiteten. Ein Großteil der unterstützenden Analysen zu wirtschafts- und geldpolitischen Themen wurde über gemeinsame Workstreams bereitgestellt. Das Ergebnis dieser Arbeit wurde später in der Occasional-Paper-Reihe der EZB veröffentlicht. Als eine der Co-Leads habe ich die Arbeit im Workstream zu den Inflationserwartungen mitbestimmt – was im Homeoffice eine echte Herausforderung war. Dank der großen Motivation im Team und der für alle sinnstiftenden Aufgabe, innerhalb kurzer Zeit die bestmögliche Analyse bereitzustellen, haben wir diese Herausforderung gemeistert.

Insgesamt wurden mit der Überprüfung dank des kooperativen und inklusiven Zugangs (mindestens) zwei Ziele erreicht: Erstens wurden die Analyseergebnisse, auf denen die neue geldpolitische Strategie der EZB beruht, robuster, da unterschiedliche Sichtweisen eingeflossen sind; zweitens wurde das Vertrauen der Belegschaft und der Entscheidungsträger in den EZB-Rat gestärkt. Es war sehr schön, mitzuerleben, wie die Entscheidungen langsam Gestalt annahmen und die neue Strategie letztlich einstimmig beschlossen wurde.

Alexandra Calmuc, Senior Operational Resilience Expert, Chief Services Office, Operationelles Risikomanagement und Business-Continuity-Management

Sich immer wieder an veränderte Pandemiebedingungen anzupassen, ist für viele Organisationen eine Herausforderung. Bei der EZB haben wir das Glück, dass die fruchtbare funktionsübergreifende Zusammenarbeit im Incident Response Team (IRT)[150] in einer gut abgestimmten Vorgangsweise mündet.

Seit Ausbruch der Pandemie verfolgt das IRT die Lage in Frankfurt, Deutschland und Europa und spricht im Einklang mit den aktuellen Entwicklungen und behördlichen Vorgaben Empfehlungen zu Arbeitsform und Schutzmaßnahmen aus. Alle Beteiligten bringen ihre Expertise ein – im Interesse der gesamten Belegschaft und der EZB als Institution.

In meiner Funktion war ich für die Koordination der IRT-Untergruppen zuständig; gemeinsam haben wir Empfehlungen für das Direktorium ausgearbeitet. Wir haben schon sehr früh in der Pandemie erkannt, dass da ein Marathon und kein Sprint auf uns zukommt. Ich bin wirklich sehr dankbar, dass alle im IRT dieser Herausforderung gewachsen sind. Trotz Homeoffice ist es uns gelungen, den Kontakt zueinander zu pflegen und gut zusammenzuarbeiten. Dass wir bisher mehr als 111 IRT-Sitzungen abgehalten und 270 Empfehlungen abgegeben haben, erfüllt uns mit Stolz. Unser Engagement und unsere Einsatzbereitschaft sind ungebrochen.

Guy-Charles Marhic, ECB Representative in London, Generaldirektion Internationale und europäische Beziehungen

Der 1. Februar 2021 war mein erster Arbeitstag bei der Vertretung der EZB in London. Auch nach dem Brexit ist das Vereinigte Königreich ein wichtiger Partner der EU in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, und die EZB muss die dortigen Entwicklungen verfolgen, um ihr Mandat zu erfüllen. Zu den wichtigsten Aufgaben der EZB-Vertretung in London gehört es, regulatorische und politische Entwicklungen im Kontext des Vereinigten Königreichs sowie den Finanzsektor und die Wirtschaftsentwicklung im Land zu beobachten und Informationen über die politischen Standpunkte der britischen Behörden zu sammeln. Gleichzeitig gilt es, den britischen Stellen gegenüber die Maßnahmen der EZB und die institutionellen Reformen der EU zu erläutern.

Seit ich in London bin, habe ich Kontakte zu ganz unterschiedlichen Stellen knüpfen können. Diese erstrecken sich sowohl auf den öffentlichen Sektor (z. B. habe ich Kontakte bei der Bank of England, zum Finanzministerium sowie bei nationalen Zentralbanken der EU und ausländischen Zentralbanken) als auch auf den privaten Sektor (z. B. bei Banken, Handelsverbänden und Thinktanks). Ich berichte an die EZB und tausche mich regelmäßig mit Führungskräften und Kolleginnen und Kollegen in verschiedenen Geschäftsbereichen aus, die für internationale Beziehungen, Zahlungsverkehr, Finanzstabilität und Bankenaufsicht zuständig sind.

Das Büro der EZB-Vertretung ist bei der Delegation der Europäischen Union im Vereinigten Königreich angesiedelt. Auch dadurch bietet sich mir die Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen, gemeinsame Meetings anzusetzen und bei Themen von gemeinsamem Interesse mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dieses Miteinander ist wichtig, da mehrere Mitglieder der EU-Delegation ähnliche Interessen an regulatorischen, makroökonomischen und politischen Entwicklungen im Vereinigten Königreich haben.

María Soledad Ramos Possenti, Compliance and Governance Analyst, Stabsstelle Compliance und Governance, Generaldirektion Sekretariat

Als Mitglied des Ethik- und Integritätsteams der Stabsstelle Compliance und Governance sowie Sekretärin des Ethik- und Compliance-Kongresses (ECC) arbeite ich eng mit meinen Kolleginnen und Kollegen innerhalb des Eurosystems und des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) zusammen. Die (derzeit virtuellen) Sitzungen des ECC bieten eine großartige Gelegenheit, mit anderen Institutionen in Kontakt zu bleiben, Erfahrungen auszutauschen, aus der Berufspraxis der anderen zu lernen und gemeinsam an der Entwicklung neuer Ethik- und Compliance-Standards zu arbeiten.

Vor Kurzem habe ich an einem anspruchsvollen Projekt gearbeitet, das darauf abzielte, die Integritätsstandards innerhalb des Eurosystems und des SSM zu verbessern und zu harmonisieren. Als der EZB-Rat diese Arbeit im November 2021 mit der Verabschiedung der überarbeiteten Ethikleitlinien billigte, konnte ein langer Prozess (mit teils schwierigen Diskussionen) erfolgreich zu Ende gebracht werden. Das war wirklich ein tolles Gefühl! Letztlich waren wir uns einig, dass wir aufgrund unseres öffentlichen Mandats zeitgemäße Ethikrahmen brauchen, die dazu beitragen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das Eurosystem und den SSM aufrechtzuerhalten. Dank des konstruktiven Teamgeists im ECC (und dank der Unterstützung aus der EZB-Belegschaft) haben wir gemeinsam ein solides Ergebnis erzielen können. Nun freue ich mich darauf, die Zusammenarbeit mit dem ECC zur Umsetzung der überarbeiteten Ethikleitlinien fortzusetzen. Für uns bei der EZB bedeutet das als nächstes eine Überprüfung unseres eigenen Ethikrahmens.

Fabio Tamburrini, Ökonom, Kompetenzzentrum Klimawandel

Anfang 2021 richtete die EZB das Kompetenzzentrum Klimawandel ein. Der Gedanke dabei war, die Arbeit zu klimabezogenen Themen in verschiedenen Bereichen der Bank an einer Stelle zu bündeln. Da ich in der Generaldirektion Internationale und europäische Beziehungen bereits mehr als vier Jahre zu nachhaltigen Finanzen gearbeitet hatte, habe ich mich sehr über die Chance gefreut, mich in dieses neue Projekt einbringen zu können und mit dem neu zusammengestellten Team die Klimapolitik der EZB zu gestalten und voranzubringen. Klimaschutz ist ein Querschnittsthema. Aus diesem Grund ist das Kompetenzzentrum organisatorisch in sechs Workstreams unterteilt, die die verschiedenen klimabezogenen Aktivitäten der Bank bearbeiten. Ich bin für den Workstream rund um EU- und internationale Politik und Finanzmarktregulierung zuständig. Dazu gehört die Abstimmung der Beiträge der EZB zur Klimapolitik der EU, zu Rechtsvorschriften zur Förderung eines nachhaltigen Finanzwesens und zu Initiativen in internationalen Foren wie den G 7 und G 20. Ein Großteil meiner Arbeit besteht darin, mich mit EU-Institutionen und internationalen Organisationen auszutauschen. Ich bin zum Beispiel Mitglied der EU-Plattform, die die Europäische Kommission bei der Umsetzung der EU-weiten Klassifizierung grüner Vermögenswerte („Taxonomie“) und der Agenda der EU für ein nachhaltiges Finanzwesen berät. Die Arbeit im Kompetenzzentrum empfinde ich als sehr bereichernd. Die Dynamik und der Teamgeist hier erinnern an ein Start-up-Unternehmen; gleichzeitig ist uns bewusst, wie bedeutend dieses Thema ist und dass wir mithelfen, der größten gesellschaftlichen Herausforderung unserer Zeit zu begegnen.

Gijsbert ter Kuile, Team Lead, Legal Counsel, Sekretariat des Aufsichtsgremiums; Vorsitzender des Rainbow Network der EZB

Als Legal Counsel in der EZB-Bankenaufsicht trage ich zur Sicherheit und Robustheit von Kreditinstituten bei. Es ist ein gutes Gefühl, dass ich so einen Beitrag zu einer besseren Zukunft für Europa und für nachfolgende Generationen leisten kann. Dasselbe gilt für meine Arbeit im Rainbow Network der EZB, dessen Vorsitzender ich bin. Meine Kolleg*innen und ich machen uns für ein Arbeitsumfeld stark, in dem alle, die sich der LGBT+-Community zugehörig fühlen, Wertschätzung und Akzeptanz spüren sowie Inklusion in Bezug auf Richtlinien und Regeln.

Natürlich wollen wir in der EZB auch allen anderen Menschen mit Diversitätshintergrund gerecht werden. Um dies zu erreichen, arbeiten wir mit anderen EZB-Diversitätsnetzwerken (mit Schwerpunkt auf Behinderung, Ethnizität und Kultur, Elternschaft und Gleichstellung von Frauen und Männern) sowie mit der Belegschaftsvertretung und der Generaldirektion Personal zusammen. Wir tauschen uns regelmäßig aus und bemühen uns um Sensibilisierung unserer Kolleg*innen für unterschiedliche Aspekte der Diversität – weil wir alle divers sind. Ich zum Beispiel bin Cis-Mann, Niederländer mit indonesischen Wurzeln, EU-Bürger, schwul, Anwalt und Vater.

Das Rainbow Network wendet sich aktiv an alle Kolleg*innen der nationalen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden. Unsere Mitgliedschaft steht allen offen, die für die EZB, das ESZB oder den SSM arbeiten – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Wir arbeiten gemeinsam an einer stolzen, bunten und europäischen Zukunft!

Jahresabschluss

Erweiterter Jahresabschluss der EZB 2021 (europa.eu)

Konsolidierte Bilanz des Eurosystems zum 31. Dezember 2021

Konsolidierte Bilanz des Eurosystems zum 31. Dezember 2021 (europa.eu)

© Europäische Zentralbank, 2022

Postanschrift 60640 Frankfurt am Main, Deutschland
Telefon +49 69 1344 0
Internet www.ecb.europa.eu

Alle Rechte vorbehalten. Die Anfertigung von Kopien für Ausbildungszwecke und nichtkommerzielle Zwecke ist mit Quellenangabe gestattet.

Redaktionsschluss für die in dieser Ausgabe enthaltenen Daten war am 24. Februar 2022 (auf allfällige Abweichungen wird separat hingewiesen).

Zu Terminologie und Abkürzungen siehe auch das Glossar der EZB (liegt nur auf Englisch vor).

HTML ISBN 978-92-899-5075-6, ISSN 1725-2849, doi:10.2866/006141, QB-AA-22-001-DE-Q


  1. Die Daten in diesem Abschnitt entsprechen der Schätzung von Eurostat zu den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen vom 8. März 2022.

  2. Diese Daten sind mit Vorbehalt zu interpretieren, denn ihr Revisionsbedarf ist aufgrund der laufenden Umsetzung von Änderungen in der EU-Arbeitskräfteerhebung möglicherweise besonders hoch.

  3. Der Anteil der Erwerbspersonen, die sich in Programmen zur Arbeitsplatzsicherung befanden, ging im Dezember 2021 auf etwa 1,4 % zurück, verglichen mit 6,6 % im Januar 2021 und dem Höchstwert von 19,8 % im April 2020.

  4. Da die offiziellen Daten zum Qualifikationsniveau nur in nicht saisonbereinigter Form zur Verfügung stehen, wird für Vergleiche mit dem Vorpandemieniveau das dritte Quartal 2019 herangezogen.

  5. Der fiskalische Kurs spiegelt die Richtung und das Ausmaß des Fiskalimpulses auf die Volkswirtschaft ohne die automatische Reaktion der öffentlichen Finanzen auf den Konjunkturzyklus wider. Er wird hier anhand der Veränderung des konjunkturbereinigten Primärsaldos ohne Anrechnung der staatlichen Unterstützungsleistungen für den Finanzsektor gemessen. Da die Einnahmen aus den NGEU-Zuschüssen aus dem EU-Haushalt keine dämpfende Wirkung auf die Nachfrage haben, werden sie aus dem konjunkturbereinigten Primärsaldo herausgerechnet. Zum Konzept des Fiskalkurses im Euroraum siehe EZB, Der fiskalische Kurs im Euro-Währungsgebiet, Wirtschaftsbericht 4/2016, Juni 2016.

  6. Siehe EZB, HVPI-Gewichte im Jahr 2021 und ihre Auswirkungen auf die Inflationsmessung, Kasten 6, Wirtschaftsbericht 2/2021, Februar 2021.

  7. Siehe EZB, Konsumverhalten und Inflationsmessung während der Covid-19-Pandemie, Kasten 3, Wirtschaftsbericht 7/2020, November 2020.

  8. Eine Beschreibung der zugrunde liegenden Inflation findet sich in EZB, Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation im Euro-Währungsgebiet, Wirtschaftsbericht 4/2018, Juni 2018.

  9. Siehe EZB, Können Daten zu den Tarifverdiensten zur Messung der Lohndynamik während der Covid-19-Pandemie beitragen?, Kasten 7, Wirtschaftsbericht 8/2020, Januar 2021.

  10. Siehe auch EZB, Ergebnisse einer im Rahmen des Survey of Professional Forecasters (SPF) durchgeführten Sonderumfrage zur neuen geldpolitischen Strategie der EZB, Kasten 8, Wirtschaftsbericht 7/2021, November 2021.

  11. Siehe auch EZB, Zerlegung der marktbasierten Messgrößen des Inflationsausgleichs in Inflationserwartungen und Inflationsrisikoprämien, Kasten 4, Wirtschaftsbericht 8/2021, Dezember 2021.

  12. Siehe EZB, Berücksichtigung von selbst genutztem Wohneigentum bei der Inflationsmessung, Wirtschaftsbericht 1/2022, Februar 2022.

  13. Siehe auch EZB, Einfluss von Basiseffekten und Steuern auf den jüngsten Verlauf der Energiepreisinflation, Kasten 4, Wirtschaftsbericht 3/2021, Mai 2021.

  14. Der Effekt der Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung wird auf rund 0,3 Prozentpunkte für Januar 2021, rund 0,3 Prozentpunkte für Juli 2021 und rund ‑0,3 Prozentpunkte für Januar 2022 geschätzt und bezieht sich jeweils auf die Jahresrate im Vergleich zum Vormonat. Die Schätzungen basieren auf einer Beurteilung der Deutschen Bundesbank zur tatsächlichen Weitergabe der Mehrwertsteuersenkung, siehe Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, 72. Jahrgang, Nr. 11, November 2020.

  15. Da Klimaschutzmaßnahmen hohe CO2-Preise (d. h. Preise für Emissionszertifikate) nach sich ziehen, wird Gas mittlerweile am häufigsten als Ersatz für Windenergie genutzt, wenn diese witterungsbedingt nicht genug Strom liefern kann. Gas verursacht weniger CO2-Emissionen als andere Brennstoffe (v. a. Kohle).

  16. Siehe EZB, Bestimmungsfaktoren für den jüngsten Anstieg der Seefrachtkosten, Kasten 1, Wirtschaftsbericht 3/2021, Mai 2021; EZB, Folgen des Engpasses bei Halbleitern für Handel, Produktion und Preise im Euro-Währungsgebiet, Kasten 6, Wirtschaftsbericht 4/2021, Juni 2021; EZB, Lieferkettenstörungen – Ursachen und Auswirkungen auf das verarbeitende Gewerbe im Euro-Währungsgebiet, Kasten 7, Wirtschaftsbericht 8/2021, Januar 2022.

  17. Nähere Einzelheiten zur Entwicklung der Erzeugerpreise im Euroraum und ihre Auswirkungen auf die Verbraucherpreise finden sich in EZB, Jüngste Entwicklung des Preisdrucks bei den Industrieerzeugnissen ohne Energie im Euro-Währungsgebiet, Kasten 7, Wirtschaftsbericht 5/2021, August 2021.

  18. Während der Lockdown-Phasen waren die Preise für diese Dienstleistungen mit einer etwas höheren Messunsicherheit behaftet, da sie nicht immer erhoben werden konnten und daher geschätzt (d. h. imputiert) wurden (siehe Kapitel 1 Abschnitt 4). Eine tiefer gehende Analyse der Preisentwicklung im Reiseverkehr findet sich in EZB, Preisentwicklung im Reiseverkehr während der Covid-19-Pandemie: Gibt es länder- und komponentenübergreifende Parallelen?, Kasten 6, Wirtschaftsbericht 1/2021, Februar 2021.

  19. Im Dezember 2020 rekalibrierte der EZB-Rat sein geldpolitisches Instrumentarium wie folgt: Erstens wurde der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte bei 0,00 %, jener für die Spitzenrefinanzierungsfazilität bei 0,25 % und jener für die Einlagefazilität bei ‑0,50 % belassen. Der EZB-Rat sagte, er erwarte, dass die Leitzinsen der EZB so lange auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben, bis er feststellt, dass sich die Inflationsaussichten im Projektionszeitraum deutlich einem Niveau annähern, das hinreichend nahe, aber unter 2 % liegt, und dass sich diese Annäherung in der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation durchgängig widerspiegelt. Zweitens wurde der Gesamtumfang des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) um 500 Mrd € auf insgesamt 1 850 Mrd € erweitert und der Zeithorizont des Programms bis mindestens Ende März 2022 verlängert. Der EZB-Rat verlautbarte, er werde Nettoankäufe in jedem Fall durchführen, bis die Coronakrise seiner Einschätzung nach überstanden ist. Der Zeitraum für die Wiederanlage von Tilgungsbeträgen der im Rahmen des PEPP erworbenen Wertpapiere bei Fälligkeit wurde bis mindestens Ende 2023 verlängert. Drittens wurden die Bedingungen der dritten Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) neu kalibriert. Viertens wurde die Geltungsdauer der am 7. und 22. April 2020 verabschiedeten Maßnahmen zur Lockerung der Kriterien für Sicherheiten bis Juni 2022 verlängert. Fünftens gab der EZB-Rat bekannt, dass im Jahr 2021 vier zusätzliche längerfristige Pandemie-Notfallrefinanzierungsgeschäfte (PELTROs) angeboten werden. Sechstens sagte der EZB-Rat, dass die Nettoankäufe im Rahmen des EZB-Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) in einem monatlichen Umfang von 20 Mrd € so lange fortgesetzt werden, wie es für die Verstärkung der akkommodierenden Wirkung der Leitzinsen der EZB erforderlich ist, und dass diese Ankäufe kurz vor dem Beginn neuerlicher Leitzinserhöhungen beendet werden. Der EZB-Rat erklärte ferner seine Absicht, die Tilgungsbeträge der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapiere weiterhin bei Fälligkeit vollumfänglich wieder anzulegen, und zwar für längere Zeit über den Zeitpunkt einer Leitzinserhöhung hinaus und in jedem Fall so lange wie erforderlich, um günstige Liquiditätsbedingungen und eine umfangreiche geldpolitische Akkommodierung aufrechtzuerhalten. Siebtens kündigte der EZB-Rat die Verlängerung der Repo Facility for Central Banks (EUREP) sowie aller befristeten Swap- und Repo-Linien mit Zentralbanken außerhalb des Euroraums bis März 2022 an. Die regulären Kreditgeschäfte würden so lange wie erforderlich weiterhin als Mengentender mit Vollzuteilung zu den geltenden Bedingungen durchgeführt werden.

  20. Siehe erste Fußnote in Kapitel 2 Abschnitt 1.

  21. Siehe EZB, The financial risk management of the Eurosystem’s monetary policy operations, Juli 2015.

  22. Siehe auch den Bereich Asset purchase programmes auf der Website der EZB.

  23. Für Asset-Backed Securities müssen Ratings von mindestens zwei Ratingagenturen vorliegen.

  24. Im Rahmen der im April 2020 als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie eingeführten Maßnahmen zur Lockerung der Kriterien für Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Eurosystems setzte der EZB-Rat diese Anforderung auch für von der Hellenischen Republik begebene marktfähige Schuldverschreibungen, die als Sicherheiten verwendet werden, vorübergehend aus. Darüber hinaus beschloss der EZB-Rat, dass marktfähige Sicherheiten und Emittenten dieser Sicherheiten, die am 7. April 2020 die Mindestbonitätsanforderungen für die Notenbankfähigkeit von Sicherheiten (BBB- für alle Sicherheiten außer Asset-Backed Securities) erfüllten, im Falle einer Rating-Herabstufung weiterhin als notenbankfähig gelten, solange ihr Rating auf oder über der Bonitätsstufe 5 (CQS 5, entspricht einem Rating von BB) auf der harmonisierten Ratingskala des Eurosystems verharrt.

  25. Siehe Artikel 138 3(b) der Leitlinie (EU) 2015/510 der EZB vom 19. Dezember 2014 über die Umsetzung des geldpolitischen Handlungsrahmens des Eurosystems (EZB/2014/60) (ABl. L 91 vom 2.4.2015, S. 3).

  26. Die Erklärung zur geldpolitischen Strategie der EZB sowie ein Überblick über die geldpolitische Strategie der EZB sind auf der Website der EZB abrufbar. Der Überblick erschien auf Deutsch in EZB, Wirtschaftsbericht 5/2021, August 2021.

  27. Eine genauere Analyse findet sich in Workstream on the price stability objective, The ECB 's price stability framework: past experience, and current and future challenges, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 269, September 2021.

  28. Siehe Workstream on monetary policy instruments, Assessing the effectiveness, efficiency and potential side effects of the ECB’s monetary policy instruments since 2014, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 278, September 2021, überarbeitete Version Dezember 2021.

  29. Siehe Workstream on inflation measurement, Inflation measurement and its assessment in the ECB’s monetary policy strategy review, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 265, September 2021.

  30. Die Strategieüberprüfung hat gezeigt, dass die Geldpolitik auf unterschiedliche Gruppen in der Gesellschaft eine unterschiedliche Wirkung hat. Negative Ereignisse verringern den Konsum ärmerer Haushalte stärker als jenen reicherer Haushalte, und es dauert länger, bis sich die Beschäftigungsaussichten ärmerer Haushalte nach diesen Ereignissen verbessern. Hält man in einer solchen Situation die Zinsen für längere Zeit niedrig, kann man dazu beitragen, der Langzeitarbeitslosigkeit unter den Angehörigen ärmerer Haushalte entgegenzuwirken. Siehe Workstream on employment, Employment and the conduct of monetary policy in the euro area, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 275, September 2021.

  31. Workstream on macroprudential policy, monetary policy and financial stability, The role of financial stability considerations in monetary policy and the interaction with macroprudential policy in the euro area, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 272, September 2021.

  32. Workstream on climate change, Climate change and monetary policy in the euro area, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 271, September 2021.

  33. Siehe den Überblick über die Listening Events („Ihre Zentralbank hört zu“) der EZB und nationalen Zentralbanken im Euroraum.

  34. Workstream on monetary policy communication, Clear, consistent and engaging: ECB monetary policy communication in a changing world, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 274, September 2021, überarbeitete Version Dezember 2021.

  35. Siehe M. Ehrmann, D. Georgarakos und G. Kenny, Credibility gains from communication with the public: evidence from the ECB’s new monetary policy strategy, Working Paper Series der EZB, erscheint in Kürze.

  36. Siehe EZB-Bankenaufsicht, EZB beschließt, Dividendenempfehlung nicht über September 2021 hinaus zu verlängern, Pressemitteilung vom 23. Juli 2021.

  37. Siehe EZB, Climate-related risks to financial stability, Sonderbeitrag B, Financial Stability Review, Mai 2021.

  38. Artikel 5 der SSM-Verordnung weist der EZB diesbezüglich eine wichtige Rolle mit besonderen Befugnissen zu.

  39. Siehe die Erklärung zur geldpolitischen Strategie der EZB; EZB, Überblick über die geldpolitische Strategie der EZB, Wirtschaftsbericht 5/2021, August 2021; Work stream on macroprudential policy, monetary policy and financial stability, The role of financial stability considerations in monetary policy and the interaction with macroprudential policy in the euro area, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 272, September 2021. Siehe auch EZB, The role of financial stability in the ECB’s new monetary policy strategy, Kasten 8, Financial Stability Review, November 2021.

  40. Während eines Abschwungs kann die Geldpolitik stabilisierend auf die Wirtschaft (Verringerung der Verluste für den Finanzsektor) und die Inflation (Begrenzung des Risikos einer Schulden-Deflations-Spirale) einwirken. Als entscheidender Aspekt kommt hinzu, dass die Geldpolitik bei akutem Finanzstress in der Lage ist, Bank-Runs oder Notverkäufe einzudämmen.

  41. Siehe EZB, Financial Stability Review, November 2021.

  42. Zeitgleich zu diesen Maßnahmen wurde in Zypern, Litauen und Portugal die Einführung des Puffers für andere systemrelevante Institute (A-SRI) verschoben. Die makroprudenziellen Behörden nahmen auch eine Feinabstimmung ihrer Maßnahmen für den Wohnimmobilienmarkt vor, um eine ungewollte Verstärkung des Konjunkturzyklus zu verhindern und die Widerstandsfähigkeit von Banken und Kreditnehmern aufrechtzuerhalten. Siehe EZB, Makroprudenzielle Maßnahmen im Wohnimmobiliensektor vor, während und nach der Covid-19-Pandemie, Kasten 3 in: Entwicklung des Wohnimmobilienmarkts im Euro-Währungsgebiet während der Corona-Pandemie, Wirtschaftsbericht 7/2021, November 2021.

  43. Im März 2020 empfahl die EZB den Banken, bis mindestens zum 1. Oktober 2020 von Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufen abzusehen. Im Juli 2020 wurde diese Empfehlung bis zum 1. Januar 2021 verlängert, und im Dezember 2020 forderte die EZB die Banken auf, Barausschüttungen bis Ende September 2021 zu begrenzen oder vollständig auszusetzen. Zugleich gestattete sie den Banken, bis mindestens Ende 2022 die aus der Säule-2-Empfehlung und dem Kapitalerhaltungspuffer erwachsenden Eigenkapitalanforderungen vorübergehend zu unterschreiten, wobei sie die Frist bis zur neuerlichen Erfüllung der Säule-2-Empfehlung an die Entwicklung der Wirtschaftslage koppelte. Die Ergebnisse des 2021 durchgeführten Stresstests der EBA bestätigten diesen zeitlichen Rahmen. Siehe EZB-Bankenaufsicht, EZB-Bankenaufsicht reagiert auf Coronavirus – vorübergehende Kapitalerleichterungen und operative Flexibilität für Banken, Pressemitteilung vom 12. März 2020; EZB-Bankenaufsicht, EZB bittet Banken, bis mindestens Oktober 2020 keine Dividenden auszuzahlen, Pressemitteilung vom 27. März 2020; EZB-Bankenaufsicht, EZB fordert Banken auf, Dividendenausschüttungen bis September 2021 auszusetzen oder zu begrenzen, Pressemitteilung vom 15. Dezember 2020; FAQs on ECB supervisory measures in reaction to the coronavirus. Mit Wirkung zum 30. September 2021 wurden die Beschränkungen zu Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufen von der EZB aufgehoben.

  44. In Bulgarien tritt die Erhöhung der – aktuell positiven – Quote des antizyklischen Kapitalpuffers in zwei Schritten in Kraft (Oktober 2022 und Januar 2023). In Estland gilt der höhere Puffer ab Dezember 2022.

  45. Er ist ab Juli 2022 einzuhalten und betrifft sämtliche Immobilienkredite, die an natürliche Personen vergeben wurden und mit Wohnimmobilien besichert sind.

  46. Diese Maßnahme wurde 2020 beschlossen, ihre Umsetzung hat sich jedoch durch den Ausbruch der Coronakrise verschoben.

  47. Neben den genannten Maßnahmen wurde in einigen Ländern der A-SRI-Puffer angepasst, und die Systemrisikopuffer wurden rekalibriert bzw. abgeschafft, um Konformität mit den Änderungen der Eigenkapitalrichtlinie herzustellen. Die EZB veröffentlicht auf ihrer Website einen Überblick über die makroprudenziellen Maßnahmen, die ihr angezeigt wurden und die in den an der EZB-Bankenaufsicht teilnehmenden Ländern umgesetzt bzw. bekannt gegeben wurden.

  48. Siehe EZB, Abschnitt 5, Financial Stability Review, November 2021.

  49. Im Juli 2021 richtete die Europäische Kommission ein Konsultationsersuchen an den ESRB, die EBA und die EZB, das im Zusammenhang mit der rechtlichen Überarbeitung des makroprudenziellen Rahmens der EU steht. Die Konsultation befasst sich mit a) der Ausgestaltung und Funktionsweise der Pufferregelungen, b) fehlenden oder überholten Instrumenten, c) Aspekten des EU-Binnenmarkts und d) globalen Risiken.

  50. Der ESRB ist für die makroprudenzielle Aufsicht über das Finanzsystem in der EU sowie für die Prävention und Begrenzung des systemischen Risikos verantwortlich.

  51. Siehe den von der Arbeitsgruppe im Februar 2021 veröffentlichten Bericht Financial stability implications of support measures to protect the real economy from the COVID-19 pandemic und die im September 2021 aktualisierten Informationen zur Überwachung dieser Auswirkungen.

  52. Siehe den im Juni 2021 veröffentlichten Bericht Lower for longer – macroprudential policy issues arising from the low interest rate environment.

  53. Hierzu zählten die sechste Ausgabe des EU Non-bank Financial Intermediation Risk Monitor und der im Juli 2021 veröffentlichte Diskussionsentwurf Issues note on systemic vulnerabilities of and preliminary policy considerations to reform money market funds (MMFs), der insbesondere dem Kontext des Regulierungsrahmens der EU Rechnung trägt.

  54. Siehe den im Juli 2021 veröffentlichten Bericht Climate-related risk and financial stability.

  55. Verbunden damit war das Erstellen von adversen Szenarien für den 2021 von der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) durchgeführten EU-weiten Stresstest des Versicherungssektors, den 2021 von der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) durchgeführten EU-weiten Stresstest von zentralen Gegenparteien und den 2021 von der EBA koordinierten EU-weiten Stresstest des Bankensektors.

  56. Siehe den im Dezember 2021 veröffentlichten Bericht zur makroprudenziellen Ausrichtung.

  57. Siehe den im Dezember 2021 veröffentlichten Bericht zur Überschneidung von Eigenkapitalanforderungen.

  58. Gesamtes hartes Kernkapital (CET1), das zur Einhaltung der Kapitalerhaltungspufferanforderung erforderlich ist, aufgestockt – je nach Anwendungsfall – um einen institutsspezifischen antizyklischen Kapitalpuffer, einen G-SRI-Puffer (Puffer für global systemrelevante Institute), einen A-SRI-Puffer (Puffer für andere systemrelevante Institute) und einen systemischen Risikopuffer. Die kombinierte Kapitalpufferanforderung ist in Artikel 128 der Eigenkapitalrichtlinie (CRD) definiert.

  59. Unterschreitet die CET1-Quote einer Bank die Summe aus Säule-1- und Säule-2-Anforderung und kombinierter Kapitalpufferanforderung, muss die Bank für sich den ausschüttungsfähigen Höchstbetrag (maximum distributable amount – MDA) berechnen. Dieser stellt eine Obergrenze für mögliche Kapitalausschüttungen in Form von Dividenden, Aktienrückkäufen und Bonuszahlungen dar. Je höher die Differenz zwischen CET1-Quote und MDA-Trigger, desto geringer der Betrag, den die Bank ausschütten darf.

  60. Dieser soll sicherstellen, dass Kreditinstitute in Phasen eines übermäßigen Kreditwachstums einen ausreichend hohen Bestand an Eigenmitteln aufbauen, um unter Stress Verluste absorbieren zu können. Hierfür ist hartes Kernkapital zu hinterlegen. Der Puffer ist institutsspezifisch. Er entspricht dem gewichteten Durchschnitt der Quoten für antizyklische Kapitalpuffer, die in den Ländern gelten, in denen die Kreditrisikopositionen des Instituts belegen sind.

  61. Der Puffer bezieht sich auf die Finanzbranche bzw. einen oder mehrere ihrer Teilbereiche und dient der Vermeidung und Minderung von Makroaufsichts- oder Systemrisiken. Er ist in Form von hartem Kernkapital zu halten und kann auf alle oder auf einen Teil der Kreditrisikopositionen angewendet werden.

  62. Siehe EZB, Bank capital buffers and lending in the euro area during the pandemic, Sonderbeitrag A, Financial Stability Review, November 2021.

  63. Siehe Primärstatistiken der EZB zu monetären Finanzinstituten, Versicherungsgesellschaften, Pensionseinrichtungen und Investmentfonds.

  64. Auf Basis der Daten zu den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für das Euro-Währungsgebiet und den Primärstatistiken der EZB; siehe auch EZB, Financial Stability Review, Abbildung 4.1, November 2020.

  65. Siehe Financial Stability Board, Holistic Review of the March Market Turmoil, 17. November 2020.

  66. Siehe Financial Stability Board, Policy Proposals to Enhance Money Market Fund Resilience – Final report, 11. Oktober 2021.

  67. Siehe EZB, Mind the liquidity gap: a discussion of money market fund reform proposals und Assessing the impact of a mandatory public debt quota for private debt money market funds, Macroprudential Bulletin, Ausgabe 16, Januar 2022.

  68. Siehe BCBS, CPMI und IOSCO, Consultative report: Review of margining practices, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO), Oktober 2021.

  69. Siehe das Schreiben der EZB und der EBA und das gemeinsame Schreiben mehrerer nationaler Behörden in der EU an die Europäische Kommission vom 7. September 2021, in denen die vollständige Umsetzung der Basel-III-Reformen gefordert wird; A. Enria, Vorsitzender des Aufsichtsgremiums, Basel III implementation: the last mile is always the hardest, Rede auf der Online-Konferenz von Marco Fanno Alumni, 3. Mai 2021.

  70. Siehe EBA, Basel III reforms: impact study and key recommendations, Dezember 2019; EZB, Macroeconomic impact of Basel III finalisation on the euro area, Macroprudential Bulletin, Ausgabe 14, Juli 2021; EBA, Basel III Reforms: Updated Impact Study, 2020.

  71. Siehe K. af Jochnick, Mitglied des Aufsichtsgremiums der EZB, Strengthening banks’ resilience in the banking union, Rede auf der Financial Stability Conference 2021, Berlin, 19. November 2021.

  72. EZB, Macroprudential Bulletin, Ausgabe 12, April 2021.

  73. ECB/ESRB Project Team on climate risk monitoring, Climate-related risk and financial stability, EZB, Juli 2021.

  74. EZB, Macroprudential Bulletin, Ausgabe 15, Oktober 2021.

  75. Die 2020 über TARGET2 abgewickelten Zahlungen wiesen im Vergleich zum Vorjahr ein sehr geringes Wachstum auf (+1,0 %), da der infolge des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie beobachtete starke Zahlungsrückgang (‑5,9 % im zweiten Quartal 2020 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum) durch den Zahlungsanstieg im ersten und letzten Jahresviertel 2020 ausgeglichen wurde.

  76. Siehe ESMA, ESMA concludes Tier 2 CCP assessment under Article 25(2c) of EMIR, öffentliche Erklärung vom 17. Dezember 2021.

  77. Siehe EZB, Das Eurosystem startet Projekt zum digitalen Euro, Pressemitteilung vom 14. Juli 2021.

  78. Siehe EZB, EZB stellt Mitglieder der Digital Euro Market Advisory Group vor, Pressemitteilung vom 25. Oktober 2021.

  79. Siehe EZB, Experts invited to join technical talks on digital euro, MIP NEWS, 15. Oktober 2021.

  80. Siehe EZB, EZB intensifies technical work on digital euro with the European Commission, MIP NEWS, 19. Januar 2021.

  81. Siehe Kasten 11 zur EU-weiten Abstimmung auf politischer Ebene im Rahmen des Projekts zum digitalen Euro.

  82. Siehe HM Treasury, G7 Public Policy Principles for Retail Central Bank Digital Currencies, Policy paper, 14. Oktober 2021.

  83. Bank of Canada, Bank of England, Bank of Japan, EZB, Federal Reserve, Sveriges riksbank und Schweizerische Nationalbank.

  84. Siehe Berichtsreihe der BIZ, Central bank digital currencies, insbesondere Executive summary, System design and interoperability, User needs and adoption und Financial stability implications, September 2021.

  85. Siehe auch F. Panetta und I. Schnabel, The provision of euro liquidity through the ECB’s swap and repo operations, The ECB Blog, EZB, 19. August 2020.

  86. Durchführungsverordnung (EU) 2021/1848 der Kommission vom 21. Oktober 2021 über die Bestimmung eines Ersatzzinssatzes für den Referenzwert Overnight Index Average (C/2021/7487) (ABl. L 374 vom 22.10.2021, S. 6).

  87. Seit 3. Januar 2022 wird der LIBOR für den Schweizer Franken und den Euro nicht mehr bereitgestellt; auch der USD-Libor ist nur mehr für bestimmte Laufzeiten verfügbar. Außerdem gilt der LIBOR für den japanischen Yen und das britische Pfund seit diesem Stichtag als nicht mehr repräsentativ, wodurch die Verwendbarkeit eingeschränkt wird.

  88. Mit einer standardisierten Bindungserklärung können Marktteilnehmer ihre Anerkennung und Bereitschaft zur Umsetzung der im FX Global Code festgelegten bewährten Verfahren öffentlich machen.

  89. Gemäß Artikel 141 Absatz 2 AEUV, Artikel 17, 21.2, 43.1 und 46.1 der ESZB-Satzung sowie Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates vom 18. Februar 2002.

  90. Gemäß Artikel 122 Absatz 2 und Artikel 132 Absatz 1 AEUV, Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung sowie Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom 11. Mai 2010.

  91. Gemäß Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung (in Verbindung mit Artikel 10 der Verordnung (EU) 2020/672 des Rates vom 19. Mai 2020 zur Schaffung eines Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) im Anschluss an den Covid-19-Ausbruch).

  92. Gemäß Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung (in Verbindung mit Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität).

  93. Gemäß Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung (in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 5 des EFSF-Rahmenvertrags).

  94. Gemäß Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung (in Verbindung mit Artikel 5.12.1 der ESM General Terms for Financial Assistance Facility Agreements).

  95. Im Zusammenhang mit der Kreditrahmenvereinbarung zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets (mit Ausnahme Deutschlands und Griechenlands) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – die im öffentlichen Interesse handelt und den Anweisungen der Bundesrepublik Deutschland unterliegt, die eine Garantie zugunsten der KfW übernimmt – als Kreditgeber einerseits und der Hellenischen Republik als Kreditnehmerin und der griechischen Zentralbank als deren Vertreterin andererseits sowie gemäß Artikel 17 und 21.2 der ESZB-Satzung und Artikel 2 des Beschlusses der Europäischen Zentralbank vom 10. Mai 2010 über die Verwaltung von der Griechischen Republik gewährten zusammengelegten bilateralen Krediten und zur Änderung des Beschlusses EZB/2007/7 (EZB/2010/4) (ABl. L 119 vom 13.5.2010, S. 24).

  96. Siehe Leitlinie (EU) 2021/827 der Europäischen Zentralbank vom 29. April 2021 zur Änderung der Leitlinie EZB/2013/24 über die statistischen Berichtsanforderungen der Europäischen Zentralbank im Bereich der vierteljährlichen Finanzierungsrechnungen (EZB/2021/20) (ABl. L 184 vom 25.5.2021, S. 4).

  97. Siehe Verordnung (EU) 2021/379 der Europäischen Zentralbank vom 22. Januar 2021 über die Bilanzpositionen der Kreditinstitute und des Sektors der monetären Finanzinstitute (Neufassung) (EZB/2021/2) (ABl. L 73 vom 3.3.2021, S. 16).

  98. Siehe EZB, EZB unternimmt nächsten Schritt in Richtung Harmonisierung statistischer Meldungen zur Entlastung der Banken und Verbesserung der Analyse, Pressemitteilung vom 17. Dezember 2021.

  99. Siehe EZB, EZB präsentiert Maßnahmenplan zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in ihrer geldpolitischen Strategie, Pressemitteilung vom 8. Juli 2021.

  100. Aufbauend auf den mit Ende 2020 abgeschlossenen Arbeiten der Expertengruppe für Klimawandel und Statistik des ESZB-Ausschusses für Statistik.

  101. Dies kam im Portal „Die EZB hört zu“ und in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zum EZB-Jahresbericht 2020 zum Ausdruck.

  102. Die Berücksichtigung von tatsächlichen Kaufpreisen anstelle von unterstellten Mieten dürfte den Informationsgehalt des HVPI erhöhen und den Anliegen der Bevölkerung des Euroraums besser gerecht werden. Die meisten Bürgerinnen und Bürger möchten Wohnkosten genauer und realistischer abgebildet wissen.

  103. Die Anforderungen bezüglich Zeitnähe, Periodizität und Unterscheidung zwischen Konsum- und Investitionskomponente werden vom aktuellen Preisindex für selbstgenutztes Wohneigentum nicht erfüllt. Daher unterstützt die EZB weitere Forschungsprojekte zu optimalen Messmethoden. Ziel sollte dabei auch eine bessere Abgrenzung der Konsum- und der Investitionskomponente sein, wobei erstere die für die Geldpolitik relevante Komponente darstellt.

  104. Siehe EZB, Compounded €STR average rates and index, Calculation and publication rules, 2021.

  105. Leitlinie (EU) 2021/565 der Europäischen Zentralbank vom 17. März 2021 zur Änderung der Leitlinie (EU) 2019/1265 zum Euro Short-Term Rate (EURSTR) (EZB/2021/10) (ABl. L 119 vom 7.4.2021, S. 128).

  106. Siehe Aufsichtsrechtliche Verwendung des LEIs; siehe auch ESRB, The benefits of the Legal Entity Identifier for monitoring systemic risk, Occasional Paper Series, Nr. 18, September 2021.

  107. Die 8. SDMX Global Conference fand vom 27. bis zum 30. September 2021 statt. Die EZB war aktiv an der Vorbereitung und Organisation der Veranstaltung beteiligt. Im Zuge der Konferenz wurde Einblick in die erfolgreiche Umsetzung des SDMX-Standards durch nationale und internationale Organisationen in verschiedenen Phasen des Lebenszyklus von Daten gegeben. In einer von der EZB geleiteten Sitzung wurde zudem über die Nutzung des SDMX-Standards zur Modernisierung statistischer Prozesse und IT-Infrastrukturen informiert.

  108. Der Standard wurde zunächst hauptsächlich für Zahlungsnachrichten verwendet, deckt nun aber diverse Geschäftsprozesse im Finanzsektor ab, einschließlich Meldungen an öffentliche Stellen.

  109. Im Rahmen der Webinare wurden bereits einige Forschungsarbeiten vonseiten der nationalen Zentralbanken vorgestellt, darunter: I. Faiella, L. Lavecchia, V. Michelangeli und A. Mistretta, A micro-founded climate stress test on the financial vulnerability of Italian households and firms, Occasional Papers, Nr. 639, Banca d’Italia, Oktober 2021; R. Bernard, P. Tzamourani und M. Weber, Climate Change and Individual Behavior, Discussion Paper, No 01, Deutsche Bundesbank, 2022; und U. von Kalckreuth, Carbon costs: Towards a system of indicators for the carbon impact of products, enterprises and industries, Deutsche Bundesbank, 2021.

  110. Siehe M. Papoutsi, M. Piazzesi und M. Schneider, How unconventional is green monetary policy?, Working Paper Series der EZB, erscheint in Kürze.

  111. Siehe P. Aghion, L. Boneva, J. Breckenfelder, L. Laeven, C. Olovsson, A. Popov und E. Rancoita, Financial markets and „green“ innovation, Discussion Paper Series der EZB, erscheint in Kürze.

  112. Siehe D. Christelis, D. Georgarakos, T. Jappelli und G. Kenny, How has the COVID-19 crisis affected different households’ consumption in the euro area?, Research Bulletin der EZB, Nr. 84, Mai 2021.

  113. Siehe auch P. Lane, Expectations surveys: a tool for research and monetary policy, Begrüßungsworte bei der zweiten gemeinsamen Konferenz der EZB und der Federal Reserve Bank of New York, 11. November 2021.

  114. Siehe D. Georgarakos und G. Kenny, Household spending and fiscal support during the COVID-19 pandemic: Insights from a new consumer survey, Beitrag zur zweiten gemeinsamen Konferenz der EZB und der Federal Reserve Bank of New York mit dem Veranstaltungstitel Expectations surveys: a tool for research and monetary policy, 11. November 2021.

  115. Verstöße gegen die Konsultationspflicht umfassen: a) Fälle, in denen es eine nationale Behörde unterließ, der EZB Entwürfe für Rechtsvorschriften, die innerhalb der Zuständigkeitsbereiche der EZB liegen, zur Stellungnahme vorzulegen; und b) Fälle, in denen eine nationale Behörde die EZB zwar formell konsultierte, ihr jedoch zur Prüfung der betreffenden Entwürfe für Rechtsvorschriften sowie zur Verabschiedung einer Stellungnahme vor Erlass der jeweiligen Rechtsvorschriften keinen ausreichend bemessenen Zeitrahmen einräumte.

  116. Siehe Europäische Kommission, Standard Eurobarometer 95 – Spring 2021, September 2021.

  117. Siehe die Erklärung der Mitglieder des Euro-Gipfels vom 25. März 2021, das zusammenfassende Schreiben zum Treffen der Euro-Gruppe vom 21. Mai 2021, die Schlussfolgerungen des Rates zur Mitteilung der Kommission zu einer EU-Strategie für den Massenzahlungsverkehr vom 8. März 2021, die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zum EZB-Jahresbericht 2020 und die Mitteilung der Kommission vom 19. Januar 2021 zum Thema „Das europäische Wirtschafts- und Finanzsystem: Mehr Offenheit, Stärke und Resilienz“.

  118. Siehe EZB, Das Eurosystem startet Projekt zum digitalen Euro, Pressemitteilung vom 14. Juli 2021.

  119. Siehe das Schreiben von Fabio Panetta an Irene Tinagli (Mitglied des Europäischen Parlaments) zur Entscheidung des EZB-Rats, die Untersuchungsphase eines Projekts zum digitalen Euro einzuleiten.

  120. Siehe EZB, ECB intensifies technical work on digital euro with the European Commission, MIP NEWS, 19. Januar 2021.

  121. Siehe F. Panetta, Ein digitaler Euro, der den Erwartungen der Menschen in Europa entspricht, einleitende Bemerkungen vor dem ECON-Ausschuss des Europäischen Parlaments, Frankfurt am Main, 14. April 2021; und Ein digitaler Euro für den Zahlungsverkehr von morgen, einleitende Bemerkungen vor dem ECON-Ausschuss des Europäischen Parlaments, Brüssel, 18. November 2021.

  122. Zum Austausch mit dem Europäischen Parlament siehe das Schreiben der EZB-Präsidentin an die Abgeordneten Marco Zanni, Francesca Donato, Valentino Grant und Antonio Maria Rinaldi vom 22. Dezember 2020; das Schreiben der EZB-Präsidentin an den Abgeordneten Chris MacManus vom 21. Januar 2021; das Schreiben der EZB-Präsidentin an die Abgeordnete Julie Lechanteux vom 5. Februar 2021; sowie das Schreiben der EZB-Präsidentin an den Abgeordneten Gunnar Beck vom 29. Oktober 2021.

  123. Siehe die Bemerkungen und zusammenfassenden Schreiben des Vorsitzenden der Euro-Gruppe im Anschluss an die Treffen der Euro-Gruppe vom 16. April 2021 (Bemerkungen, zusammenfassendes Schreiben) und 12. Juli 2021 (Bemerkungen, zusammenfassendes Schreiben).

  124. Siehe die Bemerkungen und das zusammenfassende Schreiben des Vorsitzenden der Euro-Gruppe im Anschluss an das Treffen der Euro-Gruppe vom 8. November 2021.

  125. Bei den SZR handelt es sich um eine vom IWF im Jahr 1969 geschaffene internationale Währungsreserve. SZR stellen ein Anrecht auf Umtausch gegen eine frei verwendbare Währung der IWF-Mitgliedstaaten dar. Der Wert von SZR wird auf Grundlage eines Korbes mit fünf Währungen ermittelt (US-Dollar, Euro, Renminbi, Yen, Pfund Sterling).

  126. Die Fähigkeit (aus Sicht der initiierenden Partei) SZR-Ankäufe bzw. ‑Verkäufe abzuwickeln.

  127. Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen (ABl. L 330 vom 15.11.2014, S. 1).

  128. Weitere Einzelheiten zur Governance-Struktur der EZB finden sich auf der EZB-Website.

  129. Die Stellungnahmen des Ethikausschusses zu möglichen Interessenkonflikten und Erwerbstätigkeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses sind auf der Website der EZB einsehbar.

  130. Leitlinie (EU) 2021/2253 der Europäischen Zentralbank vom 2. November 2021 zur Festlegung der Grundsätze des Ethikrahmens für das Eurosystem (EZB/2021/49) (ABl. L 454 vom 17.12.2021, S. 7) und Leitlinie (EU) 2021/2256 der Europäischen Zentralbank vom 2. November 2021 zur Festlegung der Grundsätze des Ethikrahmens für den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism — SSM) (EZB/2021/50) (ABl. L 454 vom 17.12.2021, S. 21).

  131. Obwohl das Vereinigte Königreich nicht mehr Mitglied der EU ist, wird auch die britische Staatsangehörigkeit aus Gründen der Kontinuität ausgewiesen.

  132. Die Zahlen basieren auf Angaben des Personals. Wer für die EZB arbeiten will, muss den Nachweis über die Staatsbürgerschaft von mindestens einem EU-Mitgliedstaat erbringen. Eine deutsche Staatsbürgerschaft muss für die korrekte Ermittlung von Zulagen in jedem Fall gemeldet werden.

  133. Siehe EZB, Financial Stability Review, Mai 2019, und EZB, Financial Stability Review, Mai 2021.

  134. Siehe ECB/ESRB Project Team on climate risk monitoring, Climate-related risk and financial stability, EZB, Juli 2021.

  135. Siehe EZB, ECB economy-wide climate stress test – methodology and results, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 281, September 2021.

  136. Siehe Climate risk stress test – SSM stress test 2022, EZB-Bericht zur Bankenaufsicht, Oktober 2021.

  137. Siehe Workstream on climate change, Climate change and monetary policy in the euro area, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 271, September 2021.

  138. Siehe EZB, Preise von EU-Emissionszertifikaten vor dem Hintergrund des Maßnahmenplans zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten der EZB, Kasten 5, Wirtschaftsbericht 6/2021, September 2021.

  139. Siehe EZB, EZB lässt an Nachhaltigkeitsziele gebundene Anleihen als Sicherheiten zu, Pressemitteilung vom 22. September 2020.

  140. Siehe Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 7. September 2021 zu einem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 2013/34/EU, 2004/109/EG und 2006/43/EG und der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CON/2021/27) (ABl. C 446 vom 3.11.2021, S. 2).

  141. Siehe Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 5. November 2021 zu einem Vorschlag für eine Verordnung über europäische grüne Anleihen (CON/2021/30) (ABl. C 27 vom 19.1.2022, S. 4).

  142. Vorsitz: Frank Elderson, Mitglied des Direktoriums der EZB; die EZB ist auch Mitglied des NGFS-Lenkungsausschusses.

  143. Stellvertretender Vorsitz: Frank Elderson, Mitglied des Direktoriums der EZB.

  144. Das Basler Rahmenwerk besteht aus drei Säulen. Säule 1 legt die Regeln für die Berechnung der regulatorischen Eigenkapitalanforderungen anhand der Kredit-, Markt- und operationellen Risiken fest, die u. a. durch makroprudenzielle Kapitalpuffer ergänzt werden. Säule 2 regelt die Grundprinzipien für die Bankenaufsicht und das Risikomanagement in den Banken, während Säule 3 die Offenlegungspflichten der Banken zur Stärkung der Marktdisziplin festlegt. Ein Überblick über die drei Säulen findet sich in dieser Tabelle: Basel Committee on Banking Supervision reforms – BCBS III.

  145. Siehe G. Bijnens, J. Hutchinson, J. Konings und A. Saint-Guilhem, The interplay between green policy, electricity prices, financial constraints and jobs: firm-level evidence, Working Paper Series der EZB, Nr. 2537, April 2021; M. Ciccarelli und F. Marotta, Demand or supply? An empirical exploration of the effects of climate change on the macroeconomy, Working Paper Series der EZB, Nr. 2608, Oktober 2021; M. Pagliari, LSIs’ exposures to climate change related risks: an approach to assess physical risks, Working Paper Series der EZB, Nr. 2517, Januar 2021; M. Pagliari und M. Ferrari, No country is an island: international cooperation and climate change, Working Paper Series der EZB, Nr. 2568, Juni 2021; A. Reghezza, Y. Altunbas, D. Marques, C. d’Acri und M. Spaggiari, Do banks fuel climate change?, Working Paper Series der EZB, Nr. 2550, Mai 2021; S. Carbone, M. Giuzio, S. Kapadia, J. Krämer, K. Nyholm und K. Vozian, The low-carbon transition, climate commitments and firm credit risk, Working Paper Series der EZB, Nr. 2631, Dezember 2021.

  146. Die Ergebnisse der erweiterten Definition des CO2-Fußabdrucks der EZB und die final abgestimmten Ziele zur Verringerung der CO2-Emissionen werden in der Umwelterklärung 2022 der EZB veröffentlicht.

  147. Ein detaillierter Überblick findet sich in der Umwelterklärung der EZB – aktualisierte Fassung 2021.

  148. Siehe EZB, Eurosystem verständigt sich auf gemeinsamen Ansatz für klimabezogene nachhaltige Anlagen innerhalb der nicht geldpolitischen Portfolios, Pressemitteilung vom 4. Februar 2021.

  149. Siehe EZB, EZB plant Anlagen im Green-Bond-Fonds der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Pressemitteilung vom 25. Januar 2021.

  150. Das IRT ist ein funktionsübergreifendes, flexibel zusammengesetztes Team unter der Leitung der Section Operationelles Risikomanagement und Business-Continuity-Management (ORM/BCM). Es ist Teil der bei der EZB eingerichteten Struktur für das Management kritischer Vorfälle. Während der Corona-Pandemie waren bislang Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den folgenden Bereichen im IRT vertreten: Generaldirektion Personal, einschließlich medizinisches Beratungsteam, Ausschuss für betriebliche Gesundheit und Sicherheit, Generaldirektion Verwaltung, Generaldirektion Informationssysteme, Generaldirektion Kommunikation, Generaldirektion Rechtsdienste, Section ORM/BCM, Generaldirektion Finanzmarktoperationen, Generaldirektion Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr sowie SSM.